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Südosteuropa

Anila Shuka25. Mai 2012

Populistische Strömungen zeigen sich vor allem in Krisenländern - wie zur Zeit in Griechenland. Aber auch in anderen Ländern wächst die Zustimmung für extremistische Parteien.

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Nikolaos Mihaloliakos, Vorsitzender der rechtsextremen Partei "Goldene Morgenröte" in Griechenland (Foto: Reuters)
Der Vorsitzende der Rechtsextremen Partei "Goldene Morgenröte" in GriechenlandBild: Reuters

Serbien hat am 20. Mai einen Präsidenten gewählt, der früher als Extremist und Europafeind bekannt war: Tomislav Nikolic. Er verspricht zwar, das Land weiterhin auf EU-Kurs zu halten. Doch der in Belgrad lebende Autor und Journalist Sasa Ilic zweifelt an der Glaubwürdigkeit von Nikolic: "Seine Politik wird letztendlich die Fortsetzung seiner bisherigen Haltung sein: Das belegt seine Vergangenheit als Mitglied der freiwilligen Garde von Vojislav Seselj. Er hat sich an Kriegshandlungen in Kroatien beteiligt und sich für Ratko Mladic und Großserbien eingesetzt", erklärte der serbische Journalist auf einer Konferenz der Südosteuropa-Gesellschaft zum Thema "Nationalismus und Populismus in Südosteuropa".

Albanische Nationalisten: Stars auf Facebook

Ilic kritisiert aber auch den bisherigen pro-europäischen Präsidenten Boris Tadic, der nie bereit war, Zugeständnisse in der Kosovo-Frage zu machen. Serbien weigert sich weiterhin, die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz anzuerkennen. Mit seiner Haltung  habe Tadic nationalistische Gefühle immer wach gehalten. Dass diese Politik irgendwann einen weiteren Rechtsruck in der serbischen Gesellschaft bringen würde, davor haben Intellektuelle in Serbien schon lange gewarnt, sagte Sasa Ilic. Der Herausgeber des kritischen Kulturblattes "Beton" gehört zu einer immer noch kleinen Minderheit der serbischen Gesellschaft, die die Unabhängigkeit des Kosovo akzeptiert und sich um eine Annäherung an die Albaner bemüht.

Der serbische Autor Sasa Ilic mit anderen Experten bei der Konferenz in Tutzing (Foto: DW)
Der serbische Autor Sasa Ilic (zweiter von rechts) setzt sich für mehr Toleranz einBild: DW

In vielen südosteuropäischen Staaten nehmen Versprechungen populistischer Bewegungen nahezu fantastische Dimensionen an. Die in Albanien neu gegründete Schwarz-Rote Allianz (Aleanca Kuqezi) will albanische Pässe für alle ethnischen Albaner im Kosovo, in Mazedonien, Südserbien und Montenegro und versucht, einen großalbanischen Wirtschaftsprotektionismus durchzusetzen. Ähnliche Ziele verfolgt auch die im Kosovo agierende Bewegung "Vetëvendosja" (Selbstbestimmung), die mittlerweile auch im Parlament vertreten ist.

Beide Bewegungen genießen große Sympathien unter jungen Albanern dank einer sehr effektiven Nutzung der sozialen Netzwerke im Internet, erklärt Stephanie Schwandner-Sievers von der Universität Roehampton in London. "Großalbanischer Nationalismus gilt plötzlich als jung, hübsch und sexy und wird oft aggressiv mit modernen Mitteln beworben", so die Albanien-Expertin. Die Rot-Schwarze Allianz in Albanien hat es innerhalb weniger Monate auf über 80.000 Facebook-Fans gebracht. Die größte Oppositionspartei Albaniens, die Sozialistische Partei, hat dagegen nur knapp über 29.000 Anhänger auf Facebook.

Wie wichtig das Internet für den Popularitätsgewinn von Extremisten ist, zeigt auch der Aufstieg der als ultra-rechts geltenden ungarischen Jobbik-Partei, die seit zwei Jahren an der Regierung beteiligt ist. "Die Partei hat sich in den Medien etabliert durch die Einführung des Topos der Roma-Kriminalität", sagt Aron Buzogany, Wissenschaftler an der Verwaltungshochschule in Speyer. Doch er hebt hervor, dass Jobbik Ressentiments bedient hat, die schon längst in der ungarischen Gesellschaft vorhanden waren.

Hilflose Medien

Mythische Elemente und die Betonung der Einheit der Nation: Diese Merkmale der Jobbik in Ungarn sind auch bei anderen populistischen Bewegungen in Südosteuropa zu finden. Dass national-ethnische Elemente immer wichtiger werden, beobachtet die Islamwissenschaftlerin Armina Omerika von der Universität Bochum auch an einer neuen Tendenz der neo-fundamentalistischen Muslime in Bosnien-Herzegowina. Während salafistische Akteure bisher immer den universellen Islam gepredigt haben, haben sie sich in der letzten Zeit zu wichtigen Trägern ethnisch-nationaler Diskurse entwickelt. "Ihre ehemalige Hassfigur, der Hauptvertreter der bosnischen Muslime Mustafa Ceric, wird nun von ihnen als großer Sohn der bosniakischen Nation verehrt", sagt Armina Omerika.

Auch die Medien sind oft hilflos, wenn es um nationalistische Rhetorik geht - zum Beispiel im Fall der rechtsextremen griechischen Partei "Goldene Morgenröte" (Chrysi Avgi). "Die Medien haben keinen Weg gefunden, mit der rechtsextremen Chrysi Avgi umzugehen", beklagt die Journalistin der Neuen Zürcher Zeitung, Elena Panagiotidis. "Sie erscheinen oft in den Morgen- und Abendprogrammen und man hat sehr oft den Eindruck, dass die Chrysi-Avgi-Sprecher die Moderatoren vorführen und nicht umgekehrt."

Populistische Bewegungen haben eine Gemeinsamkeit: "Eine Identitätspolitik, in deren Zentrum das Volk steht, das als homogene Einheit aufgefasst und mit moralisch aufgeladenen Attributen besetzt wird, die sich meist gegen eine korrupte Elite richtet", erklärt der österreichische Politologe Werner Bauer.

Der österreichische Politologe Werner Bauer (Foto: DW)
Politologe Werner Bauer warnt vor PopulismusBild: DW

"Auch Deutschland ist nicht sicher vor Populismus"

Extremistische Parteien färben auf die gesamte politische Bühne ab, warnt Heinz-Jürgen Axt, Professor an der Universität Duisburg-Essen: "Je größer der Einfluss extremistischer Parteien, umso größer ist die Versuchung etablierter Parteien, im Wählerreservoir der Extremisten zu fischen." Auch bei den Wahlen in Frankreich habe man die Versuche des Konservativen Nicolas Sarkozy beobachten können,  manche der populistischen Themen seiner rechtsextremen Rivalin Marine Le Pen aufzugreifen. Heinz-Jürgen Axt, Vizepräsident der Südosteuropa-Gesellschaft, lehnt einen Wettkampf der mit populistischen Parolen geführt wird ab: "Man sollte Lösungsansätze suchen, statt unrealisierbare Versprechungen zu machen."

Solange es den Bürgern wirtschaftlich gut gehe, seien die rechten Ressentiments verborgen. Doch die Gefahr, dass bei der nächsten Krise auch die Populisten davon profitieren, ist groß. Davor sei auch Deutschland nicht geschützt, warnt Heinz-Jürgen Axt, mit Blick auf die derzeitige Euro-Politik: "Die deutsche Politik muss den Bürgern erklären, weshalb in der gegenwärtigen Situation Finanzunterstützungen für Griechenland, Portugal, Spanien und Italien notwendig sind." Nur durch Aufklärung und Information könne man verhindern, "dass Themen wie Gebermentalität und Finanztransfers für populistische Bewegungen in Deutschland benutzt werden können".

Südosteuropa-Experte Heinz-Jürgen Axt (Foto: DW)
Heinz-Jürgen Axt beobachtet auch in Westeuropa populistische TendenzenBild: DW