Modi macht Peking Avancen
14. Mai 2015Der erste Chinabesuch des indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi (14. bis 16.05.2015) gibt Indien Gelegenheit, seine schwierigen Beziehungen zu China zu verbessern. Chinas Staatspräsident Xi Jingping war bereits im September 2014 in Indien. Dabei besuchte er unter anderem Modis Wahlkreis im Bundesstaat Gujarat. Als Geste wird Modi seinen Besuch in der Heimatprovinz von Xi, Shaanxi, beginnen, bevor er nach Peking und Shanghai weiterreist.
Beim geplanten Gespräch mit der chinesischen Führung will Modi eine Reihe von bilateralen und internationalen Themen ansprechen. Auf seinem Account des chinesischen Kurznachrichtendienstes Weibo schrieb Modi, er wünsche sich "Stabilität, Fortschritt und Prosperität" in Asien.
Modi sei der chinafreundlichste Ministerpräsident Indiens seit vielen Jahren, glaubt Gauri Khandekar, Leiter des Forschungsprogramms in der Denkfabrik FRIDE. "Er will einen Neustart der Beziehungen zu China."
Asiatische Riesen
China und Indien beheimaten zusammen mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung, sind Atommächte und Wirtschaftsgiganten. Auf globaler Bühne streben beide Länder ein größeres Mitspracherecht an. Obwohl beide Länder politisch sehr verschieden sind - Indien gilt als größte Demokratie der Welt, China wird autoritär von der Kommunistischen Partei regiert - sehen sie sich mit ähnlichen Problemen konfrontiert: Überbevölkerung, zunehmende Umweltverschmutzung und Korruption. "China und Indien teilen viele Herausforderungen", sagt Gareth Price, Analyst am britischen Chatham House in London.
Beide Länder verzeichneten in den vergangenen Jahren ein rasantes Wirtschaftswachstum. 2014 erreichte die Handelsbilanz zwischen den beiden Aufsteigern rund 70 Milliarden US-Dollar. In diesem Jahr haben Peking und Neu Delhi die Zielmarke auf 100 Milliarden US-Dollar gesetzt. Allerdings importiert Indien deutlich mehr Waren aus China als es dorthin exportiert.
Tief sitzendes Misstrauen
Die bilateralen politischen Beziehungen zwischen beiden Ländern sind von großem Misstrauen geprägt. Um die 2500 Kilometer lange Grenze wird seit Jahrzehnten gestritten. 1962 gab es einen kurzen, blutigen Krieg. Die Territorialstreitigkeiten betreffen den indischen Bundesstaat Arunachal Pradesh, der südlich von Tibet liegt, und auf den China Ansprüche anmeldet. Indien wiederum beansprucht Aksai Chin, das an Kaschmir grenzt und von China verwaltet wird.
Trotz allem gelang es beiden Ländern nach dem Krieg von 1962, den Frieden zu bewahren. Es gab in den vergangenen Jahren nur kleinere Zwischenfälle. Allerdings gebe es bis heute immer wieder erhebliche Missverständnisse. "Sie werden verursacht durch eingeschränkte direkte Kontakte, kulturelle Unterschiede, wachsenden Nationalismus in beiden Ländern und das Streben nach mehr Einfluss", sagt Chietigj Bajpaee vom King's College in London.
Vorbild China?
Modi hatte die Wahlen 2014 mit dem Versprechen gewonnen, die indische Wirtschaft weiter voran zu bringen. Er sagte, er könne sich vorstellen, das chinesische Modell zu adaptieren, um Indiens Infrastruktur und Fertigungskapazitäten zu erhöhen. Auch wolle er chinesische Investoren anlocken, die zwischen 2000 und 2014 nur magere 400 Millionen US-Dollar in Indien investiert haben. Xi Jinping hatte auf seiner Reise 2014 bereits angekündigt, die Investitionen in den nächsten fünf Jahren auf 20 Milliarden zu erhöhen.
Beide Ländern streben einen leichteren Marktzugang zum jeweils anderen Land an. Indien exportiert vor allem Rohstoffe nach China, während aus China vor allem höherwertige Produkte importiert werden. "Eine Korrektur würde es indischen Pharma-, Agrar- und IT-Firmen, die einen Kostenvorteil gegenüber chinesischen Konkurrenten haben, leichter machen, auf dem chinesischen Markt zu agieren", so Bajpaee. Auch chinesische Unternehmen wünschen sich einen verbesserten Zugang zum Milliardenmarkt Indien.
Außerdem habe Peking ein Interesse daran, mit Neu Delhi bezüglich der globalen Wirtschaft enger zusammenzuarbeiten, um eine Reform des internationalen Finanzsystems zu erwirken, wie der Analyst Liu Zongyi vom Shanghaier Institut für Internationale Studien (SIIS) unterstreicht.
Geopolitischer Wettbewerb
Abgesehen von konvergierenden Wirtschaftsinteressen wird es während Modis Besuch um die geopolitische Konkurrenz der beiden Länder gehen. Indien blickt mit Misstrauen auf Chinas enge Partnerschaft mit dem Erzrivalen Pakistan und wünscht sich, dass China "die Kooperation mit Pakistan beendet - oder Islamabad wenigstens überzeugt, gegen den Terrorismus in Kaschmir vorzugehen", so Liu.
China wiederum ist kritisch, was Indiens Partnerschaften mit den USA, Japan und Vietnam betrifft, wie Liu erklärt: "China will keine indische Einmischung mit Blick auf die Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen und Ostchinesischen Meer." Trotz aller Schwierigkeiten sind sich die Experten einig, dass beide Länder Wege zueinander suchen, um ihre globalen Ambitionen zu befördern.