Namibia erhält Cape-Cross-Säule zurück
17. Mai 2019Die rund 3,5 Meter hohe und über eine Tonne schwere Säule mit Steinkreuz war in der Kolonialzeit unter Kaiser Wilhelm II. von Namibia nach Deutschland gelangt. Der Präsident des Deutschen Historischen Museums (DHM), Raphael Gross, hob in Berlin die große kulturgeschichtliche Bedeutung des Artefakts für Namibia hervor. Es sei eines der wenigen Objekte, das die Landnahme durch die Portugiesen und damit den Beginn der Kolonialgeschichte für die Namibier dokumentiere. Kulturstaatsministerin Monika Grütters betonte, mit der Rückgabe komme Deutschland einer moralischen Verpflichtung nach, die sich aus Deutschlands kolonialer Vergangenheit ergebe. Beide, Gross wie Grütters, wollen den für diesen Spätsommer geplanten Rücktransport der Säule persönlich begleiten.
Namibia bat zuletzt 2017 um Rückgabe
Namibias Botschafter, Andreas Guibeb, begrüßte die Restitution als weiteren Schritt zur Aussöhnung zwischen Namibia und Deutschland. Seine Regierung hatte zuletzt 2017 offiziell bei der Bundesregierung die Rückgabe der "Cape Cross" genannten Steinsäule ersucht. Im Juni 2018 hatte das DHM mit rund 400 internationalen Experten ein Symposium zu ihrer Geschichte veranstaltet. Jetzt beschloss das Kuratorium des Museums schließlich einstimmig den Beschluss zur Rückgabe der Kreuzsäule. Sie steht bis heute in dem Berliner Museum.
Wie die Säule nach Deutschland kam
Die Kreuzsäule von Cape Cross wurde 1486 von portugiesischen Seefahrern an der Südwestküste Afrikas, auf dem Gebiet des heutigen Namibias, errichtet. Weithin sichtbar, diente sie als Landmarke zur Orientierung für Seefahrer. Zugleich manifestierte sie den Herrschaftsanspruch und die Missionsabsichten Portugals.
Gut 400 Jahre später erklärte das Deutsche Reich das Gebiet des heutigen Namibia zum "Schutzgebiet", der Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Die Kaiserliche Marine brachte die Säule nach Berlin. Am dem Ort, wo sie stand, ließ Kaiser Wilhelm II. eine Granitreplik aufstellen. "Das Original aber blieb von nun an in Deutschland: vom Kaiserreich über die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus, die DDR bis zum vereinigten Deutschland", wie Museumspräsident Gross unlängst in einem Zeitungsbeitrag schrieb. Vom Kriegsmarinemuseum sei sie über Umwege in den Bestand des Museums für Deutsche Geschichte, einer Einrichtung der DDR, gelangt. "Von dort aus ging sie dann 1990 in das Eigentum des DHM über, wo man sie seit 2006 in der Dauerausstellung sehen kann, allerdings nicht im Bereich 'Kolonialismus', sondern fälschlicherweise im Bereich der 'Entdeckungen'."
Cape Cross: Gedenkstätte für die Verbrechen in der Kolonialzeit
Die Granitsäule im namibischen Ort Cape Cross ist 1968 zum Gedenkort an die Opfer und Verbrechen der Kolonialherrschaft ausgebaut worden. Namibische Rückgabeforderungen gab es jedoch weit früher. "Bereits in den Jahren 1925 und 1960 und dann wiederholt seit der Unabhängigkeit Namibias im Jahr 1990", so Gross. Alle blieben ohne Erfolg. Das Original nun einfach anstelle der Replik aufzustellen, wird kaum möglich sein. Die Sandsteinstele sei sehr empfindlich, so Gross. Deshalb hofft der Museumschef, dass Namibia sie in einem Museum unterbringen wird.
Rückgabe aus ethischen und politischen Gründen
Bereits bei dem internationalen Berliner Symposium habe sich gezeigt, so Gross zur Deutschen Welle, dass Namibia keinen Repatriierungsanspruch besitze - weder nach deutschem noch nach internationalem Recht. Für eine Rückgabe sprächen aber ethische und politische Überlegungen. "Der wichtigste Gesichtspunkt für die Frage nach der Rückgabe ist für das DHM seine Haltung zur historischen Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte in Namibia." Dabei gehe es vor allem um die Auseinandersetzung mit den an verschiedenen Bevölkerungsgruppen Namibias verübten Verbrechen gegen die Menschheit.
Kaum aufgearbeitet: Deutsche Kolonialherrschaft und Völkermord
Das deutsche Kaiserreich hielt von 1884 bis 1915 weite Gebiete des heutigen Namibias besetzt. Die Kolonialherren schlugen Aufstände der Volksgruppen der Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 brutal nieder. Sie töteten Historikern zufolge etwa 65.000 der 80.000 Herero und mindestens 10.000 der 20.000 Nama. "Deutschland und Namibia verhandeln seit Jahren über die Anerkennung des Genozids an den Herero und Nama, ohne dass es hier einen Erfolg gibt", kritisiert der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. "Die Rückgabe der Kreuzsäule ist eine gute Sache", so der Kolonialismus-Experte, um aber gleich einzuschränken: "Hier wird von den Defiziten der tatsächlichen Aufarbeitung abgelenkt."