Ein Mann, ein Feld
14. Oktober 2011Für manche ist es bloß ein Baum, für Olatunji Akomolafe ist es der Beginn seiner Revolution. "Diesen Baum hier, den habe ich gepflanzt. Stellen Sie sich vor, jede Familie in Nigeria würde das tun. Zehn Millionen Familien machen schon zehn Millionen Bäume. Das ist meine Methode." Akomolafe steht unter einem großen Mandelbaum in einem Garten in Ajue, einer Kleinstadt in Süd-Nigeria. Was ist so besonders an diesem Baum? "Da gibt es nicht wirklich etwas Besonderes. Außer, dass er unsere Unabhängigkeit zeigt. Er zeigt, dass das VPP in der Lage ist, seine eigenen Samen zu züchten, ohne auf jemand anderen angewiesen zu sein."
Jeder sollte eine Papaya haben
VPP, das Village Pioneer Project, ist eine Art Kosmos, in dem alles ineinandergreift. Ein Schlaraffenland mit haushohen Obstbäumen, wohlriechenden Kräutern, in den Himmel schießenden Palmen. Akomolafe zupft hier an einem jungen Blatt, kniet sich dort in feuchten Boden. "Das ist Papaya, eine wundervolle Pflanze", sagt der 47-Jährige. "Mit so vielen guten Eigenschaften. 200 verschiedene Arzneimittel können aus der Papaya gewonnen werden. Wir sagen: Die Menschen müssen Papaya anbauen. Jeder sollte eine haben!"
Vor 25 Jahren legte Olatunji Akomolafe hier den Grundstein für das VPP, ein Ausbildungszentrum einer ganz neuen Landwirtschaft in Nigeria: einer Landwirtschaft, die das Wissen seiner Vorfahren mit modernen ökologischen Anbaumethoden verbinde, sagt Akomolafe. Aus dieser Idee wuchs die Bio-Farm mit integrierter Landwirtschaft, Schulgarten, Schweinestall und Hasenzucht, mit Wasseraufbereitungs- und Biogasanlage.
Olatunji ist ein Mann, der die Zukunft sieht - und gestaltet. "Ich kann Menschen nicht leiden sehen. Ich mag es nicht, wenn Ressourcen verschwendet werden. Ich will nicht länger mit ansehen, wie menschliches Wissen verschwendet wird. So haben wir uns dazu entschlossen, menschliches Wissen anzuzapfen und zu bewahren."
Zwischen üppigem Grün und tropischen Temperaturen überreicht Akomolafe seine Visitenkarte mit einem Handschlag: Chief Olatunji O. Akomolafe, Wealth Creation Agency. Eine Agentur zur Schaffung von Wohlstand also.
Kleiner Einsatz, große Wirkung
Akomolafe, der in Deutschland Agrarwissenschaften studiert hat, ist der persönliche Berater des Governeurs vom Bundestaat Ondo. Er hat einen guten Ruf in der Gemeinde von Ajue - auch, weil er an den kleinen Mann denkt, den die Politik oft vergisst. "Alles hier ist 'Small-Man-Technology', ganz einfache Technik", sagt er. Schließlich lebe die Mehrheit der Nigerianer von Subsistenzwirtschaft.
Mit 156 Millionen Einwohnern ist Nigeria Afrikas größte Nation. Gut zwei Drittel der arbeitenden Bevölkerung sind im Agrarsektor beschäftigt. Doch noch immer leben viele Nigerianer unterhalb der Armutsgrenze. Landflucht und Braindrain verstärken den Prozess. Um das zu ändern, will Akomolafe an der Basis ansetzen. Das heißt: Er zeigt dem Landwirt, wie er mit kleinen Dingen viel erwirtschaften kann. Zum Beispiel mit integrierter, energieeffizienter Landwirtschaft: Die Sonne trocknet die Kräuter, mit denen Krankheiten geheilt werden. Die Schweine, Hasen und Hühner produzieren Dung für die Pflanzen. Das Öl aus der Jatropha-Nuss dient als Biokraftstoff für die Generatoren der Farm. Biogas, das bei der Gärung von Biomasse entsteht, nutzen die Frauen vom VPP zum Kochen. "Alles greift ineinander", sagt Akomolafe.
Afrika soll sich selbst helfen können
Eine Schande sei es, die reichen Ressourcen dieses Kontinents nicht zu nutzen, so Olatunji Akomolafe. Alles sei da, alles liege vor uns, sagt er und zeigt mit dem Finger auf den Boden, in die Baumkronen, in den Himmel. "Globalisierung überall. Nur Afrika hat nicht daran teil. Die Produktivität des afrikanischen Kontinents an der gesamten Weltproduktion liegt bei zwei Prozent. 54 Staaten und nur zwei Prozent - ein Jammer", ruft Akomolafe.
Die Folgen zeigten sich beispielsweise, wenn das Klima verrückt spiele, erklärt er weiter. In solchen Zeiten müssten weltweit Spenden und Lebensmittel gesammelt werden, damit die Menschen in Afrika nicht hungern. "Warum muss das so sein? Inzwischen sollte Afrika in der Lage sein, sich selbst zu helfen. Wenn heute ein Land von einer Dürre oder Krieg heimgesucht wird, dann erwarte ich, dass afrikanische Nationen in der Lage sind, ihre eigenen Menschen zu versorgen. Und nicht darauf warten, dass Amerikaner, Europäer oder Asiaten Lebensmittel sammeln und mit ihren Flugzeugen kommen, um das hungrige Afrika zu versorgen. Eine Schande ist das."
Autorin: Stefanie Duckstein
Redaktion: Julia Kuckelkorn