Nachhilfe in Demokratie
29. August 2013Die meisten Deutschen kennen die Bundeszentrale für politische Bildung aus dem Sozialkundeunterricht: Für den gibt die Bonner Behörde dicke Lehrbücher heraus mit Titeln wie "Der Parteienstaat in Deutschland", "Was ist Demokratie?" und "Europa von A bis Z". Den Inhalt der faktenreichen Brummer fragen die Lehrer dann meist in Klausuren ab. Die Herausgeber haben da höhere Ziele. Ihre Publikationen sollen die Schüler dazu befähigen, "sich kritisch mit politischen und gesellschaftlichen Fragen auseinander zu setzen und aktiv am politischen Leben teilzunehmen". So steht es auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung, auch kurz bpb genannt.
Andere Methoden - gleiche Botschaft
Doch bei der Bundeszentrale geht es um weit mehr als nur um dicke Bücher. Sie betreibt ein täglich aktuelles Online-Portal, organisiert Messen, Tagungen und Studienreisen zum Thema Bildung und kooperiert mit über 400 Partnern - von der Universität bis zur Bürgerinitiative - und vieles mehr.
"Wir sind einen langen Weg gegangen von der 'Gutenberg-Galaxis', in der viel Papier bedruckt worden ist, hin zu einem multimedialen Haus", sagt Präsident Thomas Krüger in Anspielung auf den Erfinder des Buchdrucks Johannes Gutenberg. Der traditionelle Printbereich sei heute kleiner als der Online-Bereich. "Die Methoden haben sich geändert, aber der Kern unserer Arbeit ist immer derselbe geblieben. Wir wollen die Demokratie stärken und uns für ein friedliches Europa einsetzen."
Propaganda-Image unerwünscht
Gegründet wurde die Behörde vor 60 Jahren, am 25. November 1952, damals noch als "Bundeszentrale für Heimatdienst". Der Name geht zurück auf eine ähnliche Einrichtung der Weimarer Republik, die auch Kenntnisse über die Demokratie verbreiten sollte. Die West-Alliierten bestanden nach dem Ende der Nazi-Diktatur auf einer unparteiischen Erziehung zur Demokratie. Dafür setzte sich auch der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer ein: "An der Arbeit der Bundeszentrale für Heimatschutz sollen möglichst alle staatstragenden politischen Parteien, gleichgültig, ob sie die Regierung unterstützen oder in Opposition zu ihr stehen, teilnehmen", sagte er zum Startschuss.
Aus Sorge, als Propaganda-Arm der Regierung wahrgenommen zu werden, trat die Bundeszentrale in ihrer Anfangszeit selten direkt auf. Sie konzentrierte sich auf die Schulung von Personen wie Lehrern und Beamten und vermittelte die Spielregeln der Demokratie. Später setzte die Bundeszentrale auf mehr Bürgernähe. Sie gab das Brettspiel "Wir spielen Regierung" heraus, ließ Fahrradwimpel in Landesfarben produzieren und druckte Postkarten mit Sprüchen wie "Jeder Bürger halte Wache, denn der Staat ist seine Sache". Die wichtigsten Themen in den Anfangsjahren waren die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus.
Neue Herausforderungen
Der Fall der Mauer und die Wiedervereinigung Deutschlands 1989 und 1990 stellte die Mitarbeiter vor die Herausforderung, in den neuen Ländern für Demokratie und politisches Engagement zu werben. "An der Entwicklung unserer Organisation kann man auch die Geschichte der Bundesrepublik ablesen", sagt Krüger mit ein wenig Stolz.
Heute ist die Zielgruppe der bpb so breit gefächert wie nie zuvor. Bis 2001 habe der Auftrag lediglich gelautet, politische Bildung für deutsche Staatsbürger zu leisten, erinnert sich Krüger und sagt dann: "Deutschland ist aber mittlerweile ein Einwanderungsland." Menschen mit Migrationshintergrund von der Arbeit seiner Behörde zu überzeugen, sei aber lange Zeit sehr schwierig gewesen. Sie sähen die Bundeszentrale oft als eine Art Kampagnenbehörde der Bundesrepublik. In dieser Bevölkerungsgruppe habe die bpb ein Marketingproblem, gibt der Präsident zu.
Gegen das verstaubte Image der Bundeszentrale kämpft ihr Jugendmagazin fluter an. Zuletzt machte das Heft durch ein anonymes Interview mit einem schwulen Bundesligaspieler auf sich aufmerksam, das Medienecho auf die Geschichte war groß. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel griff das Thema auf und ermunterte schwule Fußballprofis, öffentlich zu ihrer Sexualität zu stehen.
fluter erreicht vier Mal im Jahr eine halbe Million Jugendliche in Deutschland. Die Zeitschrift ist bewusst ganz anders als die seitenstarken Unterrichtsmaterialen: frech, schnodderig, mit großen Bildern. Die Zielgruppe: junge Menschen zwischen 16 und 22 Jahren, die sich noch keine feste politische Meinung gebildet haben. Die Themen: alles von Sex über Schule, bis hin zu - natürlich - Politik.
Internationales Vorbild
"Wir machen aber keine 'hardcore' politische Berichterstattung, wie man sie aus den ersten drei Seiten der Tageszeitungen kennt", erklärt Thorsten Schilling, Chefredakteur von fluter. "Uns geht es eher um Alltagsfragen wie Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Regeln des Zusammenlebens." In dieser Form würden sich Jugendliche, entgegen der allgemeinen Vorurteile, sehr wohl für Politik interessieren.
Demnächst kommt eine Delegation aus Ägypten, Tunesien und Libyen, den Staaten des "Arabischen Frühlings" von vor knapp zwei Jahren, auf Einladung des Goethe-Instituts nach Bonn, um die Arbeit der Bundeszentrale kennenzulernen und mit den Mitarbeitern zu sprechen. Denn nur im offenen Dialog und zusammen mit der Förderung von Kultur und Bildung könne eine Demokratie sich entfalten, sagt Krüger. Er muss es schließlich wissen.