Deutschlernen in Indien
1. Oktober 2013"Auto, Bier, Fußball", rufen die Kursteilnehmer, während Lehrerin Monica D'Souza auf die Bilder einer Luxuslimousine, eines Frischgezapften und eines Balls zeigt. Deutsche Klischees, die im Kopf bleiben. Alle 30 Schüler notieren schnell die Vokabeln in ihren Heften, um die richtige Aussprache der typisch deutschen Begriffe nicht zu vergessen. Es ist ihre erste Deutschstunde im Goethe-Institut Mumbai, und trotz reichlich Gekicher ist den jungen Erwachsenen die Konzentration anzusehen.
Im Klassenzimmer "Berlin" des Goethe-Instituts wird im Schnelldurchlauf unterrichtet. In wenigen Wochen wollen die 30 Kursteilnehmer zumindest die Grundkenntnisse drauf haben. Sätze wie "Mein Name ist Preeti" sollen der Karriere dienen - bei Job oder Studium in Deutschland.
Zwar zieht es die meisten Inder bisher in die USA oder nach Großbritannien. Mittlerweile setzen viele aber auch auf eine Karriere "Made in Germany", erzählt Lehrerin Monica D'Souza, während sie die neuen Schulbücher austeilt. Zumal in Deutschland Fachkräftemangel herrscht.
Karriere "Made in Germany"
D'Souza bahnt sich ihren Weg durch das Klassenzimmer, vorbei an Stuhllehnen, Rucksäcken, Tischkanten. Dicht gedrängt sitzen ihre Schüler. Die Deutschkurse im Goethe-Institut werden immer begehrter. Zum Einschreibetermin reiche die Warteschlange mittlerweile bis auf die Straße hinaus, erzählt die Lehrerin.
Schließlich gelte Deutschland als Land der Ingenieure, der Autoindustrie und qualitativ hochwertiger Maschinen. Eine gute Karrierebasis. Ein zusätzliches Plus: In Deutschland gibt es keine hohen Studiengebühren wie in Indien oder Großbritannien. Das spricht sich unter Schülern und Studienanfängern herum.
Kamen im Jahr 2002 nur knapp 1800 Inder zum Studium nach Deutschland, hat sich die Zahl zehn Jahre später mehr als verdreifacht. 5745 indische Studierende zählte der Deutsche Akademische Austauschdienst im Jahr 2012.
Deutschland ist beliebtes Studienland für Inder
Nun haben auch reguläre indische Schulen und Universitäten Deutsch als Trendsprache entdeckt. Mittlerweile gilt Deutsch als eine der beliebtesten Fremdsprachen in Indien.
In der elften Klasse des RA Podar College, einer Schule in Mumbai, wird gerade das Perfekt durchgenommen. In dieser indischen Schule steht das Fach Deutsch schon seit Jahren auf dem Lehrplan. Die 17-jährige Anushree Naik liest dafür einen Text über Schlafstörungen aus einem Schulbuch vor. Mehr als 80 Schüler sitzen auf hölzernen Schulbänken und geben sich Mühe, kein deutsches Wort zu verpassen.
Disziplinprobleme hat Lehrerin Priyada Padhye nicht. "Die machen keine Party, die lernen", sagt sie mit Blick auf ihre Schüler und Schülerinnen. Zu ihrer Studienzeit sei das anders gewesen. Aber heute sei die Konkurrenz auf dem indischen Arbeitsmarkt riesig, meint Padhye. Qualifizierte junge Leute gebe es schließlich genug. Knapp Zweidrittel der Inder sind unter 30.
Wer einen guten Job haben möchte, muss eben etwas Besonderes vorweisen, erzählt auch die 17-jährige Anushree. Fünf Sprachen kann die Schülerin schon, nun soll noch Deutsch dazukommen.
Indische Schulen nehmen Deutschunterricht in Lehrplan auf
An Anushrees Schule, dem RA Podar College, wird schon seit Jahrzehnten Deutsch unterrichtet. Nun ziehen auch andere Schulen nach, die Kendriya Vidyalaya Schulen zum Beispiel. Die Schulkette für Kinder von Regierungsmitarbeitern möchte Deutsch bis 2017 an mindestens 1000 ihrer Schulen anbieten.
Etwa eine Million Schüler könnten dann Deutsch als erste Fremdsprache lernen. "Deutsch an 1000 Schulen" heißt das ambitionierte Projekt, an dem sich auch das Goethe-Institut beteiligt. Denn das Goethe-Institut bietet nicht nur eigene Sprachkurse an, sondern hilft auch regulären indischen Schulen bei der Einführung des Fachs Deutsch, indem es Bücher und Lehrmittel zur Verfügung stellt oder spezielle Ausbildungskurse für angehende Deutschlehrer anbietet.
Deutsch lernen für eine bessere Zukunft
Im Anfängerkurs des Goethe-Instituts ist man von Kaffee und Tee mittlerweile zu Hochprozentigerem übergegangen: "Ich trinke gerne Whiskey. Was trinkst du gerne?", fragen sich die Kursteilnehmer gegenseitig und kichern dabei wie Teenager. "Ich trinke gerne Wodka." Erneutes Lachen.
Nur Kursteilnehmerin Mehda Dehte schaut ein wenig zweifelnd in ihr vollgeschriebenes Heft. In zwei Monaten wird sie mit ihrem Mann nach Deutschland ziehen - wegen seines Jobs. Bis dahin möchte sie zumindest auf Deutsch einkaufen und sich ein wenig unterhalten können. Doch am Ende des ersten Unterrichtstags schwirren ihr die vielen Vokabeln nur so durch den Kopf. "Es ist nicht so kompliziert", gibt sie sich trotzdem optimistisch. "Morgen wird es bestimmt besser." Dann notiert sie die letzten Vokabeln für diesen Tag: "Tschüss" und "Auf Wiedersehen".