Berlin will weitere Deutsche freibekommen
17. Februar 2018Nach der Freilassung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel will sich das Auswärtige Amt für weitere in der Türkei inhaftierte Deutsche einsetzen. Es seien noch fünf deutsche Staatsbürger mutmaßlich aus politischen Gründen in Haft, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, dem Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB). Roth wiederholte die Aussage von Außenminister Sigmar Gabriel, es habe "keinerlei Deals und erst recht keine schmutzigen Deals" als Gegenleistung für die Freilassung des Journalisten gegeben. Die Türkei könne von Deutschland "nichts erwarten - außer, dass wir im Gespräch bleiben".
Man müsse jetzt mit der türkischen Seite weiterhin reden, sagte Roth. Neben Deutschen gebe es eine große Zahl von Journalisten, Künstlern und Wissenschaftlern, die vermutlich unschuldig im Gefängnis säßen. "Es ist unsere oberste Pflicht (...) dafür zu sorgen, dass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern helfen, und dass wir auch der Rechtsstaatlichkeit und den Menschenrechten zum Durchbruch verhelfen."
Kauder warnt Türkei vor Einflussnahme auf "deutsche Türken"
Unionsfraktionschef Volker Kauder dämpfte die Hoffnungen auf ein besseres Verhältnis zur Türkei. "Wir betrachten die Lage der Menschenrechte und insbesondere der Religionsfreiheit in der Türkei auch weiter mit Sorge", sagte Kauder der "Rheinischen Post". Es müsse an andere Inhaftierte gedacht werden, die unter rechtsstaatlich fragwürdigen Bedingungen in türkischen Gefängnissen säßen. "Wir erwarten vor allem, dass sich die türkische Regierung mit Versuchen der Einflussnahme auf die in Deutschland lebenden türkischstämmigen Bürger auch in Zukunft zurückhält."
Auch aus dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestages kommen klare Worte. "Wir können nicht darüber hinwegsehen, dass noch immer Tausende Menschen in der Türkei inhaftiert sind, darunter 45 Deutsche, und dass über 30 Deutschen die Ausreise verweigert wird", sagte Ausschussmitglied Roderich Kiesewetter.
Ankara: Yücel-Inhaftierung nur ein Einzelfall
In der Türkei versucht man unterdessen, die Bedeutung der Inhaftierung des "Welt"-Korrespondenten kleinzuhalten. So nannte der türkische Regierungschef Binali Yildirim die einjährige Haft Yücels lediglich einen Störfall, bedingt durch Wahlkämpfe. "Einzelfälle wie der von Deniz Yücel sind nicht in der Lage, unsere Beziehungen zu stören oder gänzlich zu zerstören", sagte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Die Wahlen sind vorüber, das Referendum ist vorbei, und diese Schwierigkeiten liegen nun hinter uns."
Yücel war am Freitag nach über einjähriger Untersuchungshaft aus einem Istanbuler Gefängnis entlassen worden. In einem vom Springer-Konzern gecharterten Flugzeug traf er noch am Abend in Berlin ein.
Deniz Yücel: "Es bleibt Bitterkeit"
In einer über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreiteten Video-Botschaft bedankte sich Yücel bei allen, die in der ganzen Zeit an seiner Seite gestanden hätten. Er wisse nicht, warum er verhaftet und warum er freigelassen worden sei. sagte Yücel. "Natürlich freue ich mich, aber es bleibt etwas Bitteres zurück."
Der Journalist erinnerte auch daran, dass immer noch viele Kollegen in der Türkei hinter Gittern sitzen. Die türkischen Behörden werfen dem Journalisten Terrorpropaganda vor, was dieser zurückgewiesen hat.
Am Samstag bat der Chefredakteur der Zeitung Die Welt, Ulf Poschardt, die Medien-Kollegen darum, Yücel Ruhe zu gönnen. "Liebe Kollegen, wir bekommen Dutzende von Anfragen zu Deniz. Deniz geht es gut, er genießt sein Leben in Freiheit, wir lassen ihn in Ruhe. Einverstanden?", schrieb er auf Twitter.
Yücel selbst hat Deutschland bereits wieder verlassen. Per Twitter veröffentlichte er ein Foto, das ihn neben seiner Frau Dilek Mayatürk Yücel und mit acht weiteren Menschen auf einer Wiese zeigt. "Ich bin nicht in Deutschland. Aber ich bin unter Freunden", schrieb Yücel dort.
cw/se (rtr, dpa, afp)