"Größte Sicherheitsgarantie ist die EU"
27. Juni 2017Deutsche Welle: Es gab in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Anläufe, die Zypern-Frage zu lösen. Das letzte Mal Anfang des Jahres im schweizerischen Mont Pèlerin. Wie groß ist die Bereitschaft der griechischen und türkischen Zyprer, diesmal zu einer Lösung zu gelangen?
Averof Neofytou: Unsere Seite wollte, will und ist bereit für die Lösung. Nur dadurch können wir die türkische Besatzung der Insel beenden. Aber um Tango zu tanzen, braucht man zwei. Alles hängt davon ab, ob die Türkei tatsächlich den politischen Willen aufbringt, die Zypern-Frage zu lösen. Das wird sich an den zentralen Fragen Sicherheit und Garantien zeigen. Wenn sie darauf besteht, weiterhin Garantiemacht mit Interventionsrecht und Besatzungstruppen in einem EU-Land zu bleiben, dann können wir nicht mehr hoffen, dass es zu einer Lösung kommt.
Die türkisch-zyprische Seite will wiederum, dass türkische Truppen auf der Insel stationiert bleiben und dass die Türkei neben Griechenland und Großbritannien auch weiterhin Garantiemacht bleibt - wenn nicht für ganz Zypern, so doch für die türkischen Zyprer. Wie können diese Unterschiede zwischen beiden Volksgruppen überbrückt werden?
Einer der Gründe, weshalb die türkischen Zyprer eine Lösung wollen, ist, dass in einem wiedervereinigten Zypern für alle Bürger die EU-Rechte gelten werden. Wenn wir also die Zypern-Frage lösen, dann ist für uns alle die größte Sicherheitsgarantie die Europäische Union. Das müssen sich alle vergegenwärtigen. Man stelle sich nur vor, Russland würde die Sicherheit der baltischen Staaten oder auch die von Polen garantieren. Wie würden das die anderen EU-Länder finden?
Nichtdestotrotz gibt es auf beiden Seiten tiefsitzende Ängste. Bei den griechischen Zyprern rühren sie von der türkischen Invasion 1974 her und bei den türkischen Zyprern von negativen Erfahrungen in den 1960er Jahren, als sie sich als Minderheit unterdrückt fühlten. Muss man nicht auf diese Ängste eingehen und sich Modelle überlegen, die beiden Volksgruppen das nötige Gefühl von Sicherheit geben?
Natürlich. Wenn die türkischen Zyprer auf türkische Truppen und Garantien bestehen, um sich sicher zu fühlen, dann müssen sie auch berücksichtigen, wie sich die griechischen Zyprer fühlen, denen noch die türkische Invasion in den Knochen sitzt und die eine solche Erfahrung nicht wieder machen wollen. Wenn wir uns auf das Prinzip einigen, dass die Sicherheit für die eine Volksgruppe nicht zu Lasten der anderen gehen darf, gibt es im Rahmen der EU Mittel, beziehungsweise Pfeiler, die für die Sicherheit aller Bürger des vereinigten Zyperns angewendet werden können.
Aber es gibt nicht nur in den Sicherheits- und Garantiefragen unterschiedliche Positionen. Trotz mehrmonatigen Verhandlungen der Experten beider Seiten liegt man noch in vielen anderen Fragen auseinander.
Wir verhandeln über insgesamt sechs Kapitel. In den Kapiteln Regierung, EU, Wirtschaft und Eigentumsfragen ist man sehr weit voran gekommen. Die Unterschiede sind sehr gering. Im Kapitel über die Territorialfrage, in dem es darum geht, wie groß das jeweilige Territorium der beiden Bundesländer sein wird, hat jede Seite ihren Plan vorgelegt. Das ist zwar ein wichtiger Schritt, aber das reicht nicht. Man muss sich noch darauf einigen, wie viel Prozent des Gesamtterritoriums Zyperns jeder Seite zustehen und welche Gebiete der Verwaltung welches Bundeslandes unterstellt werden. Das einzige Kapitel, das noch vollkommen offen steht, ist das sechste, in dem es um Sicherheit und Garantien geht. Der zyprische Präsident Nikos Anastasiadis hat es sehr plastisch beschrieben: Von den sechs Gläsern sind vier fast voll, das fünfte ist halb voll und das sechste hat keinen Tropfen Wasser. Dabei ist dieses, in dem es um Fragen der Sicherheit und der Garantien geht, das wichtigste.
Entscheidender Faktor zur Lösung der Zypern-Frage ist neben den beiden Volksgruppen die Türkei. Im Unterschied zu den anderen beiden Garantiemächten Griechenland und Großbritannien nimmt Ankara einen aktiven Part ein. 2004 stimmte die Türkei dem Plan des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan zur Wiedervereinigung Zyperns zu. Glauben Sie, dass es diesmal am Ende auch so sein wird?
Wir sind sehr stark an einer Lösung interessiert. Daran, dass wir in einem normalen, geeinigten, europäischen Land leben. Wir werden es nicht akzeptieren, dass mit der Zypern-Frage andere Fragen verknüpft werden - wie zum Beispiel das Verhältnis EU-Türkei. Wir wollen die Zypern-Frage für die Zyprer lösen und nicht, dass sie für die Interessen irgendeines anderen Landes instrumentalisiert wird.
Die Erwartungen an die Konferenz in Crans-Montana sind in den letzten Tagen zurückgeschraubt worden. Kaum einer erwartet, dass es zu einer abschließenden Vereinbarung kommen wird. Wenn es tatsächlich so kommen sollte, wie wird es weitergehen? Wird es eine Folgekonferenz geben?
Wir fahren mit sehr viel Entschlossenheit in die Schweiz. Wir hoffen auf den guten Willen der Türkei. Wenn sie ihn zeigt und es Fortschritte in den Fragen der Garantien und der Sicherheit geben wird, dann werden wir dort bleiben, solange es nötig sein wird, um zu einer umfassenden Lösung der Zypern-Frage zu gelangen.
Der 56-jährige griechisch-zyprische Politiker Averof Neofytou ist seit 2013 Vorsitzender der konservativen Partei DYSI (Demokratische Sammlung). Er folgt auf Nikos Anastasiadis, der ins Amt des Staatspräsidenten der Republik Zypern gewählt wurde.
Das Gespräch führte Panagiotis Kouparanis