Nach Anschlag in Moskau: Warnung vor "IS"-Terror in Europa
25. März 2024Es ist gerade einmal drei Wochen her, dass die Staatsanwaltschaft in Brüssel bekannt gab, dass ein größerer Terroranschlag auf eine Konzertveranstaltung in der Stadt verhindert werden konnte.
Vier Personen, davon drei minderjährig, waren festgenommen worden, weil sie offenbar "in den nächsten Wochen" einen schweren Anschlag planten, der möglichst viele Opfer fordern sollte. Das "Vorbild" sei der Anschlag von islamistischen Terroristen auf den Klub "Bataclan" in Paris vom November 2015 gewesen, so die Staatsanwaltschaft.
Die Zahl solcher mutmaßlich terroristischer Aktivitäten ist in Belgien seit dem Beginn der breit angelegten Hamas-Terrorattacke auf Israel und die anschließende Militäraktion der Israelis in Gaza stark gestiegen. Das staatliche Zentrum für Bedrohungsanalyse (CUTA) teilte Anfang März in Brüssel mit, dass die Zahl potenzieller Terrortaten um 41 Prozent angestiegen ist. Im Jahr 2023 wurden 332 Vorfälle registriert. 2022 waren es nur 236.
Frankreich auf höchster Warnstufe
In Belgien herrscht seit dem letzten ausgeführten Anschlag am 16. Oktober 2023 die Terrorwarnstufe drei auf einer Skala von vier Stufen. Damals hatte ein islamistischer Einzeltäter zwei schwedische Staatsbürger ermordet.
Die Terrorwarnstufe werde nach dem Attentat in Moskau nicht verändert, teilte CUTA mit. Die Bedrohung bleibe hoch, habe sich aber durch den Anschlag in Moskau, zu dem sich der sogenannte Islamische Staat bekannt hat, nicht erhöht.
Anders sieht das die französische Regierung. In Frankreich wurde die höchste Warnstufe ausgelöst, und zwar "vorsichtshalber", wie der französische Präsident Emmanuel Macron auf einer Auslandsreise in Französisch-Guyana sagte.
Er gehe davon aus, dass der sogenannte Islamische Staat (IS) in Moskau zugeschlagen habe. "Diese bestimmte Gruppe, die, wie es scheint, in den Anschlag verwickelt ist, hat in den vergangenen Monaten mehrere (Anschlags-)Versuche auf unserem eigenen Boden gemacht", sagte Emmanuel Macron und bezog sich auf Erkenntnisse von in- und ausländischen Geheimdiensten.
Faeser: Unsere Behörden sind wachsam
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser sieht nach dem Anschlag von Moskau mit mindestens 137 Toten keinen Anlass die Warnstufe zu erhöhen. Die Bedrohung durch den afghanischen Ableger des Islamischen Staates (ISPK) hatte schon zuvor bestanden.
"Vom ISPK geht derzeit auch in Deutschland die größte islamistische Bedrohung aus. Unsere Sicherheitsbehörden sind sehr wachsam und haben die Terrorgruppe schon länger im Blick", sagte Innenministerin Faeser (SPD) der Süddeutschen Zeitung.
Um Weihnachten 2023 herum waren Anschlagspläne im Zusammenhang mit dem Kölner Dom, dem Stephansdom in Wien und einem Ziel in Madrid bekannt geworden. Nach dem Beginn des Hamas-Terrors am 7. Oktober gegen Israel sei die Bedrohung stark angestiegen, sagte Nancy Faeser schon Ende letzten Jahres.
Erst in der vergangenen Woche waren in der deutschen Stadt Gera zwei Menschen verhaftet worden, die für den ISPK einen Anschlag auf das schwedische Parlament geplant haben sollen. Bereits 2020 sollen deutsche Polizeibehörden einen größeren Anschlag auf amerikanische Militäreinrichtungen in Deutschland verhindert haben.
In Schweden und Dänemark gelten nach als islamfeindlich kritisierten Verbrennungen des Korans höhere Sicherheits- und Warnstufen. Der Konflikt zwischen Hamas und Israel hat die Lage weiter verschärft, heißt es in einer Mitteilung des dänischen Geheimdienstes (PET).
"Der Konflikt hat ein erhebliches Potenzial für Radikalisierung und Mobilisierung, die mögliche Akteure dazu bringen könnte, geplant oder spontan in Dänemark zu agieren, und das schließt Terroranschläge mit ein", heißt es in der Mitteilung.
Islamischer Staat könnte in Westeuropa zuschlagen
Der sogenannte Islamische Staat, Provinz Khorosan, (ISPK) soll aus rund 1000 Anhängern bestehen und 2015 in Afghanistan entstanden sein. Nach Einschätzung des Terrorismusforschers Peter R. Neuman vom Kings College in London ist der ISPK "vermutlich der einzige IS-Ableger, der aktuell fähig wäre, im Westen einen großen, koordinierten Anschlag durchzuführen."
Seine Motivation sei dabei nicht nur die islamistische Ideologie, sondern auch die Konkurrenz um die Vorherrschaft im islamistischen Lager, schrieb Peter R. Neumann auf X. Die meisten Anhänger des ISPK stammen aus Zentralasien.
Terrorbekämpfung fällt in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten der EU. Es gibt eine Reihe von Gremien, in den Informationen ausgetauscht und Fahndungsmaßnahmen koordiniert werden.
Eine dieser Institutionen ist die europäische Polizeibehörde Europol im niederländischen Den Haag. Auch dort beobachtet man einen Anstieg der Terror-Aktivitäten auf europäischem Boden.
Die Zahl der vollendeten Anschläge lag im Jahr 2022 bei 16 in sieben verschiedenen Mitgliedsstaaten. Die meisten Anschläge verzeichnet Italien mit 12, allerdings alle mit linksradikalem oder anarchistischem Hintergrund.
Islamistische Anschläge gab es in der EU 2022 zwei. Es wurden aber über 300 Menschen wegen der Planung von islamistischen Anschlägen festgenommen, die meisten davon in Frankreich. Ein Anschlag hatte rechtsradikale Motive. Die Zahl der Anschläge ist seit 2017, mit damals über 200 Anschlägen, drastisch gefallen. Europol rechnet jedoch damit, dass die Zahlen seit 2023 wieder ansteigen.