Mossul: Solidarität zwischen den Religionen
18. Dezember 2017Bandar Faris ist beschäftigt. Im Kloster des Heiligen Georg bei Mossul ist der junge Muslim gerade dabei, zusammen mit seinen Freunden die Schäden zu beheben, die die Kämpfer der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) dort angerichtet haben. Trümmer und Steine bedecken den Boden. Faris und die anderen jungen Freiwilligen räumen sie weg.
Es ist in ein Wettlauf gegen die Zeit, denn bald ist Weihnachten. Und bis dahin wollen die jungen Menschen das Kloster wenigstens halbwegs wieder hergerichtet haben. Zumindest so weit, dass ihre christlichen Nachbarn dort das Fest zu Christi Geburt feiern können. Zur Krönung ihrer Arbeit stellen sie einen Weihnachtsbaum auf und schmücken ihn anschließend.
Mossul, sagt Faris der DW, sei eine vielfältige Stadt - nicht durch eine bestimmte Sekte oder Konfession geprägt. Im Gegenteil, in der Stadt spiegele sich die gesamte konfessionelle und ethnische Vielfalt des Irak. So soll es auch in Zukunft wieder sein, sagt Faris: "Nachdem Mossul vom IS befreit wurde, soll die Stadt unbedingt wieder ihre alte Vielfalt zurückerhalten." Wenn sie als Muslime nun die Kirchen wieder aufbauten, hofft er, ermutige das die vor dem IS geflohenen Christen, zurückzukehren und die Botschaft des Zusammenlebens zu vernehmen: "Darum wollen wir das Kloster für die nahenden Feiertage und die dann stattfindenden Feierlichkeiten vorbereiten. Unsere christlichen Nachbarn finden die Idee sehr gut."
Bandar weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, unter der Herrschaft des IS zu leben. Als die Dschihadisten in Mossul die Macht übernahmen, blieb seine Familie in der Stadt, allen Schwierigkeiten zum Trotz. Seine an Krebs erkrankte Mutter erhielt nicht die nötige medizinische Hilfe und starb. "Während der Herrschaft des IS war es für Christen und andere Konfessionen schwierig, die Stadt zu verlassen. Viele junge Menschen wurden getötet. Die IS-Kämpfer hängten sie an Strommasten auf oder warfen sie aus hohen Gebäuden. Wir erlebten furchtbare Szenen."
"Im Namen des Guten"
In Erinnerung an die harte Zeit hält der junge Mann einen Moment inne und schweigt. Dann fährt er fort: "Nach diesen Erlebnissen will ich unbedingt dazu beitragen, dass die Stadt nach ihrer Befreiung zum Leben zurückkehrt. Ich will den Menschen so gut wie möglich helfen."
Zusammen mit anderen engagiert sich Faris in einer Hilfskampagne für all jene, die durch den Krieg zu Schaden kamen oder vor ihm flohen. So reinigen die jungen Menschen die Straßen, säubern die Schulen und Universitäten. Außerdem hat Faris eine Gruppe gegründet. Deren Name frei übersetzt: "Im Namen des Guten". Mit dem Ergebnis ist Faris zufrieden. "Wir sind jetzt ungefähr 40 Personen. Wir investieren unser persönliches Engagement, und einige wohltätige Spender unterstützen uns mit Geld. Und der berühmte Musiker Nasir Schama hilft dabei, die Studienräume der Universität von Mossul wiederherzustellen."
Christliche Flüchtlinge kehren zurück
Die Familie des jungen Ryan Adnan war eine der ersten christlichen Familien, die nach dem Rückzug des IS nach Mossul zurückkehrten, obwohl ihr Haus beschädigt und ausgeraubt worden war. Nun ruft Adnan auch andere geflohene Christen dazu auf, in ihre Heimat zurückzukehren, um dort eine neue Seite des Lebens aufzuschlagen.
Er fühle sich durch die Kampagne der jungen Muslime zur Wiederbelebung der Kirchen ermutigt, sagt Ryan im Gespräch mit der DW. Sie sei Ausdruck der tiefen Verbundenheit zwischen Christen und Muslimen im Irak. Kürzlich habe ihm ein muslimischer Freund aus Mossul angeboten, beim Wiederaufbau der syrisch-orthodoxen Kirche des Heiligen Georg im nahe gelegenen Bahsani zu leisten. "Ich habe mich sehr darüber gefreut, denn das zeigt, dass die Freundschaft der Muslime über den Hass des IS triumphiert hat."
Die erste Messe
Am 25. Dezember sollen die Christen in der chäldäischen Kirche des Heiligen Paulus das Weihnachtsfest feiern können - das erste und größte seiner Art seit dem Abzug des IS. Auch hier sind junge Muslime dabei, die Trümmer wegräumen und den Weihnachtsbaum zu schmücken, berichtet Omar al-Hatim, einer der junger Männ, die wollen, dass die geflüchteten Christen nach Mossul zurückzukehren.
Al-Hatim und seine Mitstreiter hatten noch zu IS-Zeiten eine Gruppe in sozialen Netzwerken gegründet, mit der sie die irakischen Sicherheitskräfte während der Befreiung unterstützten. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf humanitäre Hilfe. Er war auch einer der ersten, die sich im vergangenen Monat daran machten, Kirchen wieder aufzubauen - darunter auch die Kirche Herz Jesu im Dorf Tel Keppe, die zweitgrößte Kirche im Nahen Osten überhaupt. Sie haben viel Zeit darauf verwendet, die Kirche zu reinigen: So entfernten sie auch die IS-Parolen von den Wänden, die zu Gewalt gegen Christen aufriefen: sie exemplarisch zu bestrafen und zu töten.
"In der Kirche war auch eine Musikgruppe dabei, die dort spielte, um so den Geist des Lebens auszurufen", berichtet Omar. "Sogar Kinder halfen uns beim Aufräumen." Die Aktion habe starke Beachtung vor Ort und in den Medien gefunden. "Viele Christen begrüßen unsere Initiative", sagt Omar.
Mit Musik gegen das Erbe des IS
Die vier Musiker der Gruppe "Uttar Narkal" treten mit ihren Instrumenten - Oud, Violine und Gitarre - in der zerstörten Kirche Herz Jesu auf. "Der IS hat die Kunst bekämpft und getötet. Er hat Künstler aus Mossul getötet und ihre Instrumente zerschlagen", sagt Khalid Walid, einer der Gründer der Gruppe. "Darum wollten wir durch unseren Auftritt zur Wiedergeburt der Kirchen durch die Musik beitragen. Wir sind überzeugt, dass die Musik Nahrung für den Geist und das Leben sowie eine Botschaft der Liebe und des Friedens ist." Auch er berichtet von den vielen positiven Reaktionen seitens der irakischen Christen. Inzwischen ist ein Auftritt in einer anderen Kirche geplant.
Doch zur Normalität ist es noch ein weiter Weg. "Alle Kirchen in Mossul sind geschlossen", sagt der Priester der Kirche von Karamlis. "Einige Gotteshäuser sind auf schlimme Weise entstellt. Teils befinden sich dort immer noch die Leichname von IS-Kämpfern." Außerdem seien einige Kirchen geschändet. Der IS hat die Grundmauern eingerissen und christliche Symbole zerstört. Bislang hat uns seitens der Regierung oder aus anderen Quellen noch keine Hilfe erreicht, sodass wir die Kirchen wieder aufbauen könnten."
Das Engagement der jungen Muslime begrüßt Pater Thabet. "Das ist eine Botschaft des Zusammenlebens und der Brüderlichkeit zwischen Christen und Muslimen." Die Christen hätten sofort auf sie reagiert. "Alle haben eine neue Seite aufgeschlagen, damit die Bürger von Mossul lernen, miteinander zu leben."