Nachwirkung: Kunst und der Erste Weltkrieg
Ein Jahrhundert nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zeigt die Tate Britain in London, wie Künstler mit dem physischen und psychischen Horror eines gnadenlosen Krieges umgegangen sind.
Ypern nach der ersten Bombardierung: Christopher R. W. Nevinson, 1916
Der britische Landschaftsmaler zeigt ein Luftbild der belgischen Stadt Ypern nach dem ersten Angriff 1915 im abstrakten Stil der Kubisten und Futuristen. Nevinson war ein Anhänger des italienischen Futurismus und glaubte ursprünglich, der Krieg stünde im Maschinenzeitalter für Fortschritt. Nachdem er als offizieller Kriegsmaler in Frankreich gedient hatte, wurde er zum überzeugten Kriegsgegner.
Der Felsbohrer: Jacob Epstein, 1913-1914
Dieser "bedrohliche Roboter mit Visier, der seine Nachkommen in sich trägt", war ursprünglich ein futuristisches Symbol für Fortschritt. Epstein entschied jedoch, seine Skulptur umzuarbeiten, nachdem die Verluste des Krieges offenbar wurden. Er schnitt die Figur an der Taille ab - so erscheint der moderne Mensch plötzlich kastriert und impotent durch einen Krieg, den er begonnen hat.
Draht: Paul Nash, 1918-1919
Nachdem er als Soldat an der Westfront in Frankreich eingesetzt war, dokumentierte der britische Surrealist in seinem Werk das Leben und Sterben in den Schützengräben. 1917 schrieb er an seine Frau: "Stell dir eine flache Landschaft vor, in der die wenigen Bäume zerfetzt sind, nackt, durchsiebt und vernarbt. Der Boden ist kilometerweit von Gräben zerfurcht, voller gähnender Löcher."
Steht auf, ihr Toten!: Georges Rouault, 1922-1927
Der französische Künstler schuf dieses Werk als Teil einer Serie expressionistischer Stiche über den Krieg. Er bedient sich des Skeletts, das in der mittelalterlichen Mythologie den Tod repräsentiert, um die Sinnlosigkeit des Frontkampfes zu reflektieren. Rouault - ein Katholik, der oft mit religiösen Motiven arbeitete - hat hier möglicherweise auch die Unmoral des Krieges kommentiert.
Wege des Ruhms: Christopher R. W. Nevinson, 1917
Dieses Ölgemälde zeigt Nevinsons Blick auf die Niedertracht des Grabenkrieges: Seine anonymen toten Soldaten liegen mit dem Gesicht im Schlamm vor Stacheldraht. Er weigerte sich, den Ruhm des Krieges darzustellen und sein Werk drohte deswegen zensiert zu werden. Dem kam er zuvor: Er stellte das Gemälde in London aus und brachte über den Soldaten ein Blatt Papier an, auf dem stand: "Zensiert".
Dada Rundschau: Hannah Höch, 1919
Hannah Höch war Pionierin der Fotomontage, die synonym wurde für Dada. Die politische Kunstrichtung verspottete die Eliten, weil sie sich kopfüber in den Krieg gestürzt hatten. Das Kaleidoskop der Bilder und Schlagzeilen zeigt den "gigantischen Wahnwitz der Welt", wie ihn Reichspräsident Friedrich Ebert in Badehose verkörpert, während US-Präsident Woodrow Wilson als Friedensengel darüber schwebt.
Der kleinbürgerliche Spießer Heartfield außer Rand und Band: George Grosz und John Heartfield, 1920
Komplizierter Originaltitel "The Petit-Bourgeois Philistine Heartfield Gone Wild (Electro-Mechanical Tatlin Sculpture)" - klare Botschaft: Die Deutschen George Grosz und John Heartfield stellten oft verstümmelte Körper dar, wie viele Veteranen sie mitbrachten. Die Dada-Montage parodiert auch die Arroganz von Technologie und Militarismus, mit einer Glühbirne als Kopf - Symbol für den Geistesblitz.
Schädel: Otto Dix, 1924
Diese Radierung gehört zu Otto Dix Kriegs-Zyklus aus den 1920er Jahren, die Francisco Goyas berühmte "Schrecken des Krieges" aufnimmt, die ein Jahrhundert vorher entstanden. Dix kämpfte selber an der Front, und wie Goya beschwor er den Horror des Krieges durch einen verrottenden Schädel voller Ungeziefer und Maden. Sein Zyklus sollte die Erfahrung des Krieges bannen.
Für den unbekannten britischen Soldaten in Frankreich: William Orpen, 1921-1928
Dieses umstrittene Werk des irischen Kriegsmalers zeigt den Sarg eines Soldaten in einem Mausoleum, drapiert mit der britischen Fahne und einem Helm. 1927 änderte der Künstler nach heftiger Kritik das Gemälde, das ursprünglich zwei halbnackte Soldaten zeigte, die das Grab bewachten. Orpen war offizieller Maler während der Pariser Friedenskonferenz 1919. Die Ausstellung geht bis zum 23. September.