Nawalny auf dem Weg nach Deutschland
22. August 2020Am Freitagabend (Ortszeit) teilten die Ärzte am behandelnden Krankenhaus im sibirischen Omsk mit, dass sie "keine Einwände" gegen eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus hätten. Den Zustand des Kreml-Kritikers beschrieb der stellvertretende Chefarzt der Klinik, Anatoli Kalinitschenko (Artikelbild), als "stabil".
Auch Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch bestätigte, dass es eine entsprechende Einwilligung der russischen Ärzte gebe. "Es ist schade, dass die Ärzte so lange gebraucht haben, um diese Entscheidung zu treffen." Nawalnys Team und seine Familie gehen davon aus, dass er vergiftet wurde. Der Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin und Anti-Korruptions-Aktivist Nawalny war am Donnerstag ins Krankenhaus von Omsk eingeliefert worden, nachdem er in einem Flugzeug das Bewusstsein verloren hatte.
Zunächst hatten die russischen Mediziner erklärt, Alexej Nawalny sei nicht transportfähig. Deutsche Ärzte, die den in Lebensgefahr schwebenden 44-Jährigen im Krankenhaus untersucht hatten, widersprachen.
Berliner Charité wartet auf Nawalny
Ein Spezialflugzeug mit Nawalny an Bord startete schließlich in der Nacht vom Flughafen in Omsk und wird noch vor 9 Uhr MESZ in Berlin erwartet. Dort soll der im Koma liegende Regimekritiker in die Klinik Charité gebracht werden. Das Flugzeug war von der Organisation "Cinema for Peace" nach Omsk geschickt worden. Deren Gründer Jaka Bizilj sagte der DW: "Wir wollen so schnell wie möglich fliegen."
Nawalny liegt im Koma und wird künstlich beamtet. Nach Darstellung der Ärzte in dem Krankenhaus soll er an einer Stoffwechselstörung leiden. Ursache für die Erkrankung sei ein niedriger Blutzucker-Wert Nawalnys. "Das ist die Hauptdiagnose, zu der wir am ehesten neigen", sagte Chefarzt Alexander Murachowski. Eine Vergiftung schloss er aus. Im Blut und im Urin des Patienten seien weder Gift noch Spuren davon nachgewiesen worden. Nawalnys Team bezweifelt das.
"Sie verkaufen uns wieder einmal für Idioten"
"Stoffwechselstörungen können bei vielen Krankheiten auftreten", schrieb Nawalnys persönliche Ärztin Anastassija Wassiljewa auf Twitter. Ein niedriger Blutzucker und eine Stoffwechselstörung seien keine Diagnose, sondern eine Zustandsbeschreibung. "Sie verkaufen uns wieder einmal für Idioten."
Zuvor hatte Nawalnys Team unter Berufung auf einen nicht näher genannten Polizeibeamten davon gesprochen, dass bei dem Blogger ein "tödlicher Stoff" gefunden worden sei. Das Gift sei demnach nicht nur gefährlich für ihn selbst, sondern auch für die Umgebung, weshalb das Tragen von Schutzanzügen angeordnet worden sei, sagte der Chef von Nawalnys Anti-Korruptions-Fonds, Iwan Schdanow. Um welchen Stoff es sich handeln könnte, blieb zunächst offen.
wa/qu/ww (dpa, rtr, afp)