1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mutmaßlicher BVB-Attentäter in U-Haft

21. April 2017

Wegen des Anschlags auf den Bus von Borussia Dortmund ist Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Täter - den Deutsch-Russen Sergej W. - erlassen worden. Die Tat steht wohl in Verbindung mit einer geplanten Aktienmanipulation.

https://p.dw.com/p/2bDxM
In diesem Haus in Rottenburg wurde der mutmaßliche Täter festgenommen (Foto: Reuters/M. Dalder)
In diesem Haus in Rottenburg in Baden-Württemberg wurde der mutmaßliche Täter festgenommen Bild: Reuters/M. Dalder

Es klingt wie im Krimi: Der Verdächtige soll mit dem Angriff auf einen Kursverlust der BVB-Papiere gesetzt haben, wie die Bundesanwaltschaft mitteilte. Mit den Börsen-Spekulationen habe der 28-Jährige dann wohl viel Geld kassieren wollen. Er war am frühen Freitagmorgen im Raum Tübingen festgenommen worden - am Abend erging Haftbefehl gegen ihn. Der Mann sei dringend tatverdächtig, hieß es in einer Mitteilung der Behörde. Anhaltspunkte für mögliche Gehilfen und Mittäter bei dem Anschlag gebe es bislang nicht, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler. Die Behörde behalte diese Frage aber weiter im Blick.

Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler (Foto: picture-alliance/dpa/L. Mirgeler)
Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke KöhlerBild: picture-alliance/dpa/L. Mirgeler

Dem Verdächtigen Sergej W. wird versuchter Mord, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Der Mann hat laut Bundesanwaltschaft die deutsche und die russische Staatsangehörigkeit. Der in Freudenstadt wohnende W. war seit Mitte 2016 als Elektriker in einem Tübinger Heizwerk tätig. Nach dpa-Informationen hatte er von April bis Dezember 2008 - seinen Grundwehrdienst geleistet.

Hinweis kam von der Onlinebank Comdirect

Der Verdächtige hat sich nach seiner Festnahme laut Bundeskriminalamt zunächst nicht zur Tat geäußert. Auf eine entsprechende Frage des ZDF-"heute journals" sagte BKA-Präsident Holger Münch: "Nein, er hat sich nicht eingelassen." Die Ermittler seien ihm schon "sehr früh" auf die Spur gekommen, nachdem sie einen Hinweis auf auffällige Käufe von Optionsscheinen bekommen hätten. Die Festnahme dauerte nach Münchs Angaben, weil die Ermittler den Anfangsverdacht erst noch erhärten wollten, um genügend Beweismaterial für die erfolgreiche Beantragung eines Haftbefehls zu haben.

Dem Vernehmen nach kam nach dem Anschlag ein Tipp von der Onlinebank Comdirect. Die "Bild"-Zeitung hatte schon kurz nach dem Anschlag darüber berichtet, dass Comdirect-Mitarbeiter gegenüber der Polizei einen Anfangsverdacht auf Geldwäsche geäußert hätten. Banken sind verpflichtet, verdächtige Geschäfte zu melden.

Wie viel Geld der Verdächtige im Fall des Anschlags auf den BVB-Mannschaftsbus maximal an der Börse hätte gewinnen können, ist noch nicht klar. Das werde derzeit noch berechnet, sagte Köhler. Sergej W. habe drei verschiedene Derivate auf die Aktie von Borussia Dortmund erworben - die meisten davon am Tag des Angriffs selbst. Unklar ist auch, wie viel Geld der Mann investiert hat. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft nahm der Tatverdächtige für den Kauf der Derivate einen Verbraucherkredit in Höhe von mehreren zehntausend Euro auf.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (Foto: picture-alliance/dpa/O. Berg)
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf JägerBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

NRW-Innenminister: Täter hat für 79.000 Euro Optionsscheine erworben

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger erklärte: "Der Täter hat nach meinem jetzigen Stand 79.000 Euro investiert, um entsprechende Aktienoptionsscheine zu kaufen." Nach "Spiegel"-Informationen soll sich der 28-Jährige einen Verbraucherkredit über 40.000 Euro besorgt haben. Sicher ist aber: Je tiefer die Aktie des Fußballvereins gefallen wäre, desto höher wäre der Gewinn für den Verdächtigen ausgefallen. Der BVB war im Jahr 2000 als erster deutscher Sportverein an die Börse gegangen.

Der Kauf der Derivate wurde den Angaben zufolge über einen Online-Anschluss des Mannschaftshotels abgewickelt, in dem der Tatverdächtige bereits am 9. April - zwei Tage vor der Tat - ein Zimmer im Dachgeschoss bezogen habe. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zeigte sich befremdet über das mögliche Tatmotiv. "Dass man offensichtlich versucht hat, durch den Anschlag Kurs-Gewinne zu realisieren - das ist natürlich Wahnsinn", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Wir werden jetzt im Rahmen unserer Möglichkeiten die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal dramatisch nach oben schrauben." BVB-Trainer Thomas Tuchel sagte: "Es ist für mich nicht nachzuvollziehen, weder emotional noch rational." 

Bundesinnenminister Thomas de Maizière zeigte sich schockiert über das vermutete Motiv des Verdächtigen. Wenn der Vorwurf zutreffe, sei dies eine "besonders widerwärtige Form von Habgier", sagte der Minister. Justizminister Heiko Maas bezeichnete es als "einfach grauenhaft", wenn der Beschuldigte tatsächlich aus "bloßer Geldgier" gehandelt haben sollte.

Bei Sprengstoff noch Ermittlungsarbeit nötig

Herkunft und Art des beim Anschlag verwendeten Sprengstoffs sind den Angaben der Bundesanwaltschaft noch nicht ermittelt. Da bei der Explosion der gesamte Sprengstoff umgesetzt worden sei, seien die Untersuchungen "etwas komplexer und aufwendiger", sagte Köhler. Die Kriminaltechniker müssten etwa Bodenproben untersuchen.

Der beschädigte Mannschaftsbus von Borussia Dortmund (Foto: Getty Images/M. Hitij)
Der beschädigte Mannschaftsbus von Borussia Dortmund Bild: Getty Images/M. Hitij

Am Dienstag vergangener Woche hatten vor dem Champions-League-Spiel der Dortmunder gegen den AS Monaco drei Sprengsätze nahe dem Mannschaftsbus gezündet. Die BVB-Spieler waren kurz zuvor mit ihrem Bus vom Mannschaftshotel zum Stadion losgefahren. Bei der Explosion wurde der Abwehrspieler Marc Bartra schwer verletzt. Ein Motorradpolizist erlitt ein Knalltrauma. Das Spiel wurde wegen des Anschlags um einen Tag verschoben.

Die Ermittler hatten zunächst versucht, Schlüsse aus drei gleichlautenden Bekennerschreiben zu ziehen, in denen ein radikal-islamistisches Motiv für den Anschlag behauptet wird. Die Schreiben waren am Tatort gefunden worden. Nach eingehender Prüfung hat die Bundesanwaltschaft an einem radikal-islamistischen Hintergrund aber erhebliche Zweifel. Auch ein rechtsextremistisches Bekennerschreiben weist nach Angaben der Behörde Widersprüche und Ungereimtheiten auf.

myk/sti/kle (afp, dpa, rtr, sid)