"Metropolis" wiederauferstanden
12. Mai 2011Für Filmhistoriker war es eine Sensation. Doch auch alle übrigen Filmfans dürften sich darüber freuen, dass "Metropolis" seit Donnerstag (12.05.2011) in Kinos weltweit läuft. Schließlich handelt es sich bei "Metropolis" um einen der wichtigsten Filme der Kinohistorie. Und der war lange nicht mehr in seiner ursprünglich gedachten Form zu sehen. Eigentlich nur ein paar mal. Kurz nach der Premiere 1927 im Berliner Zoo-Palast war die Kopie für den nordamerikanischen Markt um eine halbe Stunde gekürzt worden. Die Deutschen übernahmen diese Schnitte damals fatalerweise.
Torso "Metropolis"
Statt 4189 Filmmeter nur 3241 Meter "Metropolis". Das sollte für viele Jahrzehnte so bleiben. Einer der wichtigsten Filme der Kinogeschichte konnte nur als Torso gezeigt werden. Das hielt viele Regisseure freilich nicht davon ab, sich an dem düster-phantasievollen Zukunftsfilm von Fritz Lang zu orientieren. Von "Blade Runner" bis zu "Das fünfte Element" - nicht allzuviel andere Werke der Kinogeschichte haben bis heute einen so sichtbaren Einfluß auf nachfolgende Regiegenerationen gehabt wie der deutsche Stummfilmklassiker.
Zu verdanken ist die Neuentdeckung von "Metropolis", die schon im vergangenen Jahr während der Berlinale zu sehen war, einem argentinischen Filmliebhaber. In das südamerikanische Land war Ende der 1920er Jahre auch eine Kopie des Films gelangt - inklusive der knapp 30 Minuten, die für Europa und USA geschnitten wurden. Diese Kopie wanderte durch verschiedene Hände, war bei Sammlern, in Museen und Archiven. Das Material schlummerte also die ganze Zeit im Verborgenen - oder wurde sogar gezeigt! Doch niemand ging der Sache ernsthaft nach, niemandem fiel auf, dass "Metropolis" in Europa und Nordamerika viel kürzer war.
Erst als der deutsche Filmhistoriker Enno Patalas sich eingehend mit dem Film beschäftigte und der italienische Klangkünstler Giorgio Moroder eine verpoppte Version von "Metropolis" herausbrachte, dämmerte der Filmwelt langsam, dass man es hier mit einer "Kurzversion" zu tun hatte. Enno Patalas gab dann vor ein paar Jahren eine sogenannte Studienversion heraus, die die 30 fehlenden Minuten durch Graubilder ersetze. Zumindest wußte man jetzt recht genau, dass etwas fehlte. Die originale Musikpartitur aus dem Jahre 1927 von Gottfried Huppertz diente damals als Grundlage für die Rekonstruktion.
Die argentinische Spur
Dann kam die Sache in Argentinien ins Rollen. Der Filmsammler Fernando Pena erhielt Zutritt zu den Archiven des Filmmuseums in Buenos Aires - nachdem seine ehemalige Frau Paula Félix-Didier zur neuen Chefin der Einrichtung ernannt worden war. Dann wurde die aufregende Nachricht zunächst nach Spanien getragen, von da aus drang die Filmsensation nach Deutschland.
Dort war man zunächst skeptisch. Zu oft hatten es Gerüchte über die verschwundenen Sequenzen von "Metropolis" gegeben. Doch diesmal war an der Sache tatsächlich was dran. Die Überraschung und die Freude der Filmexperten in Berlin war riesengroß. Ein jahrzehntelanges Suchen hatte plötzlich ein Ende. Nach einer ersten Sichtung im Berliner Film- und Fernsehmuseum gab es kein Halten mehr. Nun sollte der Film wieder so zusammengefügt werden, wie Fritz Lang sich das damals, in den 20er Jahren, vorgestellt hatte.
Resaturierung in Wiesbaden
Die auf Filmrestaurierungen spezialisierte "Friedrich Wilhelm Murnau-Stiftung" in Wiesbaden wurde beauftragt "Metropolis" wiederherzustellen. Über Monate wurden die wiederentdeckten 30 Minuten Film gesäubert, digital bearbeitet, so gut wie möglich wieder in Stand gesetzt. Dabei ging es nicht nur um die Wiederherstellung der von Kratzern übersäten und beschädigten Filmstreifen. Bei der Kürzung in den 20er Jahren waren die Amerikaner nicht gerade zimperlich vorgegangen. Ganze Nebenhandlungen waren damals gestrichen, Sequenzen an andere Stellen im Film montiert worden. All das wurde in Wiesbaden in mühevoller Kleinarbeit wieder richtiggestellt. Heute fehlen noch rund fünf Minuten der ursprünglichen Originalfassung. "Metropolis" kann nun wieder annährend so gesehen werden, wie damals zu Zeit der Uraufführung.
Am 12. Februar 2010 fand eine vierfache Premiere von "Metropolis" während der Berlinale statt. Im Berliner Friedrichstadtpalast wurde der Film vor über 1000 Zuschauern während der Berlinale gezeigt. Deutschlands bekanntester Filmdirigent Frank Strobel saß dabei am Pult des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Gleichzeitig wurden Gala und Vorführung zum Brandenburger Tor übertragen. In Frankfurt wurde "Metropolis" am gleichen Abend in der Alten Oper vom Staatsorchester Braunschweg begleitet.
Jetzt endlich ist "Metropolis" für alle zu sehen. Nicht nur in Deutschland, auch international läuft das Science Fiction-Epos in der nahezu komplett wiederhergestellten Fassung. In Rio de Janeiro wurde er schon vorgestellt, Stationen in Italien, der Ukraine, Mazedonien, Australien und Neuseeland sind fest eingeplant. In Moskau gibt es sogar ein Public Viewing.
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Marcus Bösch