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Moderne Sklaverei vor allem in Asien

Srinivas Mazumdaru31. Mai 2016

Sklaverei in unserer Zeit hat viele Formen, rund 46 Millionen Menschen sind laut einer Studie der australischen "Walk Free Foundation" betroffen. Vor allem in Asien, wie Fiona David gegenüber der DW erläutert.

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Kinderarbeit in einer Ziegelfabrik (Foto: DW)
Bild: DW/O. Didar

Deutsche Welle: Laut dem Global Slavery Index 2016 lebt die deutliche Mehrheit der Sklaven unserer Zeit in Asien. Was ist der Grund dafür?

Fiona David: Wir schätzen, dass sich zwei Drittel der etwa 46 Millionen Menschen, die unter sklavereiähnlichen Bedingungen leben, in Asien befinden. Es handelt sich dabei etwa um Zwangsarbeiter in Ziegeleien, Bettelkinder in Afghanistan und Indien, Menschen, die in Schuldknechtschaft ("bonded labour") auf dem Land und im Textilsektor arbeiten. Aufgrund seiner riesigen Bevölkerung und seiner Integration in die globalen Wertschöpfungsketten kann die asiatisch-pazifische Region zu sehr geringen Arbeitskosten die Produkte und Dienstleistungen hervorbringen, die wir alle konsumieren.

Unter welchen Bedingungen arbeiten und leben diese Menschen?

Unter elenden Bedingungen. Ein aktueller Fall in Indionesien mag als Beispiel dienen. Die indonesische Regierung hat über 2000 Männer von dem entlegenen Inseldorf Benjinia im äußersten Osten des Landes befreit. Einige dieser Männer waren jahrelang als Gefangene auf Fischerbooten, wo sie unbezahlte Sklavenarbeit leisten mussten und nach eigener Aussage misshandelt und unzureichend ernährt wurden. Als die indonesischen Beamten auf der Insel eintrafen, fanden sie einige der Männer eingesperrt in Käfigen vor. Es geht also nicht nur um vorenthaltenen Lohn, sondern um Ausbeutung und gewaltsame Freiheitsberaubung.

Laut Ihrem aktuellen Bericht sind in Indien mit 18,3 Millionen die meisten modernen Sklaven. 2014 betrug die Zahl 14,29 Millionen. Wie erklärt sich dieser Anstieg?

Für unseren jüngsten Bericht haben wir Zufallsstichproben und persönlich-mündliche Umfragen ausgewertet, und zwar in 15 der 29 indischen Bundesstaaten. Die Umfragen wurden in acht Sprachen durchgeführt. Wir konnten somit Erkenntnisse über die Situation einer Bevölkerungsgruppe gewinnen, die etwa 80 Prozent der indischen Gesamtbevölkerung entspricht.

Insofern würde ich nicht sagen, dass die absolute Zahl der in Sklaverei lebenden Einwohner Indiens gestiegen ist. Wir haben vielmehr ein deutlicheres Bild von der Lage, weil unsere Umfragedaten größere Ausagekraft haben. Zuvor mussten wir auf sekundäre Quellen zurückgreifen, jetzt basieren unsere Schätzungen auf persönlich-mündlichen Umfragen, darunter über die Erfahrungen der Befragten mit Zwangsarbeit und Zwangsheiraten.

Fiona David von der Walk Free Foundation (Foto: Walk Free Foundation/R.-O. de Lejarazu Machin)
Fiona David, Executive Director der australischen Walk Free Foundation, die den Global Slavery Index erstelltBild: Walk Free Foundation/R.-O. de Lejarazu Machin

Mit welche Maßnahmen will die indische Regierung das Problem anpacken?

Positiv ist, dass die indische Regierung sich schon seit Jahren ernsthaft mit diesem Thema befasst. Schon seit Jahrzehnten sind einschlägige Gesetze in Kraft, so etwa seit den 70er Jahren zur Schuldknechtschaft. Aber jetzt geht Indien ernsthaft daran, die bis jetzt ergriffenen Maßnahmen zu überprüfen und zu verbessern, sei es duch die Novellierung von Gesetzen, sei es durch die Verbesserung des Ablaufs von Rettungsmaßnahmen, sei es durch Entschädigungsregelungen, damit die Opfer von Menschenhandel und Schuldknechtschaft finanzielle Unterstützung erhalten.

Und was tun andere asiatische Regierungen?

Einige ergreifen sehr positive Maßnahmen. Als die Sache mit den gefangenengehaltenen Fischern bekannt wurde, war die indonesische Regierung sehr schnell zur Stelle, obwohl die betroffenen Männer aus Myanmar kamen und auf thailändischen Booten arbeiteten. Die Regierung rettete sie, holte sie von der Insel, sorgte gemeinsam mit den beteiligten Unternehmen dafür, dass sie ihen Lohn erhielten, führte sie in die Heimat zurück und sorgte für ihre Sicherheit.

Es gibt aber auch Regierungen, die nichts tun, um das Problem anzupacken. Sie sind selbst Teil des Problems, so wie die nordkoreanische Regierung. Sie unterhält nicht nur Lager mit Zwangsarbeitern im Inland, sondern zwingt Staatsbürger im Ausland, ihre Einkünfte an das Regime zu überweisen. Diese Arbeitskräfte wissen, dass sie ihre Familien gefährden würden, sollten sie sich weigern.

Welche Hilfe brauchen asiatische Länder, um solche Praktiken der Ausbeutung auszumerzen?

Vor allem Konsumenten und Unternmehmen können hier ihren Einfluss geltend machen. Keiner will gerne Sachen tragen, die unter unmenschlichen Bedingungen hergestellt wurden, oder Fisch essen, der von Sklaven gefangen wurde, oder in einem Restaurant sitzen, wo Nordkoreaner gegen ihren Willen arbeiten. Wir müssen also entsprechende Informationen zur Verfügung stellen, damit die Konsumenten ihre Entscheidungen treffen können.

Aber auch die Regierungen, vor allem die der zehn größten Volkswirtschaften der Region, darunter China, Japan und Indien, müssen mehr tun. Sie müssen Mechanismen ins Leben rufen, die internationale Unternehmen dazu zwingen, ihre gesamte Lieferkette auf das Vorkommen von Sklaverei und Zwangsarbeit zu überprüfen.

Fiona David ist Executive Director der australischen Walk Free Foundation, die den Global Slavery Index erstellt.