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Politik

Mit Volksentscheiden gegen die Populisten?

27. November 2016

Justizminister Maas und Bundespräsident Gauck sind in einen sonntäglichen Meinungsstreit über das Für und Wider von mehr direkter Demokratie eingetreten.

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Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) (Foto: picture-alliance/dpa/M. Kappeler)
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD)Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Bundesjustizminister Heiko Maas hat sich für die Einführung bundesweiter Volksentscheide ausgesprochen. Diese sollten auch bei bundespolitischen Fragen möglich sein, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Dabei dürften Fragen nicht ignoriert werden aus Sorge vor unangenehmen Antworten der Menschen. "Wer Volksentscheide wolle, muss auch Fragen der Europa- und Migrationspolitik zulassen", sagte der Minister. Die Gesellschaft könne solche Debatten nicht den Populisten überlassen. Maas sieht in Volksentscheidungen auch ein Mittel gegen wachsende "Politikverdrossenheit und auch Politikfeindlichkeit".

AfD für bundesweite Volksentscheide

Dagegen lehnt Bundespräsident Joachim Gauck Volksentscheide auf Bundesebene ab. Er sehe diese Form der direkten Demokratie "mittlerweile sehr skeptisch", sagte Gauck der "Welt am Sonntag". So finde er es "problematisch, komplexe Fragen in die Entscheidung Ja oder Nein zu pressen". Die repräsentative Demokratie setze hingegen auf die Arbeit von Abgeordneten, die sich oft über Jahre systematisch mit etlichen Themen beschäftigen. Der Zufall und Stimmungen spielten dabei eine eher geringe Rolle.

Zudem bestehe das Risiko, dass eine gut organisierte Minderheit bei Volksentscheidungen "einen viel größeren Einfluss erlangt" als über parlamentarische Wahlen, kritisierte Gauck. Die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene zählt zu den zentralen Forderungen der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD).

Bundespräsident Joachim Gauck (Foto: picture-alliance/dpa/W. Kumm)
Bundespräsident Joachim Gauck Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Weimarer Republik als abschreckendes Beispiel

Volksinitiativen, Bürgerbegehren und Volksentscheide sind Mittel einer direkten Demokratie. Während in Ländern wie der Schweiz das Volk häufig auch bei nationalen politischen Fragen direkt entscheiden kann, sieht das Grundgesetz in Deutschland keine bundesweiten Volksentscheide vor. Eine Ausnahme nennt das Grundgesetz in Artikel 29 für eine Neugliederung des Bundesgebietes, jedoch nur für die "betroffenen Länder", aus deren Gebieten ein neues oder neu umgrenztes Land entstehen soll.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Erfahrungen der gescheiterten Weimarer Republik legten die Väter und Mütter des Grundgesetzes das neue politische System bewusst als repräsentative Demokratie an. In den Bundesländern sind die Instrumente direkter Demokratie dagegen auf Landes- und kommunaler Ebene vorgesehen. Per Volksentscheid, dem das Volksbegehren vorausgeht, können die wahlberechtigten Bürger verlangen, ein Landesgesetz oder die Landesverfassung zu ändern oder ein neues Gesetz einzuführen. In einer Reihe von Ländern gibt es zudem die Volksinitiative, auch Bürgerantrag oder Einwohnerantrag genannt. Damit wird der Landtag aufgefordert, sich mit einem bestimmten Thema zu befassen. Die Regelungen sind jedoch von Land zu Land unterschiedlich. So variiert die Zahl der benötigten Unterstützerunterschriften für ein Volksbegehren ebenso wie die erforderliche Mindestbeteiligung von Stimmberechtigten für den Volksentscheid.

sti/as (afp, dpa, rtr)