Nachweis von Chemiewaffen möglich
26. August 2013Dass in Syrien Giftgas eingesetzt wurde, bezweifeln Experten nicht mehr. "Es gab zuerst Vermutungen, dass einiges gestellt sein könnte. Aber was wir gesehen haben ist nur mit den Folgen eines Chemiewaffeneinsatzes zu erklären", versichert Ralf Trapp, der als Berater auf dem Gebiet der Abrüstung chemischer und biologischer Waffen arbeitet. Die Frage ist nun - welche Kampfstoffe wurden genau eingesetzt? Da sei man sich nicht 100 Prozent sicher, sagt der Toxikologe. Einige der Symptome, die die Menschen zeigen, weisen auf ein Reizgas hin, die meisten aber lassen auf ein Nervengift schließen. Dazu gehören aus dem recht gut bestückten syrischen C-Waffen-Arsenal Sarin, Tabun und VX (mehr dazu hier). Diese Substanzen sind tückisch. Unsichtbar und geruchlos wabern sie durch die Luft, man atmet sie ein, ohne es zu merken. Innerhalb von Sekunden gelangen sie über die Atmung, die Haut oder die Augen in den Körper. Dort richten sie in kürzester Zeit schlimmsten Schaden an. Äußerliche Verletzungen wie Wunden, Verbrennungen oder Blasen verursachen sie - im Gegensatz zu Senfgas - nicht.
Hauptangriffspunkt: Die Reizübertragung zwischen den Nerven
Nervengifte stören die Reizleitung zwischen den Nervenzellen und verursachen eine dramatische, lebensgefährliche Dauerreizung. Typische Symptome einer solchen Dauererregung konnten nach Aussage von "Ärzte ohne Grenzen" bei den Opfern in Syrien beobachtet werden: unkontrollierter Speichelfluss, Augentränen, Naselaufen, Muskelzucken, Krämpfe, Atemnot, Erbrechen, Bewusstlosigkeit bis hin zu Atemlähmung und Tod. Schon kleinste Mengen Nervengift können tödlich sein. Gegenmittel wirken nur dann, wenn sie sofort verabreicht werden. Zum Beispiel Atropin. Dieses Gift der Tollkirsche kann den Überschuss an Botenstoffen aufheben, dadurch normalisiert sich die Reizübertragung wieder zunehmend.
Nachweis von Kampfstoffen möglich
Welches Gift wo in Syrien eingesetzt wurde, könnte auch im Nachhinein über einen längeren Zeitraum festgestellt werden - vorausgesetzt die UN-Inspektoren erhalten Zugang zu den mutmaßlich verseuchten Gebieten. Wichtig sei es, so Trapp, herauszufinden, ob irgendwo Reste von Raketen herumliegen, mit denen Flüssigkeiten verschossen werden können, "denn die sind anders konstruiert als normale Raketen für explosive Stoffe."
In der Nähe der Einschlagkrater verraten auch Bodenproben einiges über einen Chemiewaffenangriff. Zwar verflüchtigen sich chemische Kampfstoffe im Boden und im Wasser recht schnell, doch die typischen Abbauprodukte sind sehr stabil und können manchmal noch Monate nach einem Angriff eindeutig nachgewiesen werden, versichert Ralf Trapp im Gespräch mit der DW.
Wo es Abbauprodukte gibt, können die Inspektoren mit speziellen Detektionsgeräten herausfinden, die sie bei ihren Untersuchungen immer dabei haben. "Manchmal tragen die Teams sogar analytische Geräte mit sich", sagt Trapp, der 13 Jahre für die Organisation für das Verbot chemischer Waffen" (OPCW) in Den Haag gearbeitet hat: "Damit können sie vor Ort sehr genaue Analysen machen." Die Proben werden anschließend noch einmal in einem speziellen Labor untersucht, um eine eindeutige Identifizierung der Stoffe durchzuführen.
Blut und Urin verraten Kampfstoff
Außerdem verraten Blut- oder Urinproben vieles über einen Chemiewaffen-Angriff. "Wenn man sehr schnell zu den Opfern kommt, kann man Urinproben nehmen - in Blutproben halten sich die Abbauprodukte aber länger", so Trapp. Die Proben müssen jedoch zur Analyse in spezielle Labors im Ausland gebracht werden.
Syrien besitzt nicht nur Nervengase. Auch Senf- und Reizgase gehören zum Inventar der syrischen Armee. Das Land soll das größte Chemiewaffen-Arsenal im Nahen Osten haben, vermuten Experten. Nach Einschätzung der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) besitzt das Land mehr als 1000 Tonnen an chemischen Kampfstoffen. Syrien ist eines von sieben Ländern, das die Chemiewaffenkonvention der Vereinten Nationen nicht unterzeichnet hat.