Nancy Pelosi: "Auf einer Stufe mit dem Präsidenten"
27. Januar 2019"Vor langer Zeit habe ich gelernt, nicht gegen Nancy Pelosi zu wetten", sagt John Lawrence der DW. Er und andere Beobachter sind überzeugt: Der Konflikt zwischen US-Präsident Donald Trump und der Sprecherin des Repräsentantenhauses wird die politische Landschaft der USA in den nächsten zwei Jahren bestimmen.
Lawrence muss es wissen. Fast vier Jahrzehnte lang war er ein ranghoher Angestellter im Kongress, acht Jahre arbeitete er als Stabschef von Nancy Pelosi. Und obwohl die 78-jährige Demokratin und der 72-jährige Trump fast im gleichen Alter sind, könnten ihre politischen Erfahrungen nicht weiter auseinander liegen.
"Sie hat ein weitaus besseres Verständnis vom politischen System als Donald Trump", sagt Lawrence. "Ich habe nicht mit ihm gearbeitet, aber wenn man so nah am politischen Geschehen ist, erkennt man, dass Trump die Machtverteilung im amerikanischen System fundamental falsch versteht." Obwohl er bei der Präsidentschaftswahl nicht die meisten Stimmen erhalten hat, glaube Trump, dass er "viel mehr Macht als andere Präsidenten in der modernen amerikanischen Geschichte" habe.
Eine historische Figur
Trumps Regierungszeit ähnele einer "imperialen Präsidentschaft", also einer Verlagerung der Kompetenzen von der Gesetzgebung hin zum Präsidenten, fügt Lawrence hinzu. Sein Machtanspruch ist dabei bereits mit der neuen Realität der geteilten Regierung nach den Zwischenwahlen im vergangenen Jahr kollidiert: Haus-Sprecherin Nancy Pelosi verschob erst die Rede des Präsidenten zur Lage der Nation und zwang Trump dann zu einer vorläufigen Lösung im Regierungs-Shutdown. Pelosi hat dem Präsidenten klar gemacht, dass sie sich der Macht, die die Verfassung ihr gibt, durchaus bewusst ist. Protokollarisch ist sie nach dem Präsidenten und seinem Vize die Nummer drei im Staat. Und sie hat keine Furcht, diese Position gegen den Präsidenten zu nutzen.
"Sie ist Sprecherin des Hauses - also Vorsitzende eines unabhängigen Verfassungsorgans, und kann mit dieser Autorität auch den Zugang des Präsidenten zum Kapitol kontrollieren", sagt Thomas Mann, der für das Brookings Institution den Kongress erforscht. Er beschreibt Pelosi, die er schon seit 25 Jahren kennt, als "schlau, politisch klug und hartnäckig". Und sie stehe an der Spitze einer geeinten Partei.
Erst Mutter, dann Politikerin
Pelosi schrieb Geschichte als sie im Jahr 2007 als erste Frau die Führung des Repräsentantenhauses übernahm. 2019 gelang ihr ein weiterer Coup: Sie eroberte das Amt wieder zurück - eine solche Konstellation hatte es zuletzt vor mehr als 50 Jahren gegeben.
Pelosis politische Karriere scheint wie vorbestimmt. Sie stammt aus einer politisch engagierten Familie aus Baltimore. Ihr Vater und ihr Bruder waren dort beide Bürgermeister. Dennoch vollzog sich ihr politischer Aufstieg durchaus kompliziert und langwierig.
Pelosi zog mit ihrem Ehemann nach Kalifornien, brachte fünf Kinder zur Welt und wurde erst in ihren Vierzigern zur Vollzeit-Politikerin, als alle Kinder aus dem Haus waren. 1987 trat sie zunächst in einem Wahlbezirk an, den die traditionell die Demokraten für sich entschieden, für einen Sitz im Repräsentantenhaus an. Sie gewann und hat diesen Sitz seitdem nicht mehr verloren. Gleichzeitig stieg sie im Kongress in stets höhere Positionen auf.
Einer ihrer bedeutendsten Erfolge als Sprecherin des Repräsentantenhauses war die Zusammenarbeit mit dem republikanischen Präsidenten George W. Bush während der Finanzkrise im Jahr 2008. Gemeinsam hätten sie die US-Wirtschaft vor einem Zusammenbruch bewahrt, betonen Mann und Lawrence unisono.
Bereit für den politischen Kampf
Die beiden Experten schreiben der Demokratin auch eine entscheidende Rolle bei der Verabschiedung des "Affordable Care Act" zu, Präsident Barack Obamas historischer Krankenversicherung. Um das als "Obamacare" bekannte Gesetz durchzusetzen, sei Pelosi bereit gewesen, auch mit Beratern des Weißen Hauses unter Obama aneinander zu geraten, sagt Lawrence.
"Ich erinnere mich genau daran, als wir mit Präsident Obama im Oval Office saßen und über die Krankenversicherung sprachen", erzählt er. Einige Mitarbeiter des Präsidenten hätten geklagt, das Gesetz sei zu kompliziert geworden. Der Vorschlag müsse wieder abgewickelt und vereinfacht werden, damit die Krankenversicherung überhaupt eine Chance habe. "Manch einer sagte, wir sollten unsere Zelte abbrechen, eine abgespeckte Ausgabe des Gesetzes akzeptieren und irgendwann in der Zukunft für eine große nationale Krankenversicherung kämpfen."
Aber Pelosi habe dem Präsidenten und seinem Stab deutlich gemacht, dass sie das nicht hinnehmen werde. Das Repräsentantenhaus sei bereit, einen umfassenden Gesetzentwurf einzubringen, auch wenn das einen harten Kampf in der Kammer bedeuten und manche Abgeordneten politisch in Gefahr bringen würde. Danach habe es keine Versuche mehr gegeben, den Gesetzentwurf weiter zu verwässern. Der Kongress verabschiedete "Obamacare" schließlich in der ausführlichen Version.
"Trump wird es jetzt lernen"
Die Diskussion mit Obama im Oval Office zeige, dass Pelosi sich als Parlaments-Chefin in einer der Regierung ebenbürtigen Rolle sieht - auf einer Stufe mit dem Präsidenten, wie es die Experten Lawrence und Mann formulieren.
In den ersten beiden Jahren der Trump-Präsidentschaft hatten die Republikaner den Vorsitz über beide Kammern des Kongresses. Offensichtlich habe Trump in dieser Zeit nicht gelernt, dass der Kongress ein der Regierung gleichgestelltes Verfassungsorgan ist, sagt Lawrence. "Aber das wird er jetzt lernen". Nancy Pelosi sei eine "äußerst begabte Gegnerin, und das Repräsentantenhaus steht unter der Kontrolle einer Partei, die sich nicht einfach dem Willen des Präsidenten fügen wird".
In Anbetracht eines launenhaften Präsidenten wollen sich Lawrence und Mann nicht festlegen, ob Trump oder Pelosi am Ende dieses Groß-Konfliktes als Sieger vom Platz geht. Thomas Mann wagt dennoch einen Ausblick: "Sollte Trump bereit sein, seine Partei, seine Wiederwahl und das Land aufs Spiel zu setzen, wird er sich durchsetzen. Wenn nicht, wird sie es."