Mit Social Media Richtung Autokratie
9. Januar 2022Social Media sei ein Werkzeug, das Politiker nutzen, um die öffentliche Meinung zu manipulieren, Desinformationen zu verbreiten und die Opposition einzuschüchtern - das warfen Twitter und Facebook (Meta) der Regierung von Uganda vergangenes Jahr vor.
Das ostafrikanische Land unter Präsident Yoweri Museveni hat traurigen Ruhm erlangt: Aktuell aktuell sind fast 440 regierungsnahe ugandische Social-Media-Accounts von den Anbietern gesperrt. Vorwurf: Propaganda, Fälschungen, Fake News.
So deaktivierte Facebook Anfang 2021 mehr als 20 Konten der Regierungspartei National Resistance Movement (NRM), deren Vorsitzender Museveni ist. Zudem gab der Social-Media-Riese an, dass das Informationsministerium mit "gefälschten und doppelten Konten" Propaganda betrieben hätte.
Präsident Musevenis Pressesprecher Don Wanyama, dessen Facebook- und Instagram-Konto ebenfalls gesperrt wurden, beschuldigte damals Facebook, die Wahl Anfang 2021 beeinflussen zu wollen: "Schande über die ausländischen Mächte, die glauben, sie könnten Uganda eine Marionettenregierung aufzwingen, indem sie die Online-Konten von NRM-Anhängern deaktivieren", schrieb er auf Twitter.
Auch Twitter zog Anfang Dezember nach: Von weltweit fast 3500 Accounts, die regierungsfreundliche Propaganda verbreiteten und deshalb geschlossen wurden, gehörten 11 Prozent, konkret 418, Ugandas Regierungspartei NRM. "In den meisten Fällen wurden die Konten wegen verschiedener Verstöße gegen unsere Richtlinien zur Plattformmanipulation und Spam gesperrt", so Twitter.
Ein Werkzeug für autokratische Führer
Die Verbreitung von Falschinformationen durch politische Organisationen in den sozialen Medien nimmt zu, so das Ergebnis einer Analysedes Oxford Internet Institute. Demnach sind 2017 in 28 Ländern Desinformationskampagnen durchgeführt worden - drei Jahre später waren es schon 81.
"Die Verbreitung von Fake News ist ein echtes Problem", so der ugandische Menschenrechtler Nicholas Opiyo im DW-Interview. "Diese Methode gewinnt in Ländern, deren Führer verzweifelt um ihr Image und ihren Ruf in den sozialen Medien ringen, immer mehr an Bedeutung." Nach Angaben von Opiyo kommen dabei Bots und Trolle zum Einsatz, also Computerprogramme und bezahlte Nutzer, die mithilfe gefälschter Accounts Soziale Medien mit regierungsgenehmen Posts fluten.
Beispiele lassen sich auch in anderen afrikanischen Ländern finden: In Tansania entfernte Twitter 268 Konten, auf denen "böswillige Berichte" verbreitet wurden, die sich gegen Mitglieder und Unterstützer der tansanischen Menschenrechtsorganisation Fichua Tanzania und deren Gründer richteten.
Ein anderes Beispiel sei Nigeria, so Franziska Ulm-Düsterhöft, Afrika-Expertin bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in Deutschland: "Präsident Muhammadu Buhari hatte im Juni die Aktivisten der End-SARS-Bewegung kritisiert und dazu aufgerufen, gegen sie vorzugehen. Twitter löschte diesen Aufruf und wurde daraufhin von der Regierung suspendiert."
End SARS ist eine von Jugendlichen getragene Bewegung. Ein Ziel war die Abschaffung von Nigerias umstrittener Polizeieinheit "Special Anti-Robbery Squad" (SARS). Außerdem fordert die Bewegung eine besseren Regierungsführung in Westafrikas größter Demokratie fordert.
Social-Media-Einschränkungen sind eine "Überreaktion"
Zurück zum Fall Uganda: Die Regierung in Kampala versucht offenbar, indem sie Steuern auf mobile Daten erhebt, es den Ugandern immer schwerer zu machen, online zu sein. Auch die zeitweise Abschaltung Sozialer Medien gehört zum Politrepertoire der Regierung. So geschehen im Vorfeld der Präsidentenwahl vor einem Jahr.
Damals erklärte Außenminister Sam Kutesa zunächst, dies sei geschehen, weil Facebook und Twitter Regierungskonten abgeschaltet hätten. Nach der Wahl am 16. Januar sagte Kutesa jedoch, die Maßnahme sei "ein notwendiger Schritt, um die bissige Sprache und die Aufstachelung zur Gewalt zu stoppen".
Angelo Izama, politischer Berater und Journalist aus Uganda, bewertet dies als "Überreaktion". "Die politische Führung, besonders hier in Subsahara-Afrika, stammt aus einer Generation, in der die Gesellschaft so strukturiert war, dass das Kind dem Vater nicht widerspricht. Tat es das doch, wurde es bestraft. Und so ist das Verhältnis zwischen Staat und Bürger."
Doch inzwischen habe sich die Gesellschaft gewandelt. Insbesondere junge Leute seien jetzt mithilfe des Internets in der Lage, sofort auf Gesetz und Verbote zu reagieren, ihre Meinung über die Leistung der Regierung oder privater Einrichtungen kundzutun.
Trojaner im Trend
Social-Media-Shutdowns fanden 2021 neben Uganda auch in Burkina Faso, Südsudan, Senegal, Kongo, Sambia, Tschad, Äthiopien, Nigeria und im Sudan statt. Die Gründe waren politisch: Proteste, Wahlen und politische Unruhen.
Aus Sicht von Angelo Izama ist eine Besserung so schnell nicht in Sicht: "Es wird eine Weile dauern, bis die Regierenden verstehen, dass die jungen Leute heute erwarten, dass sie sich hinsetzen und mit ihnen reden", so der Politikberater. "Es wird auch dauern, bis die Regierenden nicht mehr Überwachung und Kontrolle an Mittel gegen Kritik einzusetzen."
Doch manche Regierungen setzen sogar gezielt auf die Überwachung ihrer Bürger, indem sie deren Internetaffinität ausnutzen: "Spionage-Softwares werden von Regierungen gekauft und gezielt auf Smartphones installiert", so Amnesty-Expertin Ulm-Düsterhöft.
"Das haben wir im vergangenen Jahr etwa für Togo und Ruanda dokumentiert. Apps werden über E-Mail-Anhänge heruntergeladen, dann installiert sich die Software und greift auf Mikrofone, Kameras und auf die sozialen Medien zu." Daher warnt Franziska Ulm-Düsterhöft, keine unbekannten Apps herunterzuladen, sich Social-Media-Accounts genau anzusehen und sich bei Zweifeln an die App-Betreiber zu wenden.
Ob es um die Abschaltung des Internets oder Verhaftungen von Kritikern geht, wie dem ugandischen Autor Kakwenza Rukirabashaija, der regierungskritische Kommentare in den sozialen Medien veröffentlicht hatte - all dies sind laut Bericht des South African Institute of International Affairs Anzeichen für ein zunehmend autokratisches und subversives Verhalten vieler Führer in Subsahara-Afrika.
"Viele hatten gedacht, dass soziale Medien eine befreiende Kraft für die Demokratie sind", so Menschenrechtler Opiyo. "Aber jetzt sehen wir, welche Gefahren damit verbunden sind und wie soziale Medien zur Untergrabung demokratischer Prozesse eingesetzt werden können. Soziale Medien werden zu einem weiteren Werkzeug der Unterdrückung." Zwar hält auch er eine Regulierung der Sozialen Medien für nötig. Nicholas Opiyo fordert aber auch eine Gemeinschaft von verantwortungsbewussten Nutzern, die wissen, dass nicht alles wahr ist, was man auf Social Media findet.