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PolitikEuropa

Nawalny stand wohl unter Polizeiüberwachung

23. August 2020

Als einer der schärfsten Kritiker von Russlands Präsident Wladimir Putin war er schon lange im Visier der Behörden. Doch jetzt wird klar, wie lückenlos der im Koma liegende Alexej Nawalny offenbar überwacht wurde.

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Russland | Alexei Navalny am Flughafen Richtung nach Deutschland
Alexej Nawalny während des Krankentransports nach DeutschlandBild: Reuters/A. Malgavko

"Das Ausmaß der Überwachung überrascht mich überhaupt nicht", schrieb Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch im Kurznachrichtendienst Twitter. Allerdings, so fügte sie hinzu, sei es erstaunlich, "dass sie nicht gezögert haben, allen davon zu erzählen".

Hintergrund ist ein Artikel der Moskauer Boulevardzeitung "Moskowski Komsomolez". Darin werden detailgenau alle Bewegungen des Oppositionellen bei seiner Reise durch Sibirien beschrieben. Es wird aufgeführt, mit wem er sprach und wo er übernachtete. Das Team soll mehrere Hotelzimmer angemietet haben, Nawalny sei aber in eine "konspirative" Wohnung gebracht worden. Sogar die Essensbestellung (Sushi) wird erwähnt.

Besuch in der Charité

Seit Samstag wird Alexej Nawalny in der Berliner Charité behandelt. Er liegt seit Donnerstag in einem künstlichen Koma und wird beatmet. Sein Team geht davon aus, dass er während der Reise durch Sibirien Opfer eines Giftangriffs wurde. Die russischen Ärzte sprachen dagegen lediglich von einer "Stoffwechselstörung".

Die Mitarbeiter des prominenten Kremlkritikers wollten an diesem Sonntag in ihrem Internetkanal über die aktuelle Lage informieren. Das sagten sie jedoch wieder ab.

In Berlin ist auch Nawalnys Frau Julia und sein enger Vertrauter Leonid Wolkow. Beide besuchten Nawalny am Sonntag in der Klinik. Mit Informationen aus dem Krankenhaus könne frühestens am Montag gerechnet werden, sagte eine Sprecherin. Die Ärzte würden sich erst nach der medizinischen Diagnostik und nach Rücksprache mit der Familie zur Erkrankung und weiteren Schritten äußern. Die Untersuchungen würden einige Zeit in Anspruch nehmen. Sobald Erkenntnisse vorlägen, werde auch die Öffentlickeit informiert.

Finnland Sauli Niinisto
Finnlands Präsident Sauli Niinisto hat vermitteltBild: DW/T. Schulz

Hilfe aus Finnland?

Bei der Ausreise hat möglicherweise auch Finnlands Präsident Sauli Niinistö eine vermittelnde Rolle gespielt. Er habe zunächst mit Kanzlerin Angela Merkel über Nawalny gesprochen und sei mit ihr übereingekommen, dass er die Sache in einem weiteren Telefonat mit Putin erörtern solle, sagte Niinistö dem finnischen Rundfunksender Yle. Er habe Putin in dem Gespräch gefragt, ob Nawalny zur Behandlung nach Deutschland gebracht werden könne, worauf der geantwortet habe, dass es dafür keine politischen Hindernisse gebe.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigt sich erleichtert, dass Nawalny "in einem Krankenhaus und von Ärzten behandelt wird, die das Vertrauen der Familie genießen". Es sei wichtig, "dass die Frage nach der Ursache der dramatischen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes" beantwortet werde, sagte Steinmeier am Rande seines Besuchs der Salzburger Festspiele. "Ich hoffe, dass alle diejenigen, die zur Klärung dieser Frage etwas beitragen können, dies tatsächlich tun."

Auch die deutsche Regierung setzt auf eine erfolgreiche Behandlung Nawalnys in Berlin. "Die Bundesregierung hofft, dass die Behandlung in der Charité zu einer Besserung seines Zustands führt und eine vollständige Genesung ermöglicht", teilte ein Regierungssprecher mit.

Russland Kundgebung zur Unterstützung von politischen Gefangenen | Alexey Nawalny
Alexej Nawalny auf einer politischen Veranstaltung im September vergangenen JahresBild: picture-alliance/AA/S. Karacan

Popularitätsschub vor den Regionalwahlen

Im Fokus steht Nawalnys Team auch, weil Regionalwahlen in Russland anstehen. Mit ihrer Strategie einer so bezeichneten "klugen Abstimmung" will es der Kremlpartei Geeintes Russland Stimmen abspenstig machen und deren Dominanz in den Regionen brechen. Die Taktik: Jede beliebige Partei zu wählen - nur nicht Geeintes Russland. Damit waren sie auch schon in der Vergangenheit besonders für den Kreml unerwartet erfolgreich. Deshalb sei es nicht auszuschließen, dass Nawalny Ziel eines Anschlags geworden sei, sagte Alexej Wenediktow, der Chefredakteur des renommierten Radiosenders Echo Moskwy. "Politisch ist das natürlich ein grandioser Schlag für das politische System Russlands." Die mögliche Vergiftung werde dieses System deutlich verändern.

Trotz einer möglichen Vergiftung wollen sich die Mitarbeiter nicht einschüchtern lassen. Die Stiftung werde ihre Arbeit fortsetzen, schrieb der Fonds-Leiter Iwan Schdanow auf Twitter. Auch die regelmäßigen Live-Auftritte im Internet setzten Nawalnys Mitarbeiter fort - in der Hoffnung, dass das prominenteste Gesicht bald wieder dabei sein wird.

mak/as (dpa, rtr)

Dieser Artikel wurde aktualisiert.