Moskau bereitet sich auf den 9. Mai vor
4. Mai 2005Kaum ein anderer Feiertag hat in Russland eine so wichtige Bedeutung wie der 9. Mai. An diesem Tag feiert Russland den Sieg über Hitler-Deutschland; ein Sieg, den die Sowjetunion vor 60 Jahren mit einem horrend hohen Blutzoll von bis zu 27 Millionen Menschenleben errungen hatte. Mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem japanischen Premierminister Junichiro Koizumi nehmen erstmals auch die Regierungschefs der ehemaligen Feindstaaten an der Siegesfeier teil. Dass zum 60. Jahrestag des Kriegsendes die wichtigsten Staatsmänner auf dem Roten Platz der Siegesparade beiwohnen werden, ist für Putin und Russland eine besondere Ehre und Genugtuung. Eine späte und verdiente Würdigung der immensen Opfer und des großen Anteils, den die Sowjetunion an der Niederringung von Nazi-Deutschland hatte.
Seit Monaten schon laufen die Vorbereitungen auf den 60. Jahrestag im "Großen Vaterländischen Krieg", wie der Zweite Weltkrieg offiziell in Russland genannt wird. Mit beispiellosem Pomp wird der kommende Jahrestag gefeiert, mehr als 50 Staats- und Regierungschefs werden von Präsident Putin zur Siegesparade auf dem Roten Platz erwartet. Damit wird Wladimir Putin nach dem 300. Geburtstag von St. Petersburg im Mai 2003 nun bereits zum zweiten Mal die Ehre zuteil, Gastgeber eines Weltgipfeltreffens der wichtigsten Staats- und Regierungschefs zu sein.
Kühlschränke für Kriegsversehrte
Auf nachgebauten Armeelastwagen aus dem Zweiten Weltkrieg werden rund 2600 Kriegsveteranen über den Roten Platz fahren. Zum Siegestag verteilt Moskaus Bürgermeister Luschkow nochmals Geschenke an die Veteranen. Verdiente und besonders bedürftige Kriegsteilnehmer sollen wie auch in den Jahren zuvor mit Sanatoriumsaufenthalten, neuen Kühlschränken oder dem Umzug in eine neue Wohnung bedacht werden. Ausgewählte Veteranen dürfen die Truppenparade auf dem Roten Platz von einer extra für sie aufgebauten Tribüne verfolgen.
Den übrigen Moskauern riet Luschkow unterdessen, die Hauptstadt für die Dauer der Feierlichkeiten besser zu verlassen. Wie bereits beim Stadtjubiläum von St. Petersburg wird nun auch die Innenstadt von Moskau zur absoluten Sperrzone. Über 24.000 Sicherheitskräfte sollen den reibungslosen Ablauf der Feiern und die Sicherheit der ausländischen Staatsgäste garantieren. Zum ersten Mal seit der Moskauer Olympiade von 1980 sollen Stadtstreicher und obdachlose Kinder wieder "eingesammelt" und aus dem Stadtzentrum verbannt werden.
Nichts soll die Feierlichkeiten stören können, weder Terroristen noch schlechtes Wetter. Wie gewohnt werden wieder Militärflugzeuge zur Verfügung stehen, um den Moskauer Himmel mit Hilfe von Chemie und Trockeneis von Regenwolken frei zu halten.
Ohne die Balten
Getrübt wird die Siegesfeier allerdings durch den Streit zwischen Moskau und den drei baltischen Ländern, Estland, Lettland, Litauen über die Bewertung des Hitler-Stalin-Paktes vom 23. August 1939. Dieser besiegelte die Teilung Polens und das Ende der Souveränität der drei baltischen Staaten, die schließlich von Stalin annektiert wurden. Bis heute weigert sich Russland, die Schattenseiten der jüngeren Geschichte aufzuarbeiten. Die Staatsoberhäupter von Estland und Litauen sagten ihre Teilnahme an der Siegesfeier in Moskau aus Protest ab.
"Wenn am 9. Mai nicht die ganze historische Wahrheit zur Sprache kommt, kann das Gedenken zu nichts Gutem führen", hatte kürzlich der ehemalige polnische Außenminister Geremek erklärt. Doch offenbar ist dafür in Moskau auch 60 Jahre nach Kriegsende die Zeit noch nicht gekommen.