Nach der Wahl ist vor der Wahl
26. Dezember 2012Nach dem Triumph seiner islamistischen Muslimbruderschaft bei dem Verfassungsreferendum hat der ägyptische Präsident Mohammed Mursi eine "neue Republik" ausgerufen. Es breche nun eine neue Ära mit mehr Gewaltenteilung und politischen Freiheiten an, verkündete Mursi in einer Fernsehansprache. Die Opposition will weiteren Widerstand gegen die Verfassung leisten, die ihrer Ansicht nach den Islamisten zu viel Einfluss auf die Gesetzgebung einräumt und die Rechte von Frauen und Minderheiten beschneidet. Mursi sagte, dass es ausreichend Platzt gebe für eine wirkungsvolle nationale Opposition. Zum notwendigen Dialog gebe es keine Alternative.
Scheingespräche
Die oppositionelle Nationale Heilsfront lehnte zunächst jeden Dialog mit der Regierung ab. "Der Präsident redet mit sich selbst", sagte Sprecher Hussein Abdel Ghani. Die meisten Beteiligten des Dialogs seien entweder islamistische Parteien oder Anhänger der Regierung, die nur als Oppositionelle aufträten. Die Heilsfront werde ihre Opposition gegen die Regierung fortsetzen, "die im Namen der Religion ein repressives Regime aufbauen will.
In den kommenden Tagen soll der genaue Termin für die Parlamentswahl bekannt gegeben werden. Bis dahin übernimmt das Oberhaus die parlamentarischen Befugnisse von Präsident Mohammed Mursi und soll in dieser Zeit auch Gesetze verabschieden.. Bei der kommenden Parlamentswahl rechnen Beobachter angesichts deutlicher Kritik an Mursis Führungsstil mit Verlusten für die Muslimbrüder. Bislang kann der den Islamisten nahestehende Mursi allerdings mit einer komfortablen Mehrheit regieren. In der Schura, der zweiten Kammer des Parlaments, sind die Islamisten mit mehr als 70 Prozent aller Abgeordneten vertreten.
Ein Drittel ging zur Wahl
Am späten Dienstag hatte die Wahlkommission offiziell verkündet, dass die fast ausschließlich von Islamisten geschriebene Verfassung bei der Volksabstimmung von einer Mehrheit von knapp 64 Prozent gebilligt wurde. Allerdings war die Beteiligung an der Abstimmung sehr gering. Nur 33 Prozent der insgesamt 52 Millionen wahlberechtigten Ägypter hatten sich beteiligt.
Die erste Verfassung seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak gibt den Islam-Gelehrten künftig mehr Einfluss und wird von Liberalen, Linken und Christen kritisiert. Sie sehen sich in der Verfassung nicht repräsentiert. Und: Sie befürchten durch das neue Grundgesetz eine strengere Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia.
Die USA forderten Präsident Mursi auf, die Kluft in der gespaltenen Gesellschaft Ägyptens zu überbrücken. Zugleich riefen sie nach dem Referendum zu Verhandlungen und Kompromissen auf. Washington werde Kairo weiterhin bei dem demokratischen Übergang helfen, versicherte ein Sprecher des US-Außenamtes.
Die EU zeigt sich zurückhaltend
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton reagierte zurückhaltend auf das offizielle Ergebnis der Volksbefragung in Ägypten. "Ich nehme zur Kenntnis, dass die Mehrheit für die Verfassung gestimmt hat. Ich nehme ebenfalls zur Kenntnis, dass die Wahlbeteiligung bei 33 Prozent lag", so Ashton.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle appellierte an Mursi, auf alle gesellschaftlichen Kräfte zuzugehen. "Das ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang des Weges, der Ägypten zu wirklich demokratischen, pluralistischen und rechtsstaatlichen Verhältnissen führen kann", erklärte der deutsche Außenminister.
Wann kommt Mursi nach Deutschland?
Medienberichten zufolge will der ägyptische Präsident im Januar nach Deutschand reisen. Die Zeitung "Al-Ahram" schreibt, der Besuch sei am 29. Januar geplant. Das islamistische Staatsoberhaupt wolle um Hilfe beim Aufbau der Wirtschaft des nordafrikanischen Landes bitten und werde von einer Unternehmerdelegation begleitet.
Ein Sprecher der Bundesregierung bestätigte den Termin zunächst nicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe Mursi eingeladen. Dieser habe die Einladung angenommen, sagte er. Der Zeitpunkt werde "zu gegebener Zeit" mitgeteilt.
haz/gb/re/qu (dpa, dapd)