Rosen statt Drogen
4. November 2012Sie war bis heute kein einziges Mal in Afghanistan, wollte eigentlich Sozialarbeiterin werden und nun macht Barb Stegemann mit ihrer Firma erfolgreich Geschäfte mit Afghanen. Die 42-Jährige importiert Öl, das aus Rosen- und Orangenblüten gewonnen wird, und mischt daraus Parfüms. Ihre Düfte werden inzwischen nicht nur über das Internet vertrieben, sondern stehen auch in den Regalen großer Kaufhäuser ihrer kanadischen Heimat und den Shops einer Fluggesellschaft. Was der Kanadierin Geld in die Kasse spült, hat auch einen entwicklungspolitischen Hintergrund: Wenn die afghanischen Bauern Zierpflanzen exportieren, wächst automatisch weniger Schlafmohn auf den Feldern.
"Ich kratze damit nur an der Oberfläche", sagt Stegemann im Gespräch mit der Deutschen Welle. Denn im Vergleich zu legalen Pflanzen wird Schlafmohn und Cannabis vor Ort in rauen Mengen angebaut und zu verschiedenen Drogen verarbeitet. Mit einem Weltmarktanteil von 90 Prozent ist Afghanistan nach Angaben der Vereinten Nationen der größte Produzent von Opiaten.
Stegemann hofft, durch ihr Beispiel andere Investoren zu ermutigen, auch innovative Geschäftsideen im Ausland zu verwirklichen. "Wir bauen so eine Beziehung zu den Afghanen auf, ein Verständnis." Handel sei der Schlüssel für die Entwicklung der Krisenregion.
Militäreinsatz als Inspiration
Rund 80 Prozent der Afghanen leben heute von der Landwirtschaft. Versuche, die afghanischen Bauern vom Drogengeschäft unabhängig zu machen, gab es schon viele. Seit 2004 unterstützt die Deutsche Welthungerhilfe Farmer beim Anbau von Rosen und der Gewinnung des Öls. Barb Stegemann brachte ihr bester Freund auf diese Geschäftsidee. Trevor Green war als Soldat in Afghanistan schwer verwundet worden. Sie widmete dem kanadischen Hauptmann ein Buch, und während der intensiven Beschäftigung mit dem Land stolperte sie über den Namen eines afghanischen Händlers: Abdullah Arsala, der mit ätherischen Ölen eine alternative Einkommensquelle für Bauern erschlossen hatte. Stegemann selbst plante ihre Seite des Unternehmens in der eigenen Garage und kaufte Arsala zunächst Öl für 2000 US-Dollar ab. "Die Banken wollten mir keinen Kredit geben", erzählt die Kanadierin. Sie hielten die Idee für albern und trauten der Frau ohne Erfahrung in der Wirtschaft nicht. "Ich habe also erstmal alles mit meiner Kreditkarte bezahlt. Innerhalb eines Monats hatte ich das Geld wieder raus."
Über einen Auftritt in einer kanadischen Fernsehsendung konnte sie vor zwei Jahren einen Investor gewinnen. Seitdem hat sie mit ihrer Firma "7 Virtues", sieben Tugenden, etwa 100.000 US-Dollar in Afghanistan ausgegeben. Ihr Geschäftspartner Abdullah Arsala beschäftigt in seiner Heimat derzeit 15 feste Mitarbeiter. Während der Erntezeit im März und April kommen 2500 Saisonarbeiter hinzu. "Rosen und Orangen sind ein guter Ersatz für Schlafmohn", meint er. "Allerdings brauchen diese Pflanzen zwischen drei und fünf Jahren, bis sie die volle Blüte erreichen." Viele Farmer könnten so lange nicht warten.
Mit Drogen das Doppelte verdienen
Schlafmohn hingegen ernteten Landwirte je nach Wetter mehrmals im Jahr. Die Verkäufer erzielten mitunter das Doppelte an Einnahmen im Vergleich zum Geschäft mit den Blüten, erklärt die Afghanistan-Expertin Janet Kursawe, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft. "Viele würden lieber keinen Schlafmohn anbauen", erklärt Kursawe im Interview mit der DW. Ihnen sei das Verbot bewusst und Untersuchungen zeigten immer wieder, dass Bauern durch die Bereitstellung von Samen, Dünger und Bewässerungssystemen stärker in die Produktion von legalen Nutzkulturen einsteigen würden.
Die Projekte mit Anbau-Alternativen wie Rosen oder auch Safran hätten allerdings nicht nur positive Seiten, gibt die Afghanistan-Expertin zu bedenken: "Der Preis für Rosenöl ist nach einiger Zeit extrem gefallen, weil das Angebot auf einmal so groß war. Damit hat es die Lukrativität dieser Substitutionskultur wieder verringert." Die Projekte bräuchte man deswegen nicht aufzugeben. Sinnvoll sei es aber, auf lange Sicht die Abhängigkeit von der Landwirtschaft zu durchbrechen, die Infrastruktur auszubauen und dadurch andere Wirtschaftszweige in Afghanistan zu fördern. Die Kanadierin Barb Stegemann arbeitet derweil schon an der Ausweitung ihren Geschäfts. Sie kauft nun auch Öl aus Haiti und will den europäischen Markt erobern.