Politischer Mord in Mosambik?
4. März 2015"Gilles Cistac war ein mutiger Mensch", sagt Emildo Sambo, Chefredakteur der regierungskritischen Onlinezeitung "@Verdade", und fügt hinzu: "Sein Büro in der Universität stand uns Journalisten immer offen." Cistac kam Anfag der 1960er Jahre im französischen Toulouse zur Welt. Seit vielen Jahren lebte er in Mosambik, arbeitete als Jura-Professor an der Universität der Hauptstadt Maputo. 2010 hatte er die mosambikanische Staatsbürgerschaft angenommen.
Im Januar dieses Jahres hatte Cistac @Verdade ein langes Interview gegeben, das für viel Ärger sorgte. Nun ist er tot. Am Dienstagmorgen (03.03.2015) wurde der Verfassungsrechler Cistac von Unbekannten auf offener Straße mit vier Pistolenschüssen niedergestreckt. Die zwei größten Oppositionsparteien, RENAMO und MDM, halten den Mord für "politisch motiviert".
Verfassungsrechler Cistac gab regierungskritische Interviews
In dem Interview hatte Cistac darauf hingewiesen, dass es in der mosambikanischen Verfassung einen Artikel gebe, der es der oppositionellen RENAMO erlaube, autonome Regionen ins Leben zu rufen. "Diese Informationen sorgten für große Aufregung im ganzen Land", so Chefredakteur Sambo gegenüber der DW. Zahlreiche Drohanrufe und Hass-E-Mails erreichten die Redaktion der DW-Partnerseite @Verdade.
Von autonomen Regionen zu sprechen, das ist im Vielvölkerstaat Mosambik eine Provokation. Seit der Unabhängigkeit wird das Land zentralistisch von der Hauptstadt Maputo aus regiert. Die Gouverneure der elf Provinzen werden traditionell vom Präsidenten ernannt und gehörten bislang ausnahmslos der Regierungspartei FRELIMO an. Die größte Oppositionspartei RENAMO will das ändern: Sie will die Regionen, in denen sie bei der jüngsten Wahl die Mehrheit des Stimmen bekommen hat - Nampula, Zambézia, Sofala, Manica und Niassa - gegen den Willen der Zentralregierung - in "autonome Provinzen" mit selbständigen Regierungen umgewandeln, notfalls mit Gewalt.
Präsident Filipe Nyusi erklärte mehrfach die Bestrebungen seines Kontrahenten, Afonso Dhlakama von der RENAMO, für inakzeptabel: Diese seien eine Gefahr für die territoriale Integrität des Landes und noch dazu illegal. Doch Cistac widersprach: Öffentlich und in aller Deutlichkeit. Und: Er belegte seine Meinung, indem er aus der Verfassung zitierte. Die Möglichkeit der Schaffung politisch autonomer Regionen gehe eindeutig aus dem mosambikanischen Grundgesetz hervor, so der Verfassungsrechtler.
Mosambikanische Bevölkerung trauert um kritische Stimme
Der Mord an Gilles Cistac findet große Anteilnahme in der Bevölkerung. Hunderte Bürger legen Blumen, Kerzen und Kränze am Tatort in der Nähe des Cafés im schicken Polana-Viertel nieder, in dem der Professor jeden Morgen frühstückte.
Die Regierung bemüht sich um die Entschärfung der Situation. Ermittlungen würden laufen, der feige Mord werde aufgeklärt, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Der Polizeisprecher von Maputo, Arnaldo Chefo, räumte jedoch ein, es gebe "weder konkrete Anhaltspunkte noch Festnahmen".
Die meisten Mitglieder der Regierungspartei halten sich mit Kommentaren zum Mord an Cistac zurück. Teodoro Waty, Ex-Parlamentarier der regierenden FRELIMO, ist einer der Wenigen, der sich öffentlich äußert: "Cistac hat eine Meinung vertreten, die nicht der Doktrin unserer FRELIMO entsprach. Aber wir müssen die Positionen der anderen respektieren", so Waty gegenüber der DW. "In einem Rechtsstaat ist die Meinungsfreiheit ein wertvolles Gut."
Politische Lage droht sich zu verschärfen
Mosambik befindet sich seit Jahren in einer schweren politischen Krise, die durch die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vom 15. Oktober 2014 nicht gelindert wurde: Die seit der Unabhängigkeit ununterbrochen regierende FRELIMO gewann zwar offiziell die Wahlen mit großem Vorsprung, doch Wahlbeobachter stellten schwerwiegende Unregelmäßigkeiten fest.
Beobachter fürchten, dass sich nach dem Mord an Gilles Cistac die seit Jahren angespannte politische Lage in Mosambik weiter verschärft. "Die Spaltung des Landes Landes ist tiefgreifender denn je", sagt Custódio Duma, Präsident der Nationalen Kommission für Menschenrechte in Mosambik, und fügt hinzu: "Es ist ein großer Schock für uns alle und der Beweis, dass es in unserem Land auf keinen Fall so weiter gehen darf."