Nächster Wahlversuch in Armenien am 8. Mai
2. Mai 2018In der kleinen Ex-Sowjetrepublik Armenien haben neue Massenproteste der Opposition das öffentliche Leben in der Hauptstadt Eriwan weitgehend zum Stillstand gebracht. Demonstranten blockierten nach örtlichen Medienberichten die Hauptstraßen. Die U-Bahn fuhr nicht. Berichten zufolge schloss sich auch das Personal des Flughafens von Eriwan dem Streik an. Der Oppositionsführer Nikol Paschinjan hatte zu massenhaftem zivilem Ungehorsam und einer "totalen Blockade" aufgerufen, nachdem er am Dienstag nicht zum Ministerpräsidenten gewählt worden war.
"Mit neuer Kraft beginnen wir morgen neue Aktionen des zivilen Ungehorsams", hatte Paschinjan am Dienstagabend nach seiner Wahlschlappe vor seinen Anhängern gesagt. "Unser Kampf kann nicht im Misserfolg enden." Er fügte hinzu: "Die Revolution der Liebe und der Toleranz geht weiter." Die Menge skandierte: "Nikol, Nikol!"
Chancenlos ohne Stimmen der Regierungspartei
Lediglich 45 Abgeordnete hatten im Parlament für Paschinjan gestimmt. Für eine Wahl hätte er jedoch 53 der 105 Stimmen benötigt. Laut Verfassung muss das Parlament nun innerhalb einer Woche neu abstimmen. Als Termin wurde der 8. Mai festgelegt.
Im Parlament stellt die Republikanische Partei des zurückgetretenen Regierungschefs Sersch Sargsjan die Mehrheit. Die Partei könnte damit auch den zweiten Anlauf zur Ministerpräsidentenwahl scheitern lassen. Dann kommt es nach der Verfassung zu einer Neuwahl, bis zu der die Republikaner aber noch den Staatsapparat beherrschen. Damit könnten sie entscheidend Einfluss auf die Wahlvorbereitung nehmen, befürchtet die Opposition der Kaukasusrepublik.
Bereits während des Wahlgangs am Dienstag hatten sich Zehntausende Menschen friedlich vor dem Parlament versammelt. Paschinjan, der sich selbst als "Kandidat des Volkes" bezeichnet, war der einzige Bewerber für das Amt. Die regierende Republikanische Partei verweigerte ihm jedoch die Zustimmung.
Vor der Abstimmung hatte Paschinjan die Abgeordneten davor gewarnt, seine Wahl zu torpedieren. Wenn er nicht gewählt werde, stehe dem Land ein "politischer Tsunami" bevor, sagte er. Es gebe Hinweise darauf, dass die Ex-Präsidenten Sarkissjan und Kotscharjan planten, "wieder die Macht zu übernehmen", sagte er im Parlament.
Paschinjan hatte in den vergangenen Wochen immer wieder Massen in dem 2,9 Millionen Einwohner zählenden Land mobilisiert und den Ministerpräsidenten Sersch Sargsjan zum Rücktritt gezwungen. Die Opposition spricht von einer "samtenen Revolution". Die Proteste waren entbrannt, weil sich Sargsjan nach zehn Jahren als Präsident zum Regierungschef wählen ließ. Die Demonstranten werfen Sargsjan und seiner Republikanischen Partei vor, für Korruption und Armut in dem Land mit rund drei Millionen Einwohnern verantwortlich zu sein.
In der Außenpolitik hält Paschinjan an der Zusammenarbeit sowohl mit Russland als auch mit der EU fest, wie er in der Debatte abermals betonte. Gegen den verfeindeten Nachbarn Aserbaidschan hat er im Konflikt um das Unruhegebiet Berg-Karabach einen harten Kurs angekündigt.
stu/qu (dpa, afp, rtr)