Namibia inszeniert sich - Der postkoloniale Blick
25 Jahre leben die Namibier in Unabhängigkeit - 25 Jahre postkoloniales Namibia. Wie sieht das aus? Arbeiter, Arbeitslose, Barfrauen, Schüler oder Farmer haben die Linse auf ihr Leben gerichtet.
Einwegkameras für Dich und mich
Es war eine Versuchsanordnung: Im Jahr 2007 verteilen die deutsche Theaterwissenschaftlerin Evelyn Annuss und die Künstlerin Barbara Loreck Einwegkameras an hunderte Namibier. Ihre Aufforderung: Fotografiert Euch! Wie seht Ihr Euer Land heute - nach der deutschen Kolonialgeschichte, nach Besatzung, nach der Befreiung? Hier ein Ergebnis von Paulus Jacobs, der in Lüderitz lebt.
Die Deutschen hatten einen Plan, die Namibier einen anderen
"Unser eigentliches Ziel war: Inszeniert vor der Kamera, was Ihr für 'Deutschtümelei' haltet", sagt Annuss im Interview mit der DW. "Was dabei herauskam, war etwas völlig anderes. Die Leute haben sich nicht so sehr für die Kolonialgeschichte interessiert. Sondern dafür, ihren Alltag vor der Kamera zu inszenieren." Clemensia Haragaes fotografierte im Stadtteil Katutura in Windhoek.
Kamera hin, Kamera her
Über 5000 Aufnahmen kamen zurück. Wie in einem Stille-Post-Spiel wanderten die Kameras durch Namibia. Die Fotografen sollten ihre Namen drauf schreiben. Doch Autorenschaft war den Namibiern nicht wichtig. "Wir versuchten rauszufinden, wer welche Fotos gemacht hat. Das ist uns oft nicht gelungen, weil das viele nicht interessiert hat." Ein Kunstprojekt im besten Sinne, findet Initiatorin Annuss.
Von Windhoek in die Schweiz
Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums von Namibias Unabhängigkeit am 21.03. zeigen die Basler Afrika Bibliographien und die Namibische Botschaft der Schweiz die Fotos nun in Basel und Genf. 2009 war die Ausstellung mit dem Titel "Stagings made in Namibia" in der Windhoeker National Art Gallery zu sehen - auch mit dieser Aufnahme von Memory Biwa.
Alltagsbilder gerahmt und gehängt
Plötzlich bekamen die Alltagsfotografien oftmals en passant entstanden einen sehr künstlerischen Ausdruck: gerahmt und seriös aufgehängt in der National Art Gallery von Namibia. "Es war extrem wichtig für die Leute, sich den Ort zu erobern. Denn die meisten Fotografen kamen aus ehemaligen Townships oder armen Gegenden."
Das tägliche Theater
Oft erinnern die Bilder an Theaterfotos oder Film Stills. "Die Leute haben sich verkleidet und vor der Kamera in einer bestimmten Weise in Szene gesetzt", sagt Evelyn Annuss. Sie unterschieden sich von den vermeintlich authentischen Postkartenmotiven oder effektheischend komponierten Armutsbildern, wie sie in Deutschland das Bild von Namibia prägen.
Mein Leben, mein Alltag
Eine Gruppe von Herero-Frauen platziert sich vor Igluzelten. Ein Mädchen verkleidet sich als Touristin und stellt sich vor ein Bild mit einem röhrenden Hirsch. Blauäugige Kinder feiern Karneval in Windhoek. Es sind Alltagsszenen aus immer neuen Blickwinkeln.
Ich zeige Dir, wie Du mich siehst
Überraschungsmoment: Die Fotografen würden vor allem unsere Projektionen auf das Leben in Namibia unterlaufen, sagt Evelyn Annuss. Im Sinne von: Ich zeige Dir, wie Du mich siehst. Hier die Perspektive von Cesilie Benjamin. Zur Ausstellung ist auch ein Katalog erschienen.