Mladić bleibt für immer in Haft
8. Juni 2021Ratko Mladić war bereits 2017 wegen seiner Verantwortung für das Massaker von Srebrenica sowie weiterer Kriegsverbrechen im Bosnien-Krieg zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er legte Berufung gegen die Verurteilung ein und forderte einen Freispruch.
Ratko Mladić gilt als einer der Hauptverantwortlichen für Kriegsverbrechen und Völkermord während des Bosnien-Krieges, in dessen Verlauf etwa 100.000 Menschen getötet und 2,2 Millionen Menschen in die Flucht getrieben wurden. In der bosnischen Stadt Srebrenica hatten bosnisch-serbische Soldaten 1995 mehr als 8000 muslimische Jungen und Männer ermordet. Mladić weist bis heute jede Verantwortung dafür zurück.
Internationale Erleichterung nach Urteilsverkündung
US-Präsident Joe Biden begrüßte das Gerichtsurteil als "historisch". Es zeige, dass "diejenigen, die schreckliche Verbrechen verüben, zur Rechenschaft gezogen werden".
Bundesaußenminister Heiko Maas zeigte sich "erleichtert" über die Gerichtsentscheidung. Er hoffe, dass diese "ein gewisser Trost" für die Opfer und Hinterbliebenen sei.
Die Kommissarin für Menschenrechte bei den Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, erklärte, das Urteil illustriere "die Entschlossenheit des internationalen Justizsystems, Rechenschaft durchzusetzen, egal wie lange es dauert - in Mladićs Fall fast drei Jahrzehnte seit seinen abstoßenden Verbrechen".
Mütter einiger der damals getöteten Männer und Jungen warteten während der Urteilsverkündung vor dem Gericht in Den Haag. Es handele sich um einen "historischen Tag, nicht nur für uns Mütter, sondern für den gesamten Balkan, Europa und die Welt", sagte Munira Subasic vom Verband der Mütter von Srebrenica. Mladic sei "ein Monster", der seine Taten selbst 26 Jahre später noch immer nicht bereue.
Auch Serge Brammertz, Chefankläger beim Strafgerichtshof in Den Haag, äußerte sich im Interview der Deutschen Welle zufrieden mit dem Urteil. "Damit ist nun ein Kapitel abgeschlossen", stellte er fest und wies darauf hin, "dass es immer noch mehr als 4000 Personen im ehemaligen Jugoslawien gibt, die noch untersucht und strafrechtlich verfolgt werden müssen". Zugleich äußerte Brammertz die Hoffnung, dass mit dieser endgültigen Entscheidung in Bezug auf Srebrenica "alle in der Region die Wahrheit über den Völkermord in Srebrenica akzeptieren werden."
"Der Schlächter von Bosnien"
Zu Beginn des Kroatien-Krieges im Juni 1991, als sich viele in Kroatien lebende Serben gegen die Unabhängigkeit der bisher jugoslawischen Teilrepublik auflehnten, wurde Mladić, damals Oberst der jugoslawischen Armee, Kommandeur des 9. Korps in Knin nahe der Grenze zu Bosnien. Seine Aufgabe: serbische Milizen zu organisieren und sie im Kampf gegen die kroatische Unabhängigkeit zu unterstützen. Unter seinem Kommando wurden die Städte Šibenik und Zadar bombardiert und die kroatische Bevölkerung aus vielen Ortschaften vertrieben.
Im Mai 1992 wurde Mladić nach Bosnien und Herzegowina versetzt. Inzwischen zum General aufgestiegen, wurde er Kommandeur der serbischen Truppen dort und kämpfte dafür, eine Landverbindung zwischen den von seinen Soldaten eroberten Gebieten im Osten und Westen des Landes zu schaffen. Die Belagerung und den Beschuss der Hauptstadt Sarajevo mit Artillerie befahl Mladić persönlich.
523 Prozesstage
Im Mai 2011 wurde Mladić in Serbien verhaftet - der internationale Druck auf die damalige Regierung in Belgrad war zu groß geworden. In dem 523 Tage dauernden Prozess gegen den "Schlächter von Bosnien" wurden fast 600 Zeugen angehört.
Er trage immer eine Giftpille mit sich, hatte Mladić seinen Verfolgern ausrichten lassen, als er noch auf der Flucht war. Lebend würde man ihn nicht fassen. Geschluckt hat er diese Pille nicht; inzwischen hat er drei Schlaganfälle im Gefängnis überstanden.
Seine Tochter dagegen beging 1994, noch vor Ende des Krieges, Selbstmord. Es heißt, dass sie die Verbrechen, die ihrem Vater in Kroatien und Bosnien vorgeworfen werden, nicht ertragen konnte. Sie schoss sich in den Kopf - mit jener "Zastava"-Pistole, die ihr Vater als bester Kadett seines Jahrgangs einst von der jugoslawischen Militärakademie erhalten hatte.
hf/uh (dpa, afp, DW)