MoMA: Rassismus in der US-Städteplanung
20. Februar 2021Noch heute gibt es in der Stadtplanung und Architektur der USA zahllose Beispiele, wie People of Color von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen werden. Das hat eine lange Tradition: Ganze Städte wurden nach Ende des US-amerikanischen Bürgerkriegs im Rahmen der Jim-Crow-Gesetzgebung bewusst nach Rassentrennung aufgeteilt - jahrzehntelang. In der Zeit davor spiegelten die "Sklavenviertel" Jahrhunderte des Missbrauchs und der Unterdrückung in der Neuen Welt wider.
Das Museum of Modern Art (MoMA) in New York untersucht nun verschiedene architektonische Ansätze, die diesen Ungerechtigkeiten begegnen wollen. Die Ausstellung "Reconstructions: Architecture and Blackness in America" ("Rekonstruktionen: Architektur und Schwarzsein in Amerika") zeigt - so die Organisatoren - Ungerechtigkeiten und Ungleichgewichte auf, die "in fast jedem Aspekt des amerikanischen Designs eingebettet sind."
"Rassistische" Architektur
Wie die Rassentrennung US-amerikanische Städte bis in die Gegenwart hinein strukturiert, ist eine zentrale Frage der Ausstellung. Sie ist Teil der vor mehr als einem Jahrzehnt gestarteten Reihe "Issues in Contemporary Architecture" ("Probleme in Gegenwartsarchitektur"). Der Gedanke, dass Architektur "rassistisch" sein könnte, mag seltsam klingen, aber auch Bauwerk und Stadtplanung können schliessliche gesellschaftliche Spaltung und Hass fördern.
Ob im Südafrika der Apartheid-Ära oder im Umgang mit den Rohingya-Flüchtlingen im Bangladesch des 21. Jahrhunderts: Die Menschen haben Design, Konstruktion und Stadtplanung immer wieder genutzt, um Vorurteile - buschstäblich - zu zementieren und unterdrückte Bevölkerungsgruppen an den Rand der Gesellschaft zu drängen. Die USA bilden dabei keine Ausnahme.
Sekou Cooke, einer der zehn in der Ausstellung "Reconstructions" gezeigten Künstler, konstatiert dazu: "Von Sklavenquartieren und Farmsiedlungen im amerikanischen Süden über städtische Ghettos und Slums im Nordosten der USA nach der Einwanderung, bis hin zu öffentlichen Wohnungsbauprojekten in allen amerikanischen Städten, waren die vorherrschenden Räume schwarzer Besiedlung in diesem Land übrig gebliebene, wegwerfbare und charakterlose Umgebungen."
Hoffnung in hoffnungsloser Umgebung
In der Tat mögen die Stadtbezirke, die den Afroamerikanern direkt oder indirekt zugewiesen wurden, oft düster und hoffnungslos erscheinen. Cooke hebt jedoch unerwartete Möglichkeiten hervor, die sich aus solchen Widrigkeiten ergeben können. Mitglieder der schwarzen Gemeinschaft hätten dort aus der Unterdrückung heraus ihre eigenen kulturellen Orte geschaffen.
"Aus diesen entwerteten Räumen entstanden einige der wertvollsten kulturellen Beiträge Amerikas - der Blues, Jazz, die Harlem Renaissance und der Hip-Hop. Die schwarze Identität wurde nicht durch die Unterdrückung und Banalität dieser Umgebungen definiert, sondern setzte sich durch, um neu zu definieren, wie der öffentliche Raum konzipiert und genutzt wird", erklärt der Künstler.
Kulturelles Erwachen
Neben dem systemischen Rassismus präsentiert die Ausstellung hauptsächlich neu in Auftrag gegebene Arbeiten von Architekten, Designern und Künstlern, die "Wege erforschen, wie Geschichten sichtbar gemacht und Gerechtigkeit aufgebaut werden können."
Die Arbeiten zeigen, wie People of Color und marginalisierte Gemeinschaften "kulturelle Räume, Formen und Praktiken als Orte der Imagination, Befreiung, des Widerstands und der Verweigerung" nutzen können und genutzt haben.
Emanuel Admassu, der ursprünglich aus Äthiopien stammt und seit vielen Jahren in den USA seine Heimat gefunden hat, erklärt das genauer: "Wenn Architektur eine Disziplin ist, die den Raum einschließt und ihn messbar und ausbeutbar macht, dann existieren die räumlichen Praktiken, die in der Black-Radical-Tradition arbeiten, außerhalb der Architektur, als Verweigerungen der Messbarkeit."
Es seien "aggressive Neuinterpretationen" und radikale Konzepte notwendig, um die Plätze zu rekonstruieren, die schwarze Identitäten nicht nur in der Architektur, sondern auch in der Gesellschaft einnehmen sollen.
Ringen um Sichtbarkeit
Künstler wie Admassu und Cooke fordern "Blackness" letztlich nicht nur im kulturellen, sondern auch im physischen Raum. In der Einführung der Ausstellung heißt es: "Wenn die US-Regierung es nach der Sklaverei nicht geschafft hat, die historischen Ungerechtigkeiten gegenüber schwarzen Gemeinschaften - Gemeinschaften, die sie aktiv an den Rand zu drängen suchte - erfolgreich zu berücksichtigen und anzugehen, dann versucht 'Reconstructions', die Architekturdiskurse in Amerika wieder auf die Geschichte von Schwarzsein zu konzentrieren."
Jedes Projekt, das in "Reconstructions" gezeigt wird, schlägt eine Intervention vor, von "den Veranden von Miami und den Bayous von New Orleans bis zu den Autobahnen von Oakland und Syracuse."
Mario Gooden, ein weiterer in der MoMA-Ausstellung gezeigter Künstler, verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass "schwarzen Amerikanern das Recht und der Zugang zu öffentlichem Raum und öffentlichen Unterkünften im Laufe der Geschichte der Vereinigten Staaten systematisch verweigert wurde."
Verdrängungspraxis der Ersten Welt
Aber es ist nicht nur die Besetzung von architektonischem Raum - sei es ein Gebäude oder eine Straße -, die den räumlichen Aspekt der Unterdrückung verkörpert. Selbst im 21. Jahrhundert braucht man nicht weit zu schauen, um Beispiele für systemische Ungerechtigkeit zu entdecken, die in die US-amerikanische Stadtlandschaft eingebaut ist.
Viele urbane Stadtzentren in den USA wurden im Laufe der Jahre von der weißen Mittelschicht verlassen, die lieber in ihre mit Zäunen und Gärten geschützten Häuser in den Vorstädten flüchtete. Während Obdachlose und arme Schwarze in die zentralen Innenstädte zogen. Einzelne US-Städte versuchten, diese Milieus getrennt voneinander zu halten, als würden soziale Probleme und rassistische Ungerechtigkeiten gar nicht existieren.
Die texanische Megastadt Houston zum Beispiel hat ein klimatisiertes Tunnelsystem eingerichtet, damit Besucher und besser gestellte Einheimische nicht mit armen Verhältnissen der oberirdischen Stadt konfrontiert werden: Alle 95 Blöcke von Downtown Houston sind mit unterirdischen, sechs Meilen langen Tunnel miteinander verbunden. Die Eingänge zu diesen Tunnel werden von Sicherheitskräften bewacht, die - in vielen Fällen - auch Mitglieder verschiedener Gemeinschaften der People of Color sind.
Improvisation als Lebensstil
Versuche, zumindest einige Innenstädte zu sanieren und die Bevölkerung zu verjüngen, sind in vielen Fällen gescheitert. Die Gentrifizierung hat arme Menschen mit geringen oder ganz ohne Einkommen weiter verdrängt. Der Künstler Sekou Cooke sieht solche Praktiken als "gewaltsame Platzierung und Verdrängung" an - ein Armutszeugnis der USA.
"Reconstructions: Architecture and Blackness in America" wird vom 27. Februar bis 31. Mai 2021 im Museum of Modern Art (MoMA) in New York zu sehen sein. Die Schau musste aufgrund der COVID-19-Bestimmungen verschoben werden. Der Zutritt zum MoMA ist derzeit nur per Vorverkaufsticket möglich.