Mutmaßliche Srebrenica-Täter in Haft
19. März 2015Serbien ändert seinen Umgang mit dem Massaker von Srebrenica: Kurz vor dem 20. Jahrestag wurden erstmals mutmaßliche Täter festgenommen, die an führender Stelle am Völkermord im ostbosnischen Srebrenica beteiligt gewesen sein sollen. Die sieben oder acht Männer sollen vor ein heimisches Gericht gestellt werden, berichtete die Staatsanwaltschaft in Belgrad. Sie sollen eigenhändig zahlreiche Zivilisten ermordet und die Erschießung von vielen Hundert weiteren befehligt haben. Der serbische Staatsanwalt für Kriegsverbrechen, Vladimir Vukcevic, sagte der Nachrichtenagentur AP, alle Verhafteten seien ehemalige Mitglieder einer Spezialeinheit der Polizei der bosnischen Serben gewesen.
"Schlüsselmoment bei der Vergangenheitsbewältigung"
Unter den Festgenommenen sollen sich die schon vor zwei Jahren von bosnischen Behörden als "Schlächter" angeklagten früheren Spitzenmilitärs Nedeljko Milidragovic und Aleksa Golijanin befinden. Sie lebten bisher wie die anderen Beschuldigten unbehelligt in Serbien. Nach Darstellung der größten Zeitung "Blic" wurde inzwischen noch ein achter einstiger Offizier festgenommen. Die spektakulären Festnahmen seien das Ergebnis der neuen Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften in Belgrad und Sarajevo, lobten beide Behörden.
"Es ist wichtig zu betonen, dass dies das erste Mal ist, dass sich unsere Staatsanwaltschaft mit dem Massenmord an Zivilisten und Kriegsgefangenen in Srebrenica befasst", sagte Bruno Vekaric von der serbischen Sonderstaatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen der Nachrichtenagentur AP. Serbien nähere sich bei der Bewältigung seiner Vergangenheit einem Schlüsselmoment. "Es ist sehr wichtig für Serbien, dass es durch die juristische Aufarbeitung eine klare Position zu Srebrenica einnimmt."
Die Vorsitzende der Vereinigung "Mütter von Srebrenica", Munira Subasic, nannte die Verhaftung "eine gute Nachricht". "Es war an der Zeit, dass Serbien etwas unternimmt", sagte sie. "Dies ist eine Botschaft an alle Verbrecher, die geflohen waren und geglaubt hatten, sei seien vor der Justiz sicher."
Heikle Verfolgung
Bisher hatte Serbien das von internationalen Gerichten als Genozid klassifizierte Verbrechen verdrängt oder geleugnet. Es waren keine Anstrengungen unternommen worden, um die Täter dingfest zu machen. Die USA hatten nach einem Medienbericht zuletzt etwa 150 Serben aufgespürt, die ihre Mittäterschaft in Srebrenica bei der Einreise verschwiegen hatten. Sie sollen ausgeliefert werden. Für Srebrenica waren in der Vergangenheit lediglich führende Offiziere vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verurteilt worden.
Viele Serben betrachten die damaligen Entscheidungsträger noch immer als Helden. Die Verfolgung der Verantwortlichen gilt deshalb als heikel. Beobachter glauben, dass Serbiens konservative Regierung die Verfolgung zum Teil deshalb gestattet, weil sie eine Aufnahme in die Europäische Union anstrebt.
Während des Bürgerkrieges (1992-1995) waren im Juli 1995 in Srebrenica bis zu 8000 muslimische Jungen und Männer von serbischen Einheiten umgebracht worden. Blauhelm-Soldaten aus den Niederlanden hatten den Angreifern unter General Ratko Mladic die UN-Schutzzone kampflos überlassen. Innerhalb von acht Tagen wurden bosnische Muslime, die in die Enklave geflohen waren, ermordet. Es war das schlimmste als Völkermord eingestufte Kriegsverbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa. Das Europaparlament erklärte 2009 den 11. Juli zum Gedenktag für die Opfer - auch um die Staaten daran zu erinnern, dass sie das Massaker nicht verhindert hatten. Das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien in Den Hag hat in mehreren Fällen lange Haftstrafen verhängt. Der Prozess gegen Mladic läuft noch. Das Urteil gegen den ehemaligen Serbenführer Radovan Karadzic wird für diesen Oktober erwartet.
stu/se (afp, ap, dpa)