In Barcelona werden die Karten neu gemischt
26. Februar 2018Es geht zwar nicht nur um Telefone in Barcelona, doch was wäre der Mobile World Congress (MWC) ohne die Einführung von mindestens einem neuen Mobiltelefon-"Flaggschiff". 2016 beherrschte die Rückkehr von Nokia mit seinem Retrohandy 3310 die Schlagzeilen. In diesem Jahr sorgte zunächst Samsung mit der Enthüllung seines neuen Galaxy S9 für die Schlagzeilen.
Erwähnenswertes neues Features des S9 ist vor allem die Kamera. Sie soll Super-Zeitlupenvideos, variable Blenden und eine verbesserte Gesichtserkennung ermöglichen. Der Rest ist und bleibt ein modernes Smartphone, mit dem der Marktführer das iPhone X von Apple auf Distanz halten will.
Wenn es aber um den Chip geht, kommt es darauf an, wo man wohnt. Geräte, die in den USA und China verkauft werden, sind mit dem Snapdragon 845 von Qualcomm bestückt, während das S9 im Rest der Welt den Exynos 9810-Prozessor von Samsung an Bord hat.
Der Samsung-Chip gilt als überlegen, so dass verärgerte Kunden in den beiden größten Volkswirtschaften der Welt auf die Idee kommen könnten, sich das S9 im Ausland zu bestellen. Als Samsungs Antwort auf das iPhone X wird das Galaxy S9 aber wahrscheinlich auch seinen Preis haben.
5G in Aktion
Für Messebesucher, die nicht auf der Jagd nach dem neuesten Super-Smartphone sind, wird der MWC trotzdem spannend sein. Denn in Barcelona geht es vor allem um die neueste, fünfte Generation der Mobilfunknetze.
Unter dem Kürzel 5G verbirgt sich die Technologie, die mobile Internetverbindungen ermöglicht, die hundertmal schneller und wesentlich reaktionsfähiger sind als der aktuelle 4G-Datenübertragungsstandard. Außerdem soll 5G auch an stark frequentierten Orten bei vielen gleichzeitigen Zugriffen mobiler Endgeräte zuverlässig funktionieren.
Die Unternehmen auf dem MWC setzen in diesem Jahr mehr denn je auf 5G. In Barcelona werden neue Wege präsentiert, wie sich mobile Geräte besser vernetzen lassen - eine der Grundvoraussetzungen für das viel diskutierte Internet der Dinge. Ob im vernetzten Zuhause, dem Smart Home, in der Smart City oder auf dem vernetzten Bauernhof der Zukunft, der Smart Farm - die Einsatzmöglichkeiten sind enorm.
Wenn Sie als Landwirt Sensoren verwenden, um beispielsweise die Bedürfnisse Ihrer Pflanzen zu überwachen und entsprechend darauf zu reagieren, könnte die Messgenauigkeit und Datenübertragungsgeschwindigkeit, die 5G bietet, künftig den Unterschied zwischen einer Rekordernte und einer Missernte ausmachen. Wenn Sie als Stadtbewohner in einem autonomen Auto durch die Gegend flitzen, könnte die Qualität und Verfügbarkeit der digitalen Daten darüber entscheiden, ob Sie sanft dahingleiten oder eher durchgeschüttelt werden wie auf einer Schlaglochpiste.
Ganz vorne dabei in der 5 G-Mobilfunktechnologie ist das südkoreanische Unternehmen KT. Während der olympischen Winterspiele lieferte es virtuelle 360-Grad Live-Übertragungen. So konnten sogar die eher Unsportlichen unter uns miterleben, wie es ist, einen Steilhang herunterzurasen oder Pirouetten auf dem Eis zu drehen.
Fußballspiele vor der Haustür
Doch das ist nur die Spitze des digitalen Eisbergs. Auf dem MWC wird eine weitere Firma aus Südkorea im Rampenlicht stehen: SK Telecom ermöglicht mit einer neuartigen Technologie Nutzern weltweit, in einer virtuellen Bar miteinander zu interagieren, während Sie sich die Live-Übertragung eines Fußballspiels oder Konzerts anschauen.
Sensoren verarbeiten dabei Ihren Gesichtsausdruck, so dass ihre Gemütslage ungeschminkt an ihren Avatar-Kollegen übermittelt wird, der vielleicht tausende Kilometer entfernt mit Kopfhörern an seinem Rechner sitzt. "Sehen Sie sich Europäischen Fußball direkt vor Ihrer Haustür an" - mit diesem Slogan verkauft das Unternehmen sein virtuelles Angebot. Eine solche Technologie könnte die Träume von Werbern wahr werden lassen, die darauf brennen, maßgeschneiderte Werbespots für die momentane Gefühlslage dieser von Menschen gesteuerten Avatare anbieten zu können.
Die Softwareschmiede TeleSoftas präsentiert ein Programm, das Nutzern helfen soll, ihre Höhenangst zu überwinden, indem sie einen virtuellen Rundgang auf dem Dach des World Trade Centers in New York absolvieren müssen.
Intelligente Städte und Künstliche Intelligenz
Dabei werden wir Städte wie New York in Zukunft nicht nur mithilfe von Virtueller Realität erkunden. Künstliche Intelligenz (KI) wird dabei eine noch größere Rolle spielen, zum Beispiel in der Stadtplanung.
In den Städten der Zukunft wird es nicht nur autonome Fahrzeuge geben, sondern auch autonome Transportnetze. Diese Entwicklungen erfordern das Sammeln und die Analyse von riesigen Datenmengen in Echtzeit.
Das Technologieunternehmen Teralytics, das ebenfalls in Barcelona ausstellt, nutzt maschinelles Lernen, um genau zu bestimmen, wie sich Menschen in Städten bewegen. Dazu werden die Funksignale analysiert, die an die Mobilfunkmasten übermittelt werden. Diese Informationen ermöglichen es den Behörden, mögliche Überlastungen zu identifizieren und effizienter auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren.
"Wenn etwa der Zugverkehr gestört ist", sagt Georg Polzer, Mitbegründer von Teralytics, "können wir feststellen, wann, wo und wie viele Menschen davon betroffen sind. Diese Erkenntnisse werden dann direkt an die Verkehrsbetriebe weitergeleitet, damit die dann mit Fahrplanänderungen darauf reagieren können. Die Daten können auch mit anderen Mobilitätsanbietern, wie Mitfahrdiensten ausgetauscht werden, um sicherzustellen, dass diese darauf vorbereit sind, die von der Störung betroffenen Gebiete zu entlasten."
Risiken und Nebenwirkungen
Die Aussicht auf intelligentere Städte, intelligentere Häuser und intelligentere Telefone kann aber nicht über die Schattenseiten des digitalen Fortschritts hinwegtäuschen. Selbst auf dem MWC, der in diesem Jahr unter dem Motto "Eine bessere Zukunft schaffen" steht, wird anerkannt, dass die technologische Zukunftsperspektiven nicht nur rosig sind.
Bis zum Jahr 2020 wird es weltweit schätzungsweise 30 Milliarden vernetzte Geräte geben - und obwohl das Potenzial kaum abzusehen ist, sind auch die Risiken enorm. Im Dezember ging die südkoreanische Bitcoin-Börse Youbit pleite, nachdem sie gehackt worden war. Und eine aktuelle Studie, die von Forschern der Universitäten Oxford, Cambridge und Yale veröffentlicht wurde, warnt vor den riesigen Bedrohungen durch den kriminellen Missbrauch von KI-Technologien.
Wie man das Internet sicher macht, ist eine der zentralen Fragen, die auf den Panel-Veranstaltungen und Diskussionsforen in diesem Jahr in Barcelona auf der Tagesordnung stehen. Denn die großen Datenmengen von 'Big Data' erfordern auch eine große Verantwortung.