Keine Aufklärung nach Berichten über Massengrab
2. Mai 2016Seit Tagen diskutiert Mosambik über diese Meldung: Im Zentrum des südostafrikanischen Landes wollen Bauern ein Massengrab entdeckt haben, mit 120 Leichen. Die Toten hätten nahe des Ortes Canda nördlich des Nationalparks Gorongosa gelegen, berichteten sie der portugiesischen Nachrichtenagentur LUSA. Teilweise seien sie stark verwest, von einigen nur noch Knochen übrig gewesen. Der zuständige Verwalter des Distriktes Gorongosa dementierte umgehend die Existenz eines solchen Grabes. Die Polizei kündigte eine Untersuchung an.
Seit 2013 gibt es in der Region immer wieder Kämpfe zwischen Milizionären der größten Oppositionspartei RENAMO und den Sicherheitskräften der Regierung. Doch ob die Toten einer der beiden Seiten zuzuordnen sind, bleibt unklar. Waren Schussverletzungen erkennbar oder trugen die Leichen Uniformen? Dazu konnten die Bauern keine Angaben machen. "Augenzeugen sprechen von Lumpen, die man aus der Ferne erkennen konnte. Aber das reicht nicht aus, um die Leichen zu identifizieren", berichtet DW-Korrespondent Arcénio Sebastião.
Opfer des neu entfachten Bürgerkriegs?
Am Wochenende versuchte er sich zusammen mit anderen Journalisten ein eigenes Bild zu machen. Doch es gelang ihm nicht, das vermeintliche Massengrab zu erreichen. Bewaffnete Unbekannte hätten den Weg versperrt, berichtet Arcénio Sebastião.
Bauern hätten ihm und seinen Kollegen allerdings weitere Leichen gezeigt, die in der Nähe lagen. "Es sind 15, die da tot liegen. Die Leichen werden schon von Vögeln angepickt", berichtete ein Bauer, der aus Angst vor Repressalien nicht mit Namen genannt werden möchte. Ein anderer, der ebenfalls nur anonym sprechen wollte, sagte: "An der Abzweigung der Nationalstraße Richtung Macossa haben wir drei Tote gefunden. Als wir unter die Brücke geklettert sind, haben wir im Bach nochmal etwa zehn Tote gesehen."
Die Journalisten haben die Leichen gesehen, konnten aber auch in diesem Fall nicht feststellen, ob die Toten zu einer der militärischen Gruppen gehören, die sich in der Gegend bekämpfen.
Die offiziellen RENAMO-Vertreter zeigten sich in der Region kaum mehr öffentlich, berichtet DW-Korrespondent Arcénio Sebastião: "Seit einiger Zeit werden hier immer wieder RENAMO-Mitglieder entführt oder man lässt sie verschwinden. Daher haben sich die verbleibenden Anhänger irgendwann versteckt und sind bis heute nicht mehr aufgetaucht." Von Anwohnern bekamen die Journalisten nur wenige Auskünfte. Viele hätten einen verängstigten, misstrauischen Eindruck gemacht.
Human Rights Watch verlangt Aufklärung
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) forderte die mosambikanischen Behörden auf, den Fall zu untersuchen und nicht direkt abzuwiegeln: "Wir wissen, dass die Behörden den Ort des Geschehens besuchen wollten, aber bis heute ist nach unseren Informationen niemand dort gewesen. Das ist beunruhigend", sagt Zenaida Machado von HRW. Sie fürchtet, dass viel zu spät mit den Ermittlungen begonnen wird.
Neben der Region Gorongosa in der Provinz Sofala gelten auch die westlich angrenzenden Provinzen Manica und Tete als besonders umkämpft. Mehr als 10.000 Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen bereits aus Tete ins Nachbarland Malawi geflohen. Sie berichten von Folter, Vergewaltigungen und außergerichtlichen Hinrichtungen durch Sicherheitskräfte. Die Regierung Mosambiks bestreitet diese Vorwürfe.
Im Kern geht es bei dem Konflikt darum, dass die RENAMO die Wahlen von 2014 für gefälscht hält und mehr politische Teilhabe verlangt. Sie droht in den Provinzen, in denen sie die Mehrheit der Stimmen bekommen hat, die Macht gewaltsam zu übernehmen. Bisher herrschen laut Verfassung vom Präsidenten ernannte Provinzgouverneure, die alle der ehemaligen Befreiungsbewegung FRELIMO angehören. Sie regiert Mosambik seit der Unabhängigkeit 1975.
Die RENAMO schreckt nicht vor Angriffen auf Busse, Lastwagen und Privatfahrzeuge zurück, immer wieder gibt es dabei auch zivile Opfer. Ihre Gewalt rechtfertigt sie damit, dass die Regierung RENAMO-Mitglieder verfolgen und töten ließe. So wurde im Januar der Generalsekretär der Partei, Manuel Bissopo, schwer verletzt, als Unbekannte mit einem Maschinengewehr auf ihn schossen. Auch Parteichef Afonso Dhlakama war bereits Ziel mehrerer Attacken, entkam aber immer unverletzt.
Traumata des Krieges
Die Leichen in der Region Gorongosa wecken in Mosambik Erinnerungen an dunkle Zeiten. Der Nationalpark steht stellvertretend für die Schrecken des ersten Bürgerkrieges, bei dem sich RENAMO-Rebellen und FRELIMO-Regierung von 1976 bis 1992 bekämpften und das Land verwüsteten.
Das legendäre Hauptquartier der Rebellen, die "Casa Banana", lag in der Gorongosa-Region. Nach den 16 Jahren Bürgerkrieg waren in dem einst dicht von Elefanten, Nilpferden und Antilopen besiedelten Park kaum mehr Tiere übrig. Die Traumata dieser Zeit haben viele Mosambikaner bis heute nicht überwunden.
Am Mittwoch wird Portugals neuer Präsident Marcelo Rebelo de Sousa in Mosambik erwartet. Er möchte seinen Staatsbesuch nutzen, um für den Frieden zu werben. Bei einem Stopp auf seiner Hinreise hat er sich in Rom von der katholischen Laienbewegung Sant'Egidio über die Lage in Mosambik informieren lassen. Bereits 1992 hatten Vermittler von Sant'Egidio entscheidend zum Frieden zwischen RENAMO und FRELIMO beigetragen.
Mitarbeit: Arcénio Sebastião (Beira)