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Mutig und fast modern – Argula von Grumbach

28. September 2013

Die Geschichte der Reformation ist oft auch eine Geschichte von Zivilcourage. Renate Kirsch erzählt für die evangelische Kirche von einer bayerischen Adligen, die mit allen Konventionen brach.

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Portraitmedaille der Argula von Grumbach, um 1520. Foto lt. Quelle als Public Domain freigegeben
Portraitmedaille der Argula von Grumbach

Eine ungehörige Frau

Wir nähern uns dem Reformationsjubiläum 2017. Dabei wird vor allem an die Männer dieser Zeit erinnert. Aber es gab auch große Frauen, wie Argula von Grumbach, eine der allerersten Zeuginnen der Reformationszeit. Sie wurde 1492 als Freiin von Stauffen - aus der Familie der Hohenstauffen - in Beratzhausen bei Regensburg geboren. Sie heiratete mit 24 Jahren den fränkischen Adligen Friedrich von Grumbach, bekam vier Kinder und fiel dann aber 1523 für ihre bayrische Adelsgesellschaft völlig aus der Rolle. Was war geschehen? Ein junger Magister namens Arsacius Seehofer war an der Universität zu Ingolstadt in arge Bedrängnis gekommen. Er hatte in Wittenberg bei Melanchthon studiert, Luthers Schriften gelesen und sich der Reformation angeschlossen. Als er nach Ingolstadt kam, bekannte er sich zu seinem evangelischen Glauben und wurde dadurch nach bayrischem Gesetz straffällig. Die Universität drohte mit Kerker oder Tod, wenn er nicht abschwöre. Argula von Grumbach erfährt von der demütigenden Szene, wie der junge Mann, die Hand auf der Bibel, weinend seinen Glauben verleugnen musste. Sie ist erschrocken und empört. Aber niemand protestiert. Da greift sie selbst zur Feder und schreibt entschlossen einen Brief an die gelehrten Männer der Universität Ingolstadt.

Die Frau soll nicht schweigen in der Kirche

Eine Frau tritt gegen Männer an. Das hatte es so noch nie gegeben. „Ich habe euch kein Weibergeschwätz geschrieben, sondern das Wort Gottes als ein Glied der christlichen Kirche“, heißt es am Ende ihres Protestbriefes. Dass sie sich im Wort Gottes, in der Bibel auskannte, mussten selbst ihre Gegner zugestehen. Ihr Vater hatte der Zehnjährigen eine Bibel in deutscher Sprache – eine Vorläuferin der Lutherbibel – geschenkt, in der sie fleißig gelesen hatte. Später verschlang sie alle Schriften Martin Luthers, die sie zu einem freien, allein auf Gottes Wort gegründeten Glauben führten. Ich bin nicht etwa lutherisch, konnte sie sagen, ich bin christlich. Deshalb will sie dem jungen Magister zu Hilfe kommen und fordert die Ingolstädter Professoren zu einer Disputation mit ihr auf. Einzige Bedingung: Sie muss auf Deutsch, nicht auf Latein, das sie nicht beherrscht, gehalten werden.

Die Herren reagieren nicht. Sollten sie ihr das Wort des Paulus vorhalten, dass die Frauen in der Kirche schweigen sollen, so kann sie erwidern: „Weil ich aber keinen Mann sehe, der reden will, drängt mich der Spruch: (Jesus sagt:)„Wer mich bekennt vor den Leuten, den bekenne ich auch.“ Hört ihr, dass uns Gott den Verstand gegeben hat und nicht ein Mensch? Niemand kann über das Wort Gottes gebieten.“ Argula von Grumbach bekommt von den Professoren keinerlei Antwort auf ihren Brief, aber von evangelischer Seite wird er in Windeseile gedruckt und erfährt innerhalb von zwei Monaten 13 Auflagen. Besonders ein Satz von ihr wird sich eingeprägt haben: „Ich finde nirgends verzeichnet, dass Christus oder seine Apostel jemand eingekerkert, gebrannt noch gemordet oder des Landes verwiesen haben.“ In den Jahren 1523 und 24 schreibt Argula insgesamt acht Briefe, unter anderen an den Landesherrn, an den Rat der Stadt Ingolstadt. Sie wurden alle zu Flugschriften und so etwas wie Bestseller der Reformationszeit . Mit ca. 30.000 Stück Gesamtauflage.

Ein hoher Preis für mutige Worte

Sie selbst verstummt danach. Hat es schwer in ihrer Familie: Ihr Mann bleibt Katholik, verliert aber als Strafmaßnahme sein Amt als Landpfleger. Er drangsaliert sie, weil sie ihretwegen verarmen. Mit Luther aber steht sie in Briefwechsel und 1530 treffen sie sich einmal auf der Veste Coburg. Später schreibt Luther über sie: „Sie steht allein unter Widersachern mit starkem Glauben zwar, doch nicht ohne Angst des Herzens.“ Sie hat persönlich einen hohen Preis gezahlt für ihre mutigen Worte. Auf einer alten Gedenkmünze mit ihrem Portrait ist zu lesen: „Verlogen und neidisch Zungen haben mich zu Not und Leid gezwungen.“ Wahrscheinlich ist Argula von Grumbach 1554 gestorben, ihre letzten Lebensjahre verlieren sich in der Geschichte. Als Kämpferin für Glaubensfreiheit zur Zeit der Reformation ist sie aber nie ganz vergessen worden. Ein Beispiel dafür ist der Preis, den die evangelische Kirche in Bayern an Frauen verleiht, die sich in besonderer Weise in der Kirche engagiert haben. Der Argula-von-Grumbachpreis für mutige und starke Frauen nach dem Vorbild der Argula.

Zur Autorin:

Renate Kirsch, Brannenburg am Inn (Bayern). Wort zum Sonntag. Copyright: Renate Kirsch
Renate KirschBild: Renate Kirsch

Renate Kirsch (Jahrgang 1937) lebt in Oberbayern, in Brannenburg am Inn. Sie ist in Duisburg geboren und studierte Germanistik sowie evangelische Theologie und war dann als Deutsch- und v.a. als Religionslehrerin am Gymnasium tätig. Von 1988 bis 1992 sprach Renate Kirsch in der ARD das »Wort zum Sonntag«. Seit vielen Jahren ist sie in der kirchlichen Rundfunkarbeit, in der Erwachsenenbildung und beim Weltgebetstag der Frauen (jedes Jahr am 1. Freitag im März) tätig. Renate Kirsch ist mit einem Pfarrer verheiratet und sie haben drei mittlerweile erwachsene Kinder.