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Forderungen nach Reparation bleiben

Gwendolin Hilse22. März 2014

Opferverbände der Herero und Nama fordern eine Entschuldigung für die Gräueltaten, die Deutschland an ihren Vorfahren im heutigen Namibia verübt hat. Die Bundesregierung in Berlin lehnt das ab.

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Zeremonie Gedenken Opfer Kolonialkrieg
Bild: Africavenir/Christian Mahnke

"Die deutsche Regierung will uns verbieten, das Wort Genozid zu benutzen, aber für mich gibt es keinen anderen Ausdruck", sagt Utjiua Muinjangue, Vorsitzende der "Herero Genozid Stiftung". Die Namibierin ist aufgebracht - gerade sind die sterblichen Überreste ihrer Vorfahren aus den historischen Sammlungen der Berliner Charité und der Universität Freiburg in 35 Pappkartons auf dem Flughafen in Windhuk eingetroffen. "Diese Schädel sind nicht einfach irgendwelche Steine, die die Deutschen auf der Straße gefunden haben. Das sind menschliche Köpfe, die von den Körpern meiner Vorfahren abgetrennt wurden."

Muinjangue bezieht sich auf ein Ereignis, das über 100 Jahre zurückliegt. 1904 führte Deutschland einen blutigen Kolonialkrieg gegen die rebellierende Bevölkerung der Herero und Nama im damaligen "Deutsch Südwestafrika". Tausende wurden in die Wüste getrieben, verdursteten dort, oder wurden bei ihrer Rückkehr erschossen. Innerhalb von vier Jahren löschen die Deutschen auf diese Weise rund 80 Prozent der Herero-Bevölkerung aus. Viele Gebeine der Opfer wurden zu Forschungszwecken nach Europa gebracht, um die Rassentheorie zu untermauern.

Kriegsgefangene Herero (Foto: Bundesrchiv)
Gefangengenommene Herero im Kolonialkrieg von 1904-1908Bild: Bundesarchiv, Bild 146-2003-0005/Unknown/CC-BY-SA 3.0

Vergessene Sammlungen

"Eine These dieser Zeit lautete, dass die europäische Rasse der afrikanischen überlegen sei", erklärt Andreas Winkelmann, Mediziner an der Berliner Charité. Auch in den Sammlungen der Charité befanden sich Schädel und Skelette, die eindeutig Opfern des Kolonialkrieges zugeordnet werden konnten. Das Bewusstsein für diese Sammlungen sei erst in den letzten Jahren gewachsen, sagt Winkelmann. "Das entspricht durchaus dem Problembewusstsein der deutschen Gesellschaft insgesamt, die an die Kolonialzeit wenige Erinnerungen hat." Der Forscher sieht in der Rückführung eine Chance für die Charité, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Eine Chance auf Vergangenheitsbewältigung, die die deutsche Bundesregierung offenbar nicht wahrnehmen möchte, meint Israel Kaunatjike von der Berliner Nichtregierungsorganisation "Völkermord verjährt nicht". Während Herero und Nama eine offizielle Entschuldigung von der Bundesregierung fordern, vermeiden es deutsche Politiker von Völkermord zu sprechen. "Wir wünschen uns eine Entschuldigung von der deutschen Regierung, und die haben wir bis heute nicht gehört", sagt Kaunatjike. Der 67-jährige Herero lebt seit 38 Jahren in Deutschland und kritisiert den Umgang der Bundesregierung mit seinem Volk - von Angeboten auf Versöhnung will er nichts hören. "Erst einmal muss sich Deutschland entschuldigen und den Völkermord als solchen anerkennen. Ich kann mich doch nicht mit jemand versöhnen, wenn ich mich nicht entschuldige."

"Völkermord verjährt nicht"

Kaunatjike reist noch oft in seine Heimat. "Wenn man nach Namibia fährt, dann sieht man wie viele Farmen die Deutschen immer noch haben. Das ist Land, das einfach geraubt wurde." Opferverbände fordern seit Jahren, dass die deutsche Regierung die Verbrechen des Kolonialkrieges, selbst von den Vereinten Nationen als erster Genozid des letzten Jahrhunderts benannt, als solchen anerkannt. Sie wollen Reparationszahlungen, um das enteignete Land zurück kaufen zu können. "Völkermord verjährt nicht. Die Deutschen hatten schon immer Probleme mit der Aufarbeitung ihrer Geschichte", sagt Kaunatjike.

Demonstration bei der Rückgabe von Hererogebeinen (Foto: Afrotak)
Opferverbände - hier in Berlin 2011 - fordern schon seit Jahren eine Entschuldigung und ReparationBild: AFROTAK TV/Michael Kueppers-Adebisi

Anfang März reiste eine namibische Delegation, der auch Kultusminister Jerry Ekandjo angehörte, nach Deutschland, um die Gebeine in Empfang zu nehmen. Verbände kritisierten, dass der namibischer Minister weder einen Staatsempfang bekam, noch bei den Gedenkzeremonien ein deutsches Regierungsmitglied auf Ministerebene teilnahm. "Das finden wir einfach nur respektlos", sagt Kaunatjike. "Bei einer solchen Übergabe muss ein Minister dabei sein."

Die Opferverbände empören sich auch darüber, dass sie nicht über die Rückführung informiert wurden. "Die deutsche Regierung will die Sache einfach unter den Teppich kehren. Und leider spielt die namibische Regierung dieses Spiel mit", sagt Utjiua Muinjangue von der "Herero Genozid Stiftung". Bei der Ankunft der Gebeine in Namibia Anfang März boykottierten viele Opferverbände die Gedenkzeremonie im namibischen Parlamentsgarten. Während drinnen politische Reden geschwungen wurden, fanden draußen stille Proteste statt.

Gedenkzeremonie im namibischen Parlamentsgarten (Foto: Africavenir)
Gedenkzeremonie im namibischen ParlamentsgartenBild: Africavenir/Christian Mahnke

Experten erwarten keine Entschuldigung

Begleitet hat den Transport nach Namibia der Afrikabeauftragte der Bundesregierung, Egon Kochanke - in Namibia aus seiner Zeit als deutscher Botschafter bekannt und umstritten, wegen unsensibler Äußerungen und eines kompromisslosen Kurses. Er gedachte in seiner Rede allgemein der Opfer des "grausamen Kolonialkrieges"- vermied aber den Ausdruck Völkermord. "Die Deutschen bedauern heutzutage dieses dunkle Kapitel in unserer Wissenschaftsgeschichte", wird er in der namibischen Tageszeitung "New Era" zitiert.

Die Bundesregierung weist Reparationsforderungen zurück. Das Auswärtige Amt betont, dass alle Bundesregierungen seit der Unabhängigkeit Namibias die historische, politische und moralische Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia zum Ausdruck gebracht hätten. Man komme dieser insbesondere durch eine verstärkte bilaterale Zusammenarbeit nach.

"Rechtlich gesehen würde eine Entschuldigung ein Schuldeingeständnis sein, was die Türen für weitere Forderungen öffnen würde", erklärt der Politologe Henning Melber und vermutet: "Wenn Deutschland tatsächlich Reparationen zahlen würde, wäre dies ein Präzedenzfall und andere ehemaligen Kolonialmächte würden unter Druck geraten, nachzuziehen."