Mojca Erdmann
7. November 2011Zart, fast zerbrechlich wirkt Mojca Erdmann, als sie die Kantine der Metropolitan Opera in New York betritt. In Jeans und blau gemustertem T-Shirt schaut sie sich kurz um und setzt sich dann an einen freien Tisch. Beinahe unauffällig und gar nicht so, wie man sich eine Opernsängerin vorstellt. Kein großer Auftritt, keine ausladenden Gesten. Eine hübsche Frau, die sich in einem der berühmtesten Opernhäuser der Welt ganz offensichtlich wie zuhause fühlt. Kein Wunder: Mit Schauspielerei, Gesang und klassischer Musik ist Mojca Erdmann schon seit ihrer Kindheit vertraut.
"Ich glaube, ich sehe die Bühne mit einer großen Natürlichkeit", sagt die Sopranistin, die bereits als Grundschülerin im Kinderchor an der Hamburgischen Staatsoper mitsang. "Diesen Opernbetrieb schon von klein an mitzubekommen, macht viel aus." Besonders die Musik von Mozart habe es ihr angetan. "Sie hat schon als Kind einen ganz starken Zauber in mir ausgelöst", erzählt die Sängerin. "Ich liebe einfach seine Musik und bin sehr glücklich, dass ich eine Stimme habe, mit der ich Mozart singen kann."
Vom Dienstmädchen zur Bauernmaid
Schon oft hat Mojca Erdmann in Mozart-Opern mitgewirkt: in Baden-Baden, in Köln und in Salzburg zum Beispiel. Dabei hat sie bewiesen, dass sie nicht nur singen kann, sondern auch als Schauspielerin enorm wandlungsfähig ist. Aus der zierlichen jungen Frau wird dann eine temperamentvolle Furie. Oder ein gerissenes Dienstmädchen.
Wenn Mojca Erdmann jetzt an der Met die Zerlina in Mozarts "Don Giovanni" singt, schlüpft sie in die Rolle eines einfachen Bauernmädchens. "Zerlina hat einen direkten Zugang zu ihren Gefühlen", beschreibt Mojca Erdmann die junge Frau aus Mozarts Oper. "Eigentlich ist sie mit ihrem Jugendfreund Masetto zusammen - aber dann steht plötzlich Don Giovanni vor ihr. Und der versucht, sie zu verführen." Die größte Herausforderung für Mojca Erdmann? "Nicht so viel denken", sagt sie und lacht. Ganz offensichtlich hat sie sich sehr intensiv mit ihrer Rolle auseinandergesetzt, liegt ihr doch Mozart sehr am Herzen. Im Frühjahr 2011 hat sie mit "Mostly Mozart" ihm zu Ehren ihr erstes Solo-Album veröffentlicht.
Auch mal nein sagen
Bereits während ihres Studiums in Köln und Berlin wurde die junge Sängerin fest von der Komischen Oper Berlin engagiert. Für kleine Rollen, betont sie. Denn für professionelle Sänger gebe es vor allem eine Herausforderung: zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Rollen anzunehmen. "Das heißt auch, sich mal zu trauen, nein zu sagen", erklärt sie, "selbst wenn man das Gefühl hat: Das ist eine Rolle für mich, aber es ist vielleicht ein bisschen früh."
2006 debütierte Mojca Erdmann bei den Salzburger Festspielen mit der Titelpartie von Mozarts Zaide. Im folgenden Jahr war sie dort wieder zu Gast und wurde von Publikum und Presse als "Überraschung der Festspiele" gefeiert. Ihre Stimme und ihr Talent begeisterten die Kritiker. Auch die Metropolitan Opera wurde auf sie aufmerksam und lud sie zum Vorsingen ein. Seit September 2011 tritt sie nun regelmäßig in New York auf.
Privatleben bleibt auf der Strecke
Ob zeitgenössische Musik oder beliebte Klassiker - über mangelnde Engagements kann Mojca Erdmann nicht klagen. Im Gegenteil: Sie weiß schon jetzt, wo sie 2014 und 2015 auftreten wird. Darüber sprechen darf sie noch nicht. Aber eins steht schon fest: Die Staatsoper Berlin bietet ihr im kommenden Jahr die Rolle der Lulu in der gleichnamigen Oper von Alban Berg an, dirigiert von Daniel Barenboim.
"Ich reise sehr viel", erzählt Erdmann. "Und ich bin glücklich, dass ich mit vielen interessanten Leuten zusammenkomme und so viel kennenlerne", schwärmt sie. "Aber es ist schwierig, Freundschaften aufrecht zu erhalten. Oder meine Familie zu sehen. Das ist eigentlich der größte Verzicht."
Sich Zeit nehmen, Entscheidungen reifen lassen - das ist Mojca Erdmann wichtig. "Ich hatte nie ein ganz bestimmtes Ziel, das ich unbedingt erreichen wollte", antwortet sie auf die Frage, ob mit ihrem Debüt an der Met ein Traum in Erfüllung gehe. "Es ist natürlich eine große Ehre, an der Met engagiert zu werden, und ich habe mich irrsinnig gefreut." Vor allem aber sei ihr wichtig, das, was sie gerade tue, so gut zu machen wie irgend möglich - egal, ob es sich dabei um ein großes Konzert oder einen Hausmusikabend bei Freunden handele.
Autorin: Anne Allmeling
Redaktion: Suzanne Cords