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Politik

"Mogelpackung": Truppenbesuch in Konya

8. September 2017

Nach dem Besuch des Luftwaffenstützpunktes Konya fordert der Linken-Politiker Alexander Neu im DW-Gespräch, dass die Bundesregierung "jetzt Farbe bekennt und den Abzug aus Konya realisiert."

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Alexander Neu (Die Linke), MdB
Bild: Gerd Seidel via Wikimedia Commons

Deutsche Welle: Zuerst wurde der Besuch komplett abgesagt. Nun durften Sie sich doch gemeinsam mit anderen Abgeordneten unter der Führung der NATO ein Bild von den Einsatzbedingungen im Luftwaffenstützpunkt Konya in der Türkei machen. Gegenüber der dpa sagten Sie im Anschluss, Ihr Besuch sei "entspannt" gewesen. Können Sie das nochmal näher erläutern?

Alexander Neu: Ich würde eher sagen - es war professionell. Wir sind auf dem Stützpunkt gelandet und wurden dann von den türkischen Generälen abgeholt und in einen Raum geführt. Dort gab es dann ein halbstündiges Briefing, es war distanziert-professionell. Dann ging es zu den Bundeswehrsoldaten. Bei den deutschen Soldaten haben wir auch die politische Situation angesprochen. Die deutschen Soldaten haben sich weitestgehend zurückgehalten mit einer eigenen Bewertung.

Türkei Konya - Militärbasis
Militärbasis Konya in der Türkei: Besuch nur mit der NATOBild: DHA

Als Ergebnis kann man sagen, dass wir die Kontrolle als Abgeordnete des deutschen Bundestags durchziehen konnten. Aber man muss natürlich auch sagen, dass das Format völlig unakzeptabel ist. Der Bundestag muss seine Parlamentsarmee besuchen können - und das nicht über das Format NATO-Einladung  - sondern direkt in dem Entsendestaat. Insofern ist das eine Mogelpackung gewesen, mit der die CDU sehr gut leben kann. Die SPD ist sich noch nicht sicher, ob sie das alles gut findet oder auch nicht. Wir sagen: Das kann nicht so weitergehen. Wir brauchen die Möglichkeit, die Bundeswehr in den Entsendestaaten zu besuchen, ohne dass wir von dem Staat gehindert werden, in der die Bundeswehr stationiert ist.

Sie sagen, es war inakzeptabel, dass der Besuch unter der Leitung der NATO stattgefunden hat. Welchen Einfluss hatte das denn auf die Art des Besuchs?

Die türkische Regierung hat das als eine Art Kompromiss geschluckt. Aber es ist natürlich so, dass Frau Gottemoeller, stellvertretende Generalsekretärin der NATO, Teil der Verwaltung ist. Und wir sind eben auf Einladung einer Verwaltungsangestellten - um es mal überspitzt zu sagen - dorthin geflogen. Und das ist natürlich nicht akzeptabel. Es ist auch die Frage, ob wir künftig einreisen können. Auch diese Frage wurde nicht eruiert. Da bin ich auch sehr skeptisch. Insofern ist die Türkei als Stationierungsland der Bundeswehr dauerhaft nicht weiter tragbar.

Sie stellen also die Forderung auf, dass die Soldaten aus Konya abgezogen werden sollen?

Wir haben diesem Anti-IS-Mandat aus verfassungs- und völkerrechtlichen Gründen niemals zugestimmt. Es ist auch eine Klage anhängig beim Verfassungsgericht. Aber selbst wenn man unbedingt daran festhalten möchte, ist eine Verlegung der Maschinen nach Griechenland durchaus möglich. Dort ist die Infrastruktur gegeben. Das hieße natürlich, dass es ein paar Flugminuten mehr zur Aufklärung bedarf. Aber ich glaube, die Bundesregierung möchte das nicht, um die türkischen Partner nicht zu düpieren. Umgekehrt macht sich die Regierung Erdogans wenig daraus, die Bundesregierung ständig zu düpieren. Deswegen fordere ich von der Bundesregierung, dass sie jetzt Farbe bekennt und den Abzug aus Konya realisiert.

Bei dem EU-Außenminister-Treffen am Freitag hat man sich offen gegenüber der Türkei gezeigt. Wie bewerten Sie das?

Über die Motivationslage der Staaten, die eine Entspannung mit der Türkei anvisieren, kann man spekulieren. Ich glaube, ein Grund ist die Angst der osteuropäischen Staaten, dass das EU-Türkei-Abkommen platzen könnte und damit noch mehr Menschen nach Europa kommen könnten. Vor diesem Hintergrund wollen viele osteuropäische Staaten mit der Türkei ein weniger angespanntes Verhältnis haben, als es Deutschland gerade zur Türkei pflegt.

Sie sagen, Sie sehen keine Deeskalation? Wie würden Sie derzeit das Verhältnis von Ankara und Berlin nach Ihrem Besuch beschreiben? 

Ich würde sagen, dass Verhältnis befindet sich nach wie vor im freien Fall. Ich sehe noch nicht den Boden. Aus Ankara kommen ja stets neue Provokationen Richtung Berlin. Jüngst kam ja auch die Aufforderung bestimmte Parteien nicht zu wählen. Die Linke wurde nicht genannt, das war bestimmt ein Versehen. Aber ich sehe keine Deeskalation von der türkischen Seite.

Alexander Neu (Die Linke) ist Bundestagsabgeordneter und Obmann im Verteidigungsausschuss. Sein Schwerpunkt liegt auf den Internationalen Beziehungen und der Friedenspolitik.

Das Gespräch führte Stephanie Höppner.

 

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft