NATO-Kräfte in erhöhter Einsatzbereitschaft
22. Dezember 2021Im Konflikt um die Ukraine zeichnet sich keine Entspannung ab - im Gegenteil. Während der russische Präsident Wladimir Putin seinen Ton verschärft, reagiert die NATO auf die russischen Truppenbewegung an der Grenze zur Ukraine. Laut einem Bericht der Zeitung "Welt" wurde die Einsatzbereitschaft der schnellen Eingreiftruppe erhöht. Demnach müssen die als sogenannte NATO-Speerspitze bekannten Einsatztruppen innerhalb von fünf Tagen einsatzbereit sein für die Verlegung in ein Krisengebiet. Bislang musste die Truppe namens Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) innerhalb von sieben Tagen bereitstehen.
Auch andere Einheiten der Eingreiftruppe wie Spezialkräfte oder Logistiker wurden laut dem Zeitungsbericht in eine erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Auch sie seien im Krisenfall jetzt deutlich schneller bereit für eine Verlegung. Dabei geht es neben einer Eskalation des Ukraine-Konflikt auch darum, den Schutz der Alliierten für die östlichen NATO-Mitglieder zu verbessern. Diese fühlen sich zunehmend bedroht durch die jüngsten Entwicklungen an der russisch-ukrainischen Grenze.
Ein NATO-Sprecher wollte die neuen Beschlüsse nicht kommentieren. Die Alliierten hätten jedoch "deutlich" gemacht, dass jede weitere Aggression Russlands "Kosten und Konsequenzen" haben werde, hieß es.
Die NATO Response Force (NRF) ist ein multinationaler, schnell verlegbarer Einsatzverband der NATO, der bis zu 40.000 Soldatinnen und Soldaten umfasst. Die VJTF ist Teil der NRF. Bei der VJTF handelt es sich um die schnellste Eingreiftruppe, die die Allianz besitzt. Derzeit wird die VJTF von der Türkei geführt. Sie umfasst laut "Welt" rund 6400 Soldaten und Soldatinnen.
Putin verschärft den Ton
Derweil hat Russlands Präsident Putin mit einer "militärisch-technischen" Reaktion auf das angeblich "unfreundliche" Verhalten des Westens gedroht. Sollte der Westen seine "eindeutig aggressive Haltung" nicht aufgeben, "werden wir die angemessenen militärisch-technischen Vergeltungsmaßnahmen ergreifen", sagte er in Moskau. Russland werde "hart auf unfreundliche Schritte reagieren", hieß es in einer Rede vor ranghohen Vertretern der Armee und des Verteidigungsministeriums.
Putin versicherte, Russland wolle keinen "bewaffneten Konflikt" und kein "Blutvergießen", sondern die Angelegenheiten "auf politischem und diplomatischem Wege lösen". Er beschwerte sich jedoch erneut über die Unterstützung der USA für die Ukraine, welche Militärtraining und mehr als 2,5 Milliarden Dollar umfasst. Dies finde "vor unserer Haustür" statt, warnte er.
Der russische Präsident wirft den USA und der NATO seit Wochen vor, die Spannungen nahe der russischen Grenze zu schüren. Die Äußerungen Putins nähren Befürchtungen, die russische Armee könnte einen Einmarsch in die Ukraine planen. Russland hat an der Grenze zum Nachbarland zehntausende Soldaten zusammengezogen.
Die G7-Staaten und die EU drohen Russland im Falle eines Angriffs mit "massiven Konsequenzen". Der Westen befürchtet, dass Putin unter dem Vorwand einer angeblichen Provokation in der Ukraine einen großangelegten Angriff starten könnte. Russland bestreitet die Vorbereitung einer Invasion in der Ukraine und wirft der Regierung in Kiew und der NATO-Provokationen vor. Von den USA und dem Westbündnis forderte Putin zuletzt schriftliche Sicherheitsgarantien mit einem Verzicht auf eine weitergehende NATO-Osterweiterung und auf die Errichtung von Militärstützpunkten in ehemaligen Sowjetrepubliken.
"Detaillierte Angaben" zu diesen Forderungen machte Putin nach Angaben des Kreml auch in seinem ersten Telefonat mit dem neuen deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz. Dabei verlangte er "ernsthafte Verhandlungen" über die von ihm geforderten Sicherheitsgarantien. Scholz wiederum brachte in dem Telefonat seine "Sorge angesichts der Lage" zum Ausdruck und hob die dringende "Notwendigkeit einer Deeskalation" hervor, wie sein Regierungssprecher mitteilte.
Bulgarien gegen Stationierung von NATO-Truppen
Innerhalb des NATO-Bündnisses gibt es aber offenbar unterschiedliche Bewertungen der Lage. So lehnt der bulgarische Verteidigungsminister Stefan Janew eine Stationierung von NATO-Truppen in seinem Land vorerst ab. Es gebe keine notwendigen Umstände, die eine Entscheidung zur Stationierung von NATO-Truppen auf bulgarischem Staatsgebiet rechtfertigen könnten, so Janew. Es gebe keinen Grund, die russischen Einheiten als eine direkte Bedrohung der Allianz und der relevanten Sicherheitszone zu betrachten.
Er bestätigt eine Diskussionen über gewisse Optionen innerhalb der NATO, darunter eine Präsenz der Allianz in den Mitgliedsstaaten Bulgarien und Rumänien, die ans Schwarze Meer grenzen. Bulgariens Bevölkerung gilt aus historischen und kulturellen Gründen mehrheitlich als Russland-freundlich gesinnt.
cwo/sti (dpa, afp, rtr)