Motor der Welt
23. Oktober 2002"Eine beeindruckende Belegschaft und eine aufregende Produktpalette" sollen nach Ansicht von Nick Reilly den Verkauf von Daewoo-Autos vorantreiben. Reilly ist der neue Chef von GM Daewoo, dem Nachfolger des südkoreanischen Autobauers Daewoo Motors, der 1999 zahlungsunfähig wurde. Daraufhin beteiligte sich der US-Konzern General Motors (GM) mit 42,1 Prozent an dem maroden Unternehmen.
Der weltgrößte Autobauer übernahm vor allem die beiden modernen Fabriken in den südkoreanischen Städten Changwon und Kunsan und dürfte ein harter Gegner für Fahrzeughersteller Hyundai werden. GM-Konkurrent Daimler-Chrysler ist an dem südkoreanischen Branchenführer beteiligt, beide US-Firmen wollen den heiß umkämpften Wachstumsmarkt China für sich gewinnen. Wenn am 28. Oktober der Verwaltungsrat von GM Daewoo zusammentritt und das neue Unternehmen offiziell den Betrieb aufnimmt, hat GM sich im asiatischen Geschäft günstig platziert. Außerdem steigen die Chancen des Konzerns, seinen Platz als weltweiter Marktführer zu verteidigen.
Positive Geschäftsentwicklung
Vor gut einem Jahr hätte die Branche nicht damit gerechnet. Stattdessen sah es so aus, als würde Ford, die weltweite Nummer zwei, den Primus überrunden. Doch mit gut 7,6 Millionen produzierten Autos im Jahr 2001 ließ GM den Verfolger mit 6,7 Millionen Personenwagen hinter sich. Auch bei den Geschäftszahlen konnte der traditionsreiche US-Konzern zuletzt überzeugen.
Das dritte Quartal 2002 endete zwar mit einem Verlust von über 800 Millionen US-Dollar. Allerdings war vor allem eine 2,2-Milliarden-Abschreibung auf eine Beteiligung an Fiat verantwortlich für die roten Zahlen. Ohne diesen einmaligen Sondereffekt lag der Gewinn des Autoherstellers bei fast 700 Millionen Dollar. Von dieser positiven Bilanz waren auch Börsenexperten Mitte Oktober überrascht: "Die operative Geschäftsentwicklung ist besser als wir gedacht haben", sagte Aktienanalyst David Bradley von JP Morgan Chase über die Zahlen.
Langweiliges Design - schlechte Qualität
Am italienischen Fiat-Konzern sind die Amerikaner seit zwei Jahren mit einem Fünftel beteiligt. Ab dem Jahr 2004 gibt es zudem eine Übernahmeoption auf die weiteren 80 Prozent. Allerdings ist Fiat wegen Kosten- und Absatzproblemen hoch verschuldet. Zum GM-Konzern gehören außerdem die schwedische Marke Saab, die deutschen Opel-Werke, Vauxhall aus Großbritannien, sowie die US-Marken Chevrolet, Buick, Cadillac, Pontiac und Oldsmobile. Damit hatten die Detroiter jahrelang ein Imageproblem: Langweiliges Design und schlechte Qualität zeichneten GM-Fahrzeuge aus.
Nun soll vor allem Saab die europäische Premiummarke mit Weltpräsenz werden. Im vergangenen Jahr holte sich GM das erste mal seit zehn Jahren wieder Marktanteile am US-Markt zurück. Und auch 2002 sieht es so aus, als würde der Autoriese das Rennen der "Big Three" – der "Großen Drei" – gegen Ford und Chrysler gewinnen.
"Keep America rolling"
Als ein Grund für den Aufschwung gilt der Einkauf von Autodesign-König Robert Lutz. Der 70-Jährige hat schon bei Opel und Chrysler für Erfolge gesorgt. Seit Sommer 2001 ist er Vizechef bei GM und Oberaufseher der weltweiten Produktionsentwicklung. Aber auch Herstellungsabläufe in den Fabriken wurden umorganisiert und die Qualität insgesamt verbessert. Gleichzeitig drückte der Weltkonzern seine Kosten.
Auf der Einnahmenseite sorgten Rabattaktionen für gute Zahlen, die auch noch das Image aufpolierten: Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 starteten die GM-Manager die Kampagne "Keep America rolling" - "Behaltet Amerika am Rollen". Neuwagen wurden mit null Prozent Zinsen verkauft. Im neuen Jahr legte der Branchenführer mit Nachlässen von 2002 Dollar pro Auto nach und brachte die Konkurrenz unter Druck. Für das Gesamtjahr erhöhte GM nun seine Absatzprognose auf 16 Millionen Fahrzeuge – eine Million mehr als zu Jahresanfang angenommen.
Die Aussichten für den Autoriesen, der 360.000 Menschen weltweit beschäftigt, sind also gut. Allerdings fürchten Branchenkenner, dass vor allem durch die Rabattaktionen nur Nachfrage vorgezogen wurde. Im nächsten Jahr würden diese Kunden wieder fehlen.