Moskau lässt in Tschetschenien wählen
29. August 2004
Die Wahl-Plakate in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny machen deutlich, was von der Präsidentschaftswahl am Sonntag (29.8.) zu erwarten ist: Der russische Präsident Wladimir Putin schüttelt dem Kreml-Kandidaten Alu Alchanow die Hand. Im Hintergrund des Bildes vereinigen sich historische tschetschenische Bauten mit den Kuppeln des Kreml.
Moskau mischt mit
Moskau mischt kräftig mit beim Wahlkampf in Tschetschenien. Kurz vor der Wahl besteht kein Zweifel daran, wer gewinnen wird: Putins Kandidat, der tschetschenische Innenminister Alu Alchanow. Diese Meinung herrscht nicht nur unter ausländischen Beobachtern. Auch die Tschetschenen wissen, was gespielt wird.
"Von den verbliebenen sieben Kandidaten sind nur wenige bekannt - Alu Alchanow durch die Werbekampagne der letzten Monate und ein bisschen auch Abdul Bugajew sowie Mowsar Chamidow, der mal Vizepremier war", so Lema Turpalow, Redakteur der letzten unabhängigen Zeitung in Grosny. Die anderen seien unbekannt und wirkten farblos. "Damit ist faktisch klar, dass Alchanow keine Konkurrenten hat."
Konkurrenten im Vorfeld ausgeschlossen
Schon im Vorfeld wurde dafür gesorgt, dass ernsthafte Konkurrenten gar nicht erst zur Wahl zugelassen wurden. So wurde Malik Saidullajew, Moskauer Geschäftsmann und aussichtsreichster Kandidat im Juli von der Wahl ausgeschlossen - zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres. Diesmal wegen eines Fehlers in seinem Pass. Dort stünde als Geburtsland Tschetschenien, statt tschetschenisch- inguschische sowjetische Teilrepublik, wie die Kaukasus-Region zum Zeitpunkt von Saidullajews Geburt hieß.
Die Werbung für Alchanow ist derweil in vollem Gange. So war Präsident Putin gerade auf Blitz-Besuch in Tschetschenien und hat den ermordeten Präsidenten Kadyrow öffentlich gewürdigt. An seiner Seite mit dabei - der Kandidat des Kreml und der Sohn des ermordeten Ex-Präsidenten Ramsan.
Alchanow hat beste Aussichten
Alchanow, der als Polizei-General schon im ersten Tschetschenien-Krieg auf russischer Seite kämpfte, wird es als neuer Präsident nicht leichter haben als der getötete Kadyrow. Er soll die Politik Moskaus durchsetzen und die Macht des Kadyrow-Clans sichern. Doch die Lage im Land ist nach wie vor von Gewalt bestimmt.
So kamen bei Überfällen tschetschenischer Kämpfer auf Wahl-Büros und eine Polizei-Station in dieser Woche Dutzende Menschen ums Leben. Der Sicherheitsdienst, dessen Chef Ramsan Kadyrow ist, steht im Verdacht, weiterhin Menschen zu verschleppen und zu ermorden.
Situation im Land eskaliert
Seit dem Tod Kadyrows habe sich die Situation verschlechtert, so Schamil Tangiew von der russischen Menschrechtsorganisation "Memorial" in Grosny: "Es gibt viele Tote unter der Zivil-Bevölkerung und sehr viele Milizionäre, die sterben. Die politische und gesellschaftliche Situation ist sehr schwierig und unvorhersehbar. Die letzten Ereignisse sagen viel darüber aus, dass Stabilität noch sehr weit weg ist."
Der Konflikt schafft auch in ganz Russland Unsicherheit. Tschetschenische Kämpfer tragen ihn in die russische Hauptstadt - wie im Februar bei einem Bomben-Anschlag in der Moskauer U-Bahn, bei dem 40 Menschen ums Leben kamen. Oder in die tschetschenische Nachbar-Republik Inguschetien: Dort hatten tschetschenische Kämpfer im Juni 90 Polizisten und Militärs ermordet. In Tschetschenien selbst überlebte Übergangspräsident Sergej Abramow Anfang Juli nur knapp einen Anschlag.
Tschetschenen-Führer Aslan Maschadow kündigte kurz vor der Wahl auch an, dass "jede von den Besatzern ernannte Figur für den Präsidenten-Posten" mit dem Tod rechnen müsse. Wie sicher die Lage in dem zerstörten Land ist, zeigen auch folgende Zahlen: Die 433 Wahl-Lokale werden am Sonntag von gut 15.000 Militärs geschützt.