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Narendra Modi: Erfolgreich und umstritten

Srinivas Mazumdaru5. Februar 2014

Narendra Modi, Regierungschef im indischen Bundestaat Gujarat und Führer der Oppositionspartei BJP, gilt als aussichtsreicher Kandidat für das Amt des indischen Premiers. Ein Portrait des umstrittenen Aufsteigers.

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Hindu-Nationalist Narendra Modi
Bild: Reuters

27. Februar 2002 im westindischen Bundesstaat Gujarat: In einem Zug mit hinduistischen Pilgern bricht unter bis heute ungeklärten Umständen ein Feuer aus. 58 Pilger kommen ums Leben. Dieser Vorfall, zusammen mit Berichten, dass aufgeputschte Muslime das Feuer gelegt hätten, löste eine der tödlichsten Gewaltorgien in der jüngeren Geschichte Indiens aus: Bei den anschließenden Unruhen kamen nach offiziellen Angaben 254 Hindus und 790 Muslime ums Leben, Tausende wurden verletzt. Diese anti-muslimischen Pogrome beschädigten das Image Narendra Modis, der seit 2001 Ministerpräsident in Gujarat war, nachhaltig. Immer wieder ist ihm seither vorgeworfen worden, er habe nicht eingegriffen, um die Gewalt zu stoppen.

"Hindu-Nationalist"

Modi stammt aus einer Mittelschicht-Familie und studierte an der Universität von Gujarat Politikwissenschaft. Viele Jahre lang propagierte er anschließend für die radikale hindu-nationalistische Basisorganisation RSS die "Hindutva"-Ideologie einer Hinduisierung Indiens, bevor er Ende der achtziger Jahre in die rechtskonservative hindu-nationalistische "Indische Volkspartei" (BJP) eintrat. Nach seinem Aufstieg innerhalb der Partei wurde Modi 2001 in Gujarat zum Regierungschef gewählt - nur wenige Monate bevor die Gewalt zwischen Hindus und Muslimen ausbrach.

Aufgebrachte Hindus attackieren im Jahr 2002Muslime (Foto: AP)
Modi wird vorgeworfen, nicht eingegriffen zu haben, als 2002 in Gujarat die Gewalt eskalierteBild: AP

Menschenrechtsgruppen werfen seiner Regierung seither vor, sie habe nicht nur versäumt, die Minderheiten zu schützen, sondern durch ihre Tatenlosigkeit den blutigen Ausschreitungen sogar Vorschub geleistet. Politische Gegner und Nichtregierungsorganisationen benutzten diese Vorwürfe um Modi als "Anti-Muslim" oder "Hindu-Nationalist" abzustempeln und machten ihn so zu einem der umstrittensten Politiker in Indien. Modi selber wies stets alle Beschuldigungen von sich. Seine Anhänger behaupten, er sei unfair behandelt und schlecht gemacht worden.

Ein Untersuchungsausschuss des Obersten Verfassungsgerichts Indiens sprach Modi zwar von jeglichem Fehlverhalten frei, erinnert sich Milan Vaishnav, Südasien-Experte bei der US-amerikanischen Stiftung "Carnegie Endowment for International Peace". "Doch der Freispruch reichte nicht aus, um seine Kritiker zum Schweigen zu bringen. Sie geben ihm bis heute die Schuld an der Eskalation der religiösen Unruhen im Jahr 2002."

Wirtschaftliche Erfolge

Auch Modis Regierungsstil ist kontrovers und hat in den vergangen zehn Jahren häufig starke Reaktionen hervorgerufen. Gegner kritisieren ihn als "autoritär". Anhänger halten ihn jedoch für "entschlussfreudig" und loben seine wirtschaftlichen Erfolge.

Modi vor Solarpark in Gujarat (AP)
Solarpark in Gujarat: schnelle und unbürokratische InvestitionslizenzenBild: dapd

Tatsächlich machte der umstrittene "Chief Minister" Gujarat zu einem der am schnellsten wachsenden Bundesstaaten und bescherte ihm zeitweise zweistellige Wachstumsraten. "Modi hat viele einheimische und ausländische Investoren nach Gujarat geholt", sagt Jagdish Baghwati, Wirtschaftsprofessor an der New Yorker Columbia Universität. "Er bietet ihnen eine korruptionsfreie Umgebung und ist bekannt für seine schnellen Entscheidungen, wenn es um Investitions- und Produktionslizenzen geht. In fast allen anderen indischen Bundesstaaten ist die Situation aufgrund bürokratischer Verzögerungen vergleichsweise erbärmlich."

Gujarat verzeichnete zwischen 2000 und 2013 Direkt-Investitionen im Wert von rund 8,8 Milliarden US-Dollar. Das entspricht knapp vier Prozent der gesamten Auslandsinvestitionen in Indien in diesem Zeitraum, so die offiziellen Zahlen.

Dieses Wirtschaftswachstum sei jedoch nicht der sozialen Entwicklung Gujarats zugute gekommen, wenden Kritiker ein. Modi habe sich ausschließlich auf den Ausbau der äußerlichen Infrastruktur konzentriert und dabei Bildung oder Gesundheit außer Acht gelassen. Der Wirtschaftsfachmann Bhagwati ist anderer Ansicht: " Modi hat durchaus einen bemerkenswerten Beitrag geleistet, wenn es um soziale Indikatoren wie Armutsbekämpfung oder Alphabetisierungsrate geht. Außerdem hat er viele Dörfer ans Stromnetz angeschlossen."

Im Zeitraum 2011 bis 2012 wuchs das Bruttoinlandsprodukt Gujarats um 8,5 Prozent während Indiens Wirtschaft im Ganzen lediglich um fünf bis sechs Prozent zulegte. Die anhaltende starke Wirtschaftsleistung hat dazu beigetragen, das Image des BJP- Politikers im ganzen Land zu verbessern.

Beliebter Politiker

Im April oder Mai sollen in Indien allgemeine Parlamentswahlen stattfinden. Viele Beobachter erwarten einen Sieg der hinduistischen Oppositionspartei Bharatiya Janata Party (BJP) und ihres Spitzenkandidaten Narendra Modi. Sie glauben, dass Modi von den wiederholten Korruptionsskandalen auf höchster politischer Ebene profitieren könnte, die zu einer wachsenden Ernüchterung der Wähler gegenüber der regierenden Kongresspartei geführt haben.

Modi in einer Menschenmenge 2012 bei der Parlamentswahl in Gujarat Indien (Foto: AP)
Modi mit Anhängern bei der letzten Parlamentswahl in Gujarat 2012Bild: dapd

Modi ist in Indiens Mittelschicht, der Wirtschaft und unter Studenten beliebt. "Vor allem Industrievertreter unterstützen seine Kandidatur für den Posten des indischen Premiers", sagt S. Chandrasekharan, Direktor der indischen Denkfabrik "South Asia Analysis Group" (SAAG). "Sie hoffen, dass Modi als Regierungschef seine Wachstums- und Investitionspolitik auf nationaler Ebene fortsetzen und das Führungsvakuum ausfüllen würde, das das Land in ihren Augen jahrelang gelähmt hat."

Doch trotz seines starken Rückhalts in vielen Teilen der Gesellschaft, und obwohl Medien und Umfragen ihn schon als Wahlgewinner sehen, sei noch nicht klar, ob die BJP bei der Wahl genug Parlamentssitze gewinnen werde um eine Regierung zu bilden, sagt der Südasien-Experte Milan Vaishnav. "Auch wenn Modi scheinbar als Favorit für den Posten des Premiers ganz weit vorne liegt, muss das nichts heißen. Wahlausgänge sind in Indien oft unvorhersehbar: Auch in den letzten beiden Parlamentswahlen war der BJP fälschlicherweise ein Sieg vorausgesagt worden."

Außenbeziehungen

Im Falle eines Wahlsiegs der BJP oder einer von ihr geführten Koalitionsregierung stünden die westlichen Staaten, allen voran die USA, vor einer kniffligen Situation. Nach den Unruhen im Jahr 2002 hatten viele, darunter Deutschland, Großbritannien und die USA, ihre Verbindungen zu Modi abgebrochen und ihm die Einreise in ihre Länder untersagt. Der US-Kongress erließ 2005 sogar eine Resolution, die den "Chief Minister" aufgrund seiner Rolle bei den Unruhen verurteilte und ihm vorwarf, "Nazi-Ideologie" und "Rassenhass" zu verbreiten.

Symbolbild Visa USA (Foto:icholakov - Fotolia.com)
Einreise verweigert: die USA entzogen Modi 2005 das VisumBild: icholakov/Fotolia

In den vergangenen Jahren haben verschiedene Länder ihren Boykott des BJP-Führers aufgegeben. Die Vereinigten Staaten, die Modi im Jahr 2005 das Visum entzogen hatten, sind allerdings bis heute bei ihren Restriktionen geblieben. Dennoch hätte auch Washington keine andere Wahl, als sich auf Modi einzulassen, falls er neuer Regierungschef Indiens würde, meint Milan Vaishnav. "Die Regierung unter Barak Obama würde in diesem Fall pragmatisch vorgehen - angesichts der wachsenden wirtschaftlichen, diplomatischen und sicherheitspolitischen Verbindungen zwischen Indien und den Vereinigten Staaten."