Gegner für Schach-Weltmeister Magnus Carlsen gesucht
18. April 2021Die Hängepartie im Schachsport ist zu Ende. Das im März 2020 unterbrochene Kandidaten-Turnier des Schach-Weltverbands FIDE geht in die Rückrunde. Ab Montag (19.04.2021) treten in Jekaterinburg acht Top-Großmeister noch einmal gegeneinander an, um zu ermitteln, wer im kommenden Dezember gegen Magnus Carlsen um den Weltmeister-Titel spielt. "Wir sind absolut bereit, das Kandidatenturnier zu starten", stellt Arkady Dvorkovich, Chef des Schach-Weltverbands, klar. Und er verweist auf ein ausgefeiltes Hygiene-Konzept und auf die Tatsache, dass einige Spieler bereits geimpft seien.
Im vergangenen Jahr musste der Weltverband viel Kritik dafür einstecken, das Turnier trotz der Corona-Pandemie zunächst begonnen - und dann doch auf halbem Weg abgebrochen zu haben. Ein Restrisiko bleibt aber auch in diesen Tagen: Sollte ein Spieler positiv auf das Coronavirus getestet werden, scheidet er aus, das Turnier geht indes weiter - so lauten die neuen Regeln.
Spektakulärer Tabellenführer
Sportlich ist in Jekaterinburg für Spannung gesorgt: Die acht WM-Kandidaten gehen mit dem Punktestand aus dem März 2020 ins Rennen und haben nur sieben Runden Zeit, um sich den ersten Platz und damit das Match gegen Magnus Carlsen zu sichern.
Dabei haben zwei Spieler die besten Aussichten, die vor einem Jahr eigentlich nicht zu den Top-Favoriten gehörten. Mit jeweils 4,5 Punkten führen der Franzose Maxime Vachier-Lagrave und der Russe Ian Nepomniachtchi das Feld an. Während der Franzose sich zuletzt eher formschwach präsentierte, machte "Nepo" mit seinen Auftritten im Online-Schach auf sich aufmerksam. Nicht nur die russischen Schachfans drücken dem 30-Jährigen die Daumen, denn Nepomniachtchi ist immer für eine unterhaltsame Partie gut - spektakuläre Niederlagen nicht ausgeschlossen.
Favorit Caruana als Verfolger
Vachier-Lagrave und Nepomniachtchi haben jeweils einen Punkt Vorsprung vor einer Verfolgergruppe, in der auch der Weltranglisten-Zweite Fabiano Caruana (USA) auf seine Chance lauert. Der Druck auf Caruana, der Carlsen beim letzten WM-Kampf 2018 unterlag, ist groß: Er darf sich keinen Fehler erlauben, will er noch an das Spitzenduo herankommen. Vorentscheidend ist deswegen wohl schon seine Auftaktpartie am Montag gegen Vachier-Lagrave.
Ebenfalls mit Ambitionen ist Anish Giri nach Russland gereist. Der junge Niederländer war lange als übervorsichtiger "Remis-König" geradezu verschrien. Giri hat aber zuletzt mit unternehmungslustigen und vor allem erfolgreichen Partien auf sich aufmerksam gemacht. Wenn es gut läuft für ihn, könnte auch er ganz oben landen.
Blitzschach statt Ballerspiele
Das Turnier in Jekatarinburg dürfte auf jeden Fall Zuschauerrekorde brechen. Aber nicht vor Ort, sondern im Internet. Mit der Pandemie hat sich der altehrwürdige Schach-Sport endgültig zu einem Online-Phänomen entwickelt. Auf Portalen wie "chess.com" oder "Lichess" spielen inzwischen Hunderttausende täglich Schach gegeneinander. Auch in der Streaming-Szene ist der Sport plötzlich angesagt: Blitzschach statt Ballerspiele lautet die Devise. Dazu kommt der weltweite Überraschungserfolg von "The Queen's Gambit", einer Netflix-Serie über eine fiktive Schachspielerin, die Genie und Glamour verbindet.
Während sich die meisten offiziellen Schachverbände - wie etwa der Deutsche Schachbund - mit dem ungewohnten Trubel um den Denksport eher schwer tun, hat sich Weltmeister Magnus Carlsen schnell auf den Online-Boom eingestellt. Die Nummer eins des Schachsports ist mit seiner Firma "Play Magnus" inzwischen in Norwegen an der Börse notiert und hat sich in den letzten Monaten ein kleines Imperium aufgebaut. Mit dem Geld aus dem Börsengang haben Carlsen & Co. eine Schach-Plattform und einen renommierten Verlag übernommen. Im Wochen-Rhythmus werden rund um Carlsen Online-Turniere organisiert und damit viele neue Fans angelockt.
Nur für den Weltmeister-Titel benötigt Carlsen noch den Schach-Weltverband. Auf den Sieger von Jekatarinburg wartet im Dezember deshalb ein lukrativer Showdown gegen den Norweger. Gespielt wird dann aber nicht mehr in der russischen Provinz, sondern in der Business-Metropole Dubai.