1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikMosambik

Mosambiks Oppositionsführer: Regierungsversprechen "Fassade"

Nádia Issufo | Stélio Guibunda
22. Januar 2025

Laut Venâncio Mondlane gibt es keine Gespräche mit Mosambiks Präsident Daniel Chapo. Im DW-Interview spricht der Oppositionelle von "Heuchelei" der FRELIMO - trotz Hunderten Toten bei Protesten nach der Wahl im Oktober.

https://p.dw.com/p/4pTYa
Venâncio Mondlane
Bild: Nádia Issufo/DW

DW: Herr Mondlane, der Verfassungsrat Mosambiks hat den Kandidaten der Regierungspartei FRELIMO, Daniel Chapo, trotz massiver Bürgerproteste als rechtmäßigen Präsidenten der Republik Mosambik anerkannt. Empfinden Sie dieses Urteil als eine Niederlage für sich und für Ihre Protestbewegung?

Venâncio Mondlane: Die FRELIMO hat diese Wahlen nur mittels Betrug, Fälschung und Manipulation für sich entscheiden können. Die Regierungspartei hat die Polizeikräfte für ihre Zwecke missbraucht und diese zur Gewalt angehalten. Diese Gewalt, für die die FRELIMO bereits seit Langem bekannt ist, ist für mich keine Neuigkeit. Sie wurde in den letzten drei Jahrzehnten durchgängig praktiziert - seit es in unserem Land ein Mehrparteiensystem gibt.

Welche Auswirkungen hatten die von Ihnen organisierten Proteste auf die Gesellschaft und die Demokratie in Mosambik?

Ich denke, wir können jetzt schon sagen, dass unsere Bewegung große Erfolge erzielt hat. Zuallererst haben wir das Bewusstsein der mosambikanischen Bevölkerung dafür geschärft, dass das Recht auf zivilen Ungehorsam ein verbrieftes Recht ist, das wir niemals aufgeben dürfen. Heute zeigt sich klarer denn je, dass die Suche der Bevölkerung nach Wahrheit und Gerechtigkeit kein Luxus, sondern ein Grundrecht ist, das in unserer Verfassung garantiert wird. Die Proteste haben vielen Menschen die Augen geöffnet. Das ist ein Erfolg, der sich auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten positiv auf unsere Gesellschaft auswirken wird.

Mosambik Vereidigung Präsident Daniel Chapo
Am 15. Januar - nach Monaten gewaltsamer Auseinandersetzungen - wurde Daniel Chapo als Präsident Mosambiks vereidigtBild: ALFREDO ZUNIGA/AFP/Getty Images

Ein weiterer Erfolg unserer Protestbewegung liegt darin, dass die Betrugsmasche der FRELIMO bloßgestellt wurde. Das hat dazu geführt, dass die internationalen Wahlbeobachter-Missionen, allen voran die Wahlbeobachter der Europäischen Union, ihre Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahlen aufrechterhalten. Dazu kommt, dass bei der Amtseinführung von Daniel Chapo nur zwei ausländische Staatschefs zugegen waren - aus Südafrika und Guinea-Bissau. Nicht einmal der Staatspräsident Ruandas, der in jüngerer Vergangenheit eine besonders enge Beziehung mit der FRELIMO aufgebaut hat, ist gekommen. Das bedeutet: Wir haben es geschafft, den Schleier, der die FRELIMO verhüllte, wegzuziehen, und so konnte die ganze Welt mit der Fäulnis der FRELIMO konfrontiert werden.

Ein weiterer Erfolg ist die Tatsache, dass wir eine wahre Demonstration der nationalen Einheit auf die Beine stellen konnten. Die überwältigende Mehrheit der Gesellschaft ist unseren Aufrufen gefolgt und hat, unisono und Hand in Hand, die mosambikanische Nationalhymne angestimmt. Menschen aus allen sozialen Schichten haben sich beteiligt: Ob Straßenverkäuferinnen oder wohlhabende Bürger Maputos - sie alle waren präsent auf den Straßen.

Das alles zusammengenommen sind große Erfolge, die man nicht hoch genug beziffern kann. In 50 Jahren hat die FRELIMO so etwas nie geschafft. Im Gegenteil: Die Regierungspartei hat uns gespalten, uns aufgeteilt in Stämme, in Clans oder Regionen. Wir haben es geschafft, diese historischen Fehler, die in 50 Jahren begangen wurden, zu korrigieren.

Trotz der Entscheidung des Verfassungsrats, der die FRELIMO und seinen Kandidaten zu Wahlsieger erklärte, ist eines klargeworden: Die Menschen sind entschlossen, weiterzukämpfen für die Wahrheit und für die Gerechtigkeit. Und unser Kampf ist noch lange nicht vorbei!

Wie gedenken Sie, diese Protestbewegung fortzusetzen?

Wir möchten die Menschen weiter anhalten, ihre Bürgerrechte einzufordern. Ein konkretes Beispiel: Die Bürger Mosambiks haben das Recht, bei der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes, also bezüglich des Abbaus von Gold, Erdöl oder anderer Bodenschätze, mitzureden. Wir werden die Menschen in den betroffenen Gebieten dazu ermuntern, sich der Ressourcen in ihren Siedlungs- und Wohngebieten zu ermächtigen und mit den Bergbauunternehmen direkt, ohne Umweg über irgendwelche Mittelsleute in der Regierung, in Verhandlungen mit den Bergbauunternehmen zu treten und Verträge abzuschließen…

Der Fluch der Bodenschätze - Terror in Mosambik

Sie wollen damit sagen, dass sich die Regierungsinstanzen, was die Ausbeutung der Bodenschätze angeht, als unfähig erwiesen haben, die Interessen der Bevölkerung angemessen zu vertreten?

Genau. Und das müssen wir ändern. Es gibt Leute, die behaupten, unsere Vorschläge seien nicht verfassungskonform. Das stimmt nicht. In der mosambikanischen Verfassung ist vorgesehen, dass die Menschen, die in den Gebieten mit Rohstoffvorkommen leben, die Möglichkeit haben sollten, die Ausbeutung dieser Rohstoffe selbst in die Hand zu nehmen, falls der Staat dieser Aufgabe nicht in befriedigender Form nachkommt.

Wie geht es weiter mit Ihrer Protestbewegung?

Wir werden weiterhin die katastrophale Politik dieses Regimes öffentlich kritisieren. Mir ist klar, dass sich diese Politik nicht von  selbst ändern wird.

Erst heute hörte ich, dass der Präsident, ohne Anhörung der anderen Parteien, bereits neue oberste Verwaltungsrichter ernannt hat. Ich frage: Wo sind die Reformen, die er angekündigt hat? Wo ist seine Offenheit und seine Erneuerungsbereitschaft, die er immer herausstellt? Es heißt immer, er sei jung und offen für neue Wege, es heißt, er sei Jurist und offen für Reformen und den Dialog. Doch schauen Sie sich seine ersten Amtshandlungen als Präsident an: Es ist ein absolutes Desaster! Das alles zeigt uns, dass sich mit ihm nichts ändern wird. Es wird mit ihm keine Reformen geben!

Sie wollen damit sagen, dass ein Dialog, den man immer wieder ankündigt, kaum Aussicht auf Erfolg hätte?

Ich weiß nicht, ob [Daniel Chapo] wirklich zu einem solchen Dialog bereit ist. Wenn man seine Wortwahl analysiert, wenn er über Dialog spricht, dann wird klar, dass seine Worte von extremer Heuchelei geprägt sind. Er sagt, er sei grundsätzlich offen für den Dialog, und dass er bereit sei, alle anzuhören. Aber das sind Worte von jemandem, der nicht wirklich glaubt, was er sagt. Seine Auftritte sind Fassade. Das sieht man an seiner Mimik und an seiner Gestik. Seine Aussagen: Leere, beschönigende Worte, mit denen er die Presse glauben machen will, dass er zum Dialog bereit ist. Aber in Wirklichkeit steckt eine große Arroganz dahinter. Man merkt, dass er den Dialog nicht wirklich will.

Ich habe den Eindruck, dass er vor allem eines will: die totale Dominanz über die staatlichen Instanzen, über die Streitkräfte und alle anderen öffentlichen Einrichtungen. Das ist das Einzige, was er will.

Venâncio Mondlane
Venâncio Mondlane im DW-InterviewBild: Nádia Issufo/DW

Gab es schon erste Schritte, Versuche der Annäherung zwischen Ihnen, Venâncio Mondlane, und Daniel Chapo?

Nein. Konkrete Schritte gab es bisher nicht. Ich bin zum Dialog bereit. In meinen öffentlichen Auftritten in den sozialen Medien sage ich immer wieder, dass ich für einen Dialog zur Verfügung stehe. Immer wieder habe ich konkrete Themen aufgeworfen, die ich an den Verhandlungstisch bringen möchte…

Sehen Sie keine Anzeichen von Dialogbereitschaft seitens der Regierungspartei FRELIMO und des Präsidenten?

Ich sehe überhaupt keine Offenheit, gar nichts…

Haben Sie das Gefühl, dass die FRELIMO die richtigen Lehren aus dieser Krise gezogen hat?

Nein. Sie hat nichts dazugelernt. Im Gegenteil: Die Partei hat sich weiter radikalisiert und ist noch gewalttätiger geworden. Sie veranstalten derzeit eine regelrechte Hexenjagd auf Oppositionelle.

Das Interview führte Nádia Issufo.