Nebenkosten von Atomkraft unterschätzt
16. Mai 2014Der Vorschlag der Energieversorger, die Entsorgung der Atomkraftwerke dem Staat zu überlassen, beflügelt die Debatte über die Kosten für Energieerzeugung in Deutschland. Über Jahrzehnte wurde Strom aus Atomkraft als günstige Energie gepriesen. Die Folgekosten und versteckten Subventionen wurden in der Öffentlichkeit jedoch kaum diskutiert.
Mit den bekannt gewordenen Plänen der Energiekonzerne, den Abbau der Atomkraftwerke, die Endlagerung und die damit verbundenen Risiken und Kosten dem Staat zu übertragen, rückt die Gesamtkostenbetrachtung von Atomstrom zunehmend in den Blickpunkt.
Nebenkosten machen Atomstrom teuer
Beflügelt vom Traum einer günstigen und unersättlichen Energie, war es vor allem die Politik, die in den 50iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf die Atomkraft setzte und die Energiekonzerne drängte, Atomreaktoren zu bauen. Damit der Einstieg in die Atomwirtschaft gelang, förderten beide deutsche Staaten die Atomenergie mit Milliarden - nicht nur in den ersten beiden Jahrzehnten. Nach einer Studie vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) lagen die staatlichen Förderungen zwischen 1970 und 2012 bei 163 Milliarden Euro, umgerechnet auf die Stromproduktion entspricht dies eine Subvention von vier Eurocent pro Kilowattstunde (kWh).
Damit die Energiekonzerne Atomkraftwerke bauen und Atomstrom rentabel produzieren können, übernimmt der deutsche Staat aber noch den größten Kostenfaktor: die Haftungsrisiken für atomare Unfälle.
Die deutschen Kraftwerksbetreiber haften nur bis zu einer Schadenssumme von 2,5 Milliarden Euro. Ein atomarer Unfall wie in Tschernobyl oder Fukushima würde im dichtbesiedelten Deutschland jedoch Schäden von einigen hundert Milliarden Euro verursachen.
Würden Atomkraftwerke mit einer entsprechenden Haftpflichtpolice versichert - so wie es bei anderen Kraftwerken und Industriebetrieben üblich ist -, würde Atomstrom äußerst teuer. Das FÖS wertete internationale Studien aus und beziffert die Bandbreite der externen Zusatzkosten auf 11 bis 34 Eurocent pro kWh.
Forderung nach ehrlicher Kostendebatte
Umweltschützer, Wissenschaftler und Energieexperten fordern schon seit langem ein Ende der versteckten Subventionen für die Atomwirtschaft, mehr Transparenz und damit eine faire und realistische Kostendebatte in der Energiepolitik. Sie wollen, dass alle Kosten in die Bewertung der unterschiedlichen Energieträger einbezogen werden.
Dass die Energiekonzerne jetzt Berichten zufolge planen, das Kostenrisiko für Kraftwerksabbau und Endlagerung in einen Staatsfond auszulagern, sorgt für Empörung, macht zugleich aber auch deutlich, dass der Atomstrom nicht preiswert ist.
Auch im Nachbarland Frankreich wird die Kostenlast der Atomkraft inzwischen immer deutlicher. Die französischen Kraftwerksbetreiber haften im großen Schadensfall nur mit 91 Millionen Euro, das Restrisiko übernimmt der Staat. Frankreich, das noch zu fast 80 Prozent seinen Strom mit Atomkraft erzeugt, hat zudem mit alternden Kraftwerken zu kämpfen. Nach Angaben von Greenpeace werden sie immer störanfälliger und zur zunehmenden Gefahr.
Die Folgekosten der Atomkraft, die Kosten für Kraftwerksrückbau und Atommüllendlagerung rücken deshalb ebenfalls zunehmend in den Fokus. Der Pariser Rechnungshof schätzte die Kosten für den Rückbau der 58 Reaktoren 2010 auf 32 Milliarden Euro und die Kosten für die Endlagerung 2005 auf 17 Milliarden Euro. Experten halten diese Kalkulationen für viel zu niedrig. Eine von der französischen Nationalversammlung ins Leben gerufene Enquetekommission zu den Kosten der Atomkraft geht derzeit diesen Fragen nach. Ihr Abschlussbericht wird für Juni erwartet.
Der unabhängige Pariser Atomexperte Mycle Schneider prophezeit schwere Zeiten für die französische Atomwirtschaft und rechnet mit steigenden Strompreisen. Der Atomkonzern EDF ist derzeit mit 35 Milliarden Euro verschuldet und leidet zunehmend unter den Betriebskosten alternder Reaktoren. Die Strompreise erhöhte EDF im letzten und diesem Jahr um jeweils fünf Prozent.