Hubert von Goisern präsentiert: "Entweder Und Oder"
14. September 2011Lange Jahre ist er rund um die Welt gereist, zuletzt schipperte er mit einem zur Bühne umgebauten Frachtschiff Donau und Rhein hinunter und gab Hafenkonzerte. Dann zog sich der Österreicher Hubert von Goisern in sein Salzburger Studio zurück und komponierte für seine brandneue Scheibe "Entweder Und Oder" kurze und knackige Songs, in denen viel Heimatgefühl mitschwingt.
Auf dem letzten Album "S’Nix" hatte er noch die Erfahrungen seiner Schiffreise in epischen Stücken verarbeitet, dagegen kommt das neue Werk geradezu minimalistisch daher. Eine logische Entwicklung, findet der Alpenrocker, es sei quasi ein Pendelschlag in die andere Richtung. "Nach dieser großen Tournee hab ich mir das Ziel gesetzt, eher Miniaturen zu komponieren", sagt er. "Was wir auf dem Schiff gemacht haben, war von der Größe her nicht zu toppen - es sei denn, ich hätte was mit Kammerorchester oder Symphonieorchester gemacht."
Naturbursche mit Exotik im Blut
Doch ein immer "größer und lauter", wie er sagt, reizte den Musiker so gar nicht, stattdessen präsentiert Hubert von Goisern Stücke, die man alle ganz ohne Orchester nur mit Gitarre oder Ziehharmonika vortragen kann. Konsequent hat er seine Band halbiert und auch das Keyboard entsorgt. Weil das immer so nach Orchester klinge, findet er: "Ich war mir nicht sicher, ob ich es schaffe, mich inhaltlich und auch vom Klang her so zu verschlanken, aber ich denke mal, es ist ganz gut geglückt."
Schon mit dem Eröffnungsstück "Brenna tuats guat" macht Hubert von Goisern von Anfang an klar, dass das alpine Feuer seiner Jugend immer noch in ihm brennt. Kraftvoll und rockig gibt er den verwegenen Naturburschen, der es auch mit dem Teufel aufnimmt.
Heidi mag Reggae
Goisern wäre allerdings nicht Goisern, wenn er seine alpenländischen Klänge nicht mit exotischen Einsprengseln garnieren würde. Auch auf seinem 18. Album ist er sich da treu geblieben und liefert den typischen Goisern-Mix ab. Da mag die Alpen-Heidi offenbar Reggae, und beim Stück "Indianer" mischen sich Kuhglocken unter den Gitarrensound.
Der inzwischen fast 60-jährige von Goisern war schon immer fasziniert von den unterschiedlichen und oft exotischen Klängen rund um den Globus. "Ich bringe natürlich auch musikalische Erinnerungen von meinen Reisen mit", bestätigt er, "aber ich kann jetzt nicht sagen, dass ich die dann bewusst in meine Kompositionen einbaue." So sehr sind Hubert von Goisern die fremdartigen Rhythmen in Fleisch und Blut übergangen, dass sie während des kreativen Prozesses automatisch bei ihm anklopfen. "Wenn ich einen bestimmten Sound brauche, denke ich nicht darüber nach, wie würden die das in Trinidad machen oder in Tansania, sondern dann schöpfe ich einfach aus meinem musikalischen Gedächtnis", lacht er.
Weg vom kulturellen Mief
Seine musikalische Karriere begann der Alpenrocker als Hubert Achleitner in seinem Heimatdorf im Salzkammergut als Trompeter in einer Blasmusikkapelle - wo er allerdings rausflog, weil erstens seine langen Haare missfielen und er zweitens zu viel am Repertoire herummäkelte. Also floh Hubert vor dem kulturellen Mief seiner Heimatregion nach Afrika, Kanada und auf die Philippinen und nahm den Namen seines Dorfes mit, fortan nannte er sich von Goisern.
Das Reisen gebe ihm die Möglichkeit, sich selber neu zu entdecken, ist er überzeugt: "Wenn man in einer vertrauten Umgebung ist, dann bewegt man sich sehr routinemäßig durchs Leben. Wenn man aber niemanden kennt, die Sprache nicht beherrscht und nicht weiß, was ums nächste Eck ist, dann schärft das die Sinne."
Mit der Spitzhacke
Zurück in Österreich wurde Hubert von Goisern dann mit der Band Alpinkatzen, seinem Akkordeon und unvergesslichen Liedern in goiserischer Mundart berühmt. Er hatte sich vorgenommen, die Tradition auseinanderzunehmen und ja, auch kaputtzumachen, sagt er. "Die Traditionsbewahrer sollten spüren, dass da jetzt einer mit der Spitzhacke reinfährt. Es war eigentlich ein heiliger Zorn, der mich dazu bewogen hat, mich damit so auseinanderzusetzen, weil mir dieses Getümmel und dieses ewig Gestrige einfach auf den Geist gegangen ist."
Längst haben sich die Wogen geglättet, von Goisern ist etabliert. Seine innere Kraft für immer neue Projekte, so sagt er, ziehe er aus dem Buddhismus, zu dem er schon vor langer Zeit übergetreten ist. Und so klingt das Stück "Es is wias is" wie die alpenländische Variante des "Ommm".
Als bekennender Weltenbummler fühlt sich von Goisern trotzdem nicht eingesperrt, wenn er sich monatelang im Studio einschließt und an seiner Musik feilt. "Da geht der Kopf auf Reisen", erklärt der Perfektionist. "Ich bin ja umgeben von vielen Instrumenten, die alle die Aura der großen, weiten Welt in sich tragen und zum Schwingen bringen, wenn ich sie spiele."
Vom Aussterben bedroht
Mal zornig, mal versöhnlich kommen Hubert von Goiserns Geschichten daher, und immer hat er eine Botschaft. Am eindringlichsten wird seine Musik dann, wenn er über das Leben sinniert und klar macht, dass es nicht nur "entweder/oder" gibt, sondern auch "Entweder Und Oder".
Der Österreicher legt den Finger in die Wunden, er engagiert sich für die Grünen, für Tibet, für benachteiligte Jugendliche und jetzt für Wirtshäuser. Auch in seinem Heimatdorf, wo von Goisern hoch auf der Alm eine eigene Hütte besitzt, hat der Gasthof schon vor Jahren geschlossen. Deswegen will der Hubert die Kultur zurück in die Dörfer bringen und spielt in alten Wirtshaus-Sälen auf dem Land mit kleinen Veranstaltungsräumen und stickiger Luft. Denn diese kleinen Bühnen, klagt er, seien quasi vom Aussterben bedroht. Und das kann ein Über-Unter-Ober-Österreicher, ein "Üuoö", wie er in goiserischem Slang heißt, auf keinen Fall zulassen.
Autorin: Suzanne Cords
Redaktion: Matthias Klaus