Vandalismus in Berlin: Mehr Sicherheit für Museen?
22. Oktober 2020Immer wieder kommt es in Museen zu Diebstählen und Beschädigungen. Spätestens dann beginnt für die Verantwortlichen in der Museumsleitung eine Gratwanderung - aus Schutz und Offenheit. Nicht umsonst wurden die Vorfälle in Berlin erst jetzt öffentlich gemacht, aus ermittlungstaktischen Gründen, wie es heißt.
Vor mehr als zwei Wochen hatten Unbekannte auf der Museumsinsel 68 Exponate mit einer öligen Flüssigkeit bespritzt. Betroffen waren in Berlin-Mitte Neues Museum, Pergamonmuseum und Alte Nationalgalerie. Wer tut so etwas, und mit welcher Absicht? Die Ermittler stehen vor einem Rätsel.
Die Museumsbetreiber müssen sich fragen lassen, wie das passieren konnte. Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Dienstherrin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in deren Verantwortungsbereich die betroffenen Museen fallen, verlangt zeitnahe Antworten.
Auf den Ausstellungsobjekten - vor allem ägyptische Sarkophage und Steinskulpturen – hat die Flüssigkeit deutlich sichtbare Flecken hinterlassen. Restauratoren arbeiten derzeit fieberhaft an ihrer Beseitigung, was auf Holz leichter geht als auf Stein. Der Schaden, so heißt es bisher, soll sich in Grenzen halten.
Warum wurde die Tat so spät bemerkt?
Zeugen berichten, am Tag des Anschlags sei viel Museumspersonal im Einsatz gewesen. Kameras haben das Geschehen in den Museumsräumen aufgezeichnet. Dennoch wurde der Schaden, wie es heißt, erst am Abend bemerkt. Warum so spät?
Noch vor wenigen Wochen hat Grütters die Sicherheitslage in Deutschen Museen als ″unzureichend" kritisiert. Auf einer Sicherheitstagung des Deutschen Museumsbundes Ende September 2020 verlangte sie, die Lage "gründlich zu durchleuchten und zu hinterfragen".
Die Kunstschätze in den Museen seien ein ″Spiegel unserer Geschichte und Kultur" und damit ″identitätsstiftend". Ihr materieller und mehr noch ihr immaterieller Wert lasse sich kaum beziffern. Die Museen müssten ″den Spagat zwischen Schutz und Offenheit meistern", so die Kulturstaatsministerin.
In Museumskreisen hört man solche Worte gern. ″Die Sicherheitslage in den Häusern hat sich verändert", sagt etwa David Vuillaume, Geschäftsführer des Deutschen Museumsbundes zur Deutschen Welle, ″Die Bedrohung ist komplexer geworden."
Nicht schlimmer als früher, aber anders. Ging früher von Feuer und Wasser die größte Gefahr aus, so seien es heute Transporte, unachtsame Besucher, Einbrüche, Vandalismus und vieles mehr, was den Werken zusetze. Eines aber gelte immer: ″Man lernt aus jedem Fall!"
In drei Minuten rein und wieder raus
Davon kann Marcus Reuter, Direktor des Rheinischen Landesmuseums Trier, einem der bedeutendsten archäologischen Museen in Deutschland, ein Lied singen. Von der Vorgeschichte über die römische Zeit, das Mittelalter bis zum Barock reicht seine Sammlung. Das kostbarste ist der 1993 gefundene ″Trierer Goldschatz", der größte erhaltene römische Goldschatz der Welt.
Auf den hatten es Unbekannte abgesehen, als sie exakt vor einem Jahr in das gut geschützte Gebäude einbrachen - mit brachialer Gewalt, wie Reuter erzählt: ″In drei Minuten sind sie rein und wieder raus!"
Doch die Täter scheiterten: ″Unser Sicherheitskonzept hat funktioniert", erklärt der Museumschef im DW-Interview - noch hörbar erleichtert: ″Wir hatten Glück." Nach seiner Erfahrung komme es darauf an, den Zugang zu den Museumsschätzen zu erschweren, indem man die Täter möglichst lange beschäftige.
Doch auch er blieb nicht tatenlos: Reuter überdachte die Sicherheitspläne seines Hauses, arbeitete die Empfehlungen der Polizei ein, schrieb eine Forderungsliste an die Mittelgeber - und bekam eine sechsstellige Summe für Umbauten und neue Sicherheitstechnik bewilligt.
Nicht immer geht es so glimpflich ab wie in Trier. Prävention will bezahlt sein, Sicherheit kostet Geld. Doch ob Geld für mehr Sicherheitsmaßnahmen da ist, hängt wiederum von den Museumsträgern der öffentlichen Häuser ab. Zumeist sind das Politiker von Kommunen, Ländern oder beim Bund. ″Vieles ist da Verhandlungssache", sagt Museumsbund-Geschäftsführer Vuillaume.
Expertin sieht Präventionsparadox
″Die Museumsträger möchten für ihr Geld möglichst öffentlichkeitswirksame Ausstellungen sehen statt in Technik zu investieren, die niemand sieht", konstatiert Expertin Alke Dohrmann. Im Auftrag der Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen hat sie einen Sicherheits-Leitfaden für Museen entwickelt und berichtete darüber bei der Tagung des Museumsbundes: ″Die Museen würden sehr gern für mehr Sicherheit sorgen."
Aber können sie das? David Vuillaume vom Museumsbund sagt: ″Kein Museum kann beweisen, wie sehr teure Sicherheitsmaßnahmen die Kunstwerke geschützt haben." Erst bei Einbruch, Diebstahl oder Beschädigung rächt sich, wenn keine Vorsorge getroffen wurde. Dann kocht - wie jetzt in Berlin - die Sicherheitsfrage hoch. Alke Dohrmann spricht von einem ″Präventionsparadox."
In privaten Institutionen und Museen läuft der Hase anders: Deren Betreiber – Stiftungen wie Einzelpersonen oder Sammler - müssen ihre Bestände selbst versichern, was teuer ist. Öffentliche Museen haben keine eigenen Versicherungen. Dafür haftet der jeweiliger Träger. Im Fall der angegriffenen Berliner Museen ist das die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Das führt dazu, dass Diebstähle, wie Dohrmann sagt, ″häufig unschließbare Lücken reißen". Denn viele Stücke, wie etwa die aus dem Berliner Bode-Museum geraubte Riesen-Goldmünze, sind nicht ersetzbar. Allein der Goldwert der "Big Maple Leaf" betrug 3,75 Millionen Euro.
Der spektakuläre Angriff auf Kunstwerke auf der Berliner Museumsinsel, soviel ist sicher, hat Museumsleute, Polizei und Kulturpolitiker alarmiert. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, sprach im Deutschlandfunk von einem "unglaublichen, schockierenden Vandalismus". Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Kulturschätze zu schützen. "Die Sicherheitslage in deutschen Museen ist nicht prekär", sagt Expertin Alke Dohrmann. ″Trotzdem kann immer etwas passieren!"