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Satire gegen Zensur

Silke Wünsch26. Juni 2012

Mit einer Cartoonserie, die die brutale Herrschaft der Tiger über die friedlichen Hasen darstellt, macht Multimediakünstler Wang Bo auf gesellschaftliche Missstände in China aufmerksam und umgeht haarscharf die Zensur.

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Screenshot aus dem BOBs Gewinner Video "Kleiner Hase" von Wang Bo Fratze eines wütenden Cartoon-Hasen
BOBs Gewinner 2012 Kleiner Hase Screenshot VideoBild: DW

Der chinesische Multimedia-Künstler und Regisseur Wang Bo erzählt in seiner Cartoonserie "Kuang Kuang Kuang" Geschichten um den Schüler Kuang Kuang. Die Episoden sind voller Anspielungen auf gesellschaftliche Konflikte und politische Skandale.

So zum Beispiel in einer Folge mit dem Titel "Kleiner Hase, sei brav". Damit spielt er auf ein in China sehr bekanntes Kinderlied an. Kuang Kuang liest in einem Kinderbuch über den idyllischen und harmonischen Hasenwald, in dem plötzlich die brutalen und blutrünstigen Tiger die Macht übernehmen. Die mächtigen Tiger, versprechen zwar, einen harmonischen Wald zu gestalten, tatsächlich zerstören sie aber den Lebensraum der Hasen: Hasenbabys sterben an verseuchten Milchprodukten, Hasenhäuschen werden abgerissen, ein Tiger im LKW überfährt einen Hasen und schreit: "Mein Vater ist Offizier!"

Screenshot aus dem BOBs Gewinner Video "Kleiner Hase" von Wang Bo Fratze eines wütenden Cartoon-Hasen
Was kurz nach dieser Szene aus "Kleiner Hase" passiert, ist nichts für schwache Nerven.Bild: DW

Wang Bo, der in diesem Jahr bei den BOBs – Deutsche Welle Blog Awards mit dem Jury-Preis in der Kategorie "Best Video Channel" ausgezeichnet wurde, thematisiert auf diese Weise brisante Themen wie Zwangsenteignungen und Machtmissbrauch.

Freie Meinungsäußerung kaum möglich

"Im Jahr vor der Produktion hatte ich im Internet und in Weibo [größter chinesischer Mikroblogging-Dienst, Anm. d. Red.] viel gelesen. Eigentlich kann man in China kaum irgendwo seine Meinung äußern. In diesem Jahr hatten sich bei mir dann ziemlich viele Gefühle angestaut, die ich zum Ausdruck bringen wollte."

So ist diese Cartoonfolge entstanden. Wenige Stunden nach dem Erscheinen im Internet wurde er zensiert. Fans posteten ihn daraufhin erneut. Insgesamt wurde der Videoclip millionenfach angeklickt, schätzt der Regisseur Wang Bo.

 "Über all diese Sachen ist doch schon in den Medien berichtet worden. Wovor haben die Betreiber von Web-Portalen solche Angst?" fragt Wang. Er glaubt, der Cartoon wurde nicht von den Behörden, sondern in einem Akt der Selbstzensur von den Video-Portalen selbst gelöscht. Die Betreiber der Webseiten wollten keinen Ärger haben, nimmt Wang an, sonst drohe ihnen die Schließung ihrer Angebote.

Die Grenzen der Zensur ausloten

Eine spätere Folge von "Kuang Kuang Kuang" hat ein womöglich noch heikleres Thema zum Inhalt. Die Folge mit dem Titel "Sonnenblumenkerne" wurde kurz nach dem Verschwinden des chinesischen Künstlers Ai Weiwei produziert und fragt indirekt nach dem Verbleib des Künstlers.

Screenshot aus dem Video "Sonnenblumenkerne" von Wang Bo (BOBs-Gewinner 2012) Sonnenblumenkerne zu einem Tier geformt
Ein Symbol? Wang Bo verschlüsselt die Botschaften in seinen Videos.Bild: DW

"Sonnenblumenkerne" ist auch der Name eines bekannten Kunstwerks von Ai, der wegen seines Engagements für Menschenrechte stark ins Visier der Behörden geraten ist. "Ai Weiwei und ich sind Freunde. Wenn jemandes Freund verschwindet, hat man doch das Recht zu fragen: Wo bleibt er?" 

Auch dieser Videoclip arbeitet mit Andeutungen und vermeidet somit, gänzlich zensiert zu werden. Doch niemand weiß, wo genau die Grenze der Zensur liegt. Das verunsichert viele Chinesen. Wang Bo macht sich darüber Sorgen, dass viele junge Menschen in seiner Branche sich davor scheuen, sozialrelevante Themen anzusprechen. Wang ermutigt sie: Die Zensur sei zwar allgegenwärtig, aber man solle versuchen, die Grenzen der Zensur auszuloten und "nach den Steinen tastend den Fluss zu überqueren".

Neben der Cartoonserie produzieren Wang Bo und sein Team auch kommerzielle Cartoons und animierte Werbung. Der 41-Jährige hat Ölmalerei studiert und bereits vor einem Jahrzehnt angefangen Multimedia-Kunst zu machen.

Der Cartoonfilmregisseur gewinnt mit der Serie Kuang Kuang Kuang den BOBs-Preis "Best Video Channel" im Jahr 2012. Foto angeboten von Wang Bo, 2012.
Wang BoBild: Wang Bo

Einsatz für Ideale und Gerechtigkeit

Seit der Entstehung von "Kuang Kuang Kuang" Ende 2008 ist die Serie oftmals mit der erfolgreichen US-Cartoonfilmreihe "South Park" verglichen worden. "Mir gefällt 'South Park' auch. Aber es ist eben doch eine andere Kultur. 'South Park' ist provozierender und für Erwachsene gedacht. Zwar fließt auch in den Folgen von 'Kuang Kuang Kuang' Blut, aber die Hauptfigur des Schülers Kuang Kuang transportiert auch kindliche Unschuld und den Kampf für Ideale und das Streben nach Gerechtigkeit."

Nach einer langen Pause möchte Wang Bo jetzt endlich seine Cartoonserie fortsetzen. Ideen hat er viele. Auf die Frage, warum er bereit ist, Themen anzupacken, bei denen andere Bedenken haben, sagt er: "Das ist wohl meine Persönlichkeit. Ich muss mich einfach äußern, auch wenn ich weiß, dass es Probleme mit sich bringen könnte." Und augenzwinkernd fügt er hinzu: "Ich scherze eben sehr gerne!"