Mit Nanoteilchen gegen Krebs
18. Mai 2011Helles Licht und das dezente Rauschen von Ventilatoren erfüllen den klinisch weißen Raum. Im Zentrum für Strahlentherapie der Berliner Charité steht ein bislang einzigartiges Gerät: Der sogenannte Nanoaktivator. Rund zwei Meter hoch ist er und erinnert mit seiner Torform an ein rechteckiges, kopfstehendes U.
In der Mitte des Gerätes wird der Krebspatient platziert, denn dort erzeugt der Nanoaktivator ein magnetisches Wechselfeld von 100 Khz. Das heißt, dass die Plus- und Minus-Pole 100.000 mal in der Sekunde hin- und herspringen. Die Energie des Magnetfeldes bringt Nanopartikel aus Eisenoxid zum schwingen, die zuvor in den Tumor des Krebspatienten injiziert wurden.
Schlaf bei Behandlung
Durch die Schwingung entsteht die Wärme, die die Tumorzellen unter Stress setzt. Sind die Tumorzellen auf diese Weise erst einmal geschwächt, werden sie leichter angreifbar. Schon gering dosierte Strahlen- oder Chemotherapien können dann Erfolg haben.
Der Patient, der unter dem Nanoaktivator liegt, merkt in der Regel wenig von der Wirkung des Magnetfeldes. Eine leichte Erhöhung des Pulses und der Körpertemperatur hat der Medizinphysiker Torsten Oleck, der den Nanoaktivator bedient, festgestellt. Manche, so Oleck, schlafen während der Behandlung auch ein.
Ernsthafte Nebenwirkungen waren bislang nicht zu beobachten. Zu beachten ist allerdings: Metallhaltiger Schmuck und Zahnfüllungen sind zu entfernen, denn auch sie würden sich im Bereich des Magnetfeldes erwärmen.
Möglichkeiten und Grenzen
Doch wie steht es um die Heilungserfolge der Wärmetherapie mit Nanoeisenoxid? In den vergangenen Jahren sind zahlreiche medizinische Untersuchungen dieser Frage nachgegangen. Erprobt wurde die Therapie bei verschiedenen Krebsarten, vor allem beim verbreiteten Prostatakrebs und beim Gehirntumor, dem Glioblastom. Letztere Krebsart gilt als besonders aggressiv und war bislang unheilbar.
Betraut mit den Studien war Peter Wust, der an der Charité die Abteilung für Strahlenheilkunde leitet. Bei Prostatakrebs, der im Bereich des Beckens entsteht, konnten nicht immer die erforderlichen Temperaturen erreicht werden. Das große Volumen des Beckens ist für das Magnetfeld relativ schwer zu durchdringen. Weitaus besser funktioniert die Erwärmung bei den Gehirntumoren im Kopf. Bei Glioblastom-Patienten verdoppelte sich die durchschnittliche Überlebenszeit der Patienten von 6 auf 13 Monate.
Bei einigen Patienten gelang es sogar, den Tumor langfristig unschädlich zu machen. Aber es gab auch Patienten bei denen die Therapie nicht anschlug, erklärt Peter Wust. Dann war es zuvor nicht gelungen, das Nanoeisen mit der Injektionsnadel gleichmäßig im Tumor zu verteilen. Ist dies der Fall, werden Teile des Tumors nur unzureichend erhitzt und der Krebs überlebt die Behandlung. Wust hofft auf wachsende chirurgische Erfahrungen und neue Techniken zum besseren Einbringen des Nanoeisenoxids. Denn für ihn ist das Potenzial der neuen Therapie noch lange nicht ausgeschöpft.
Nanoeisen - der Entwickler
Über eine weitere Verbesserung der Methoden denkt auch Andreas Jordan nach. Er hat die Nanoeisenoxid-Therapie entwickelt. Bereits 1987 hatte der Berliner Biochemiker die ursprüngliche Idee für die Therapie. Anfangs experimentierte er mit staubfein zerkleinerten Metallen. Doch diese Staubpartikel im Tausendstel Millimeterbereich waren noch immer zu groß – und damit zu träge, um sich zu schnellen Schwingungen anregen zu lassen. Die Metalle wurden allenfalls handwarm.
Erst mit den Eisendioxidpartikeln im Nanoformat, die gerade mal 15 Millionstel Millimeter groß sind, gelang Jordan der Durchbruch. Der Grund: Je kleiner die Partikel sind, desto mehr Partikeloberfläche lässt sich auf wenig Raum komprimieren. Entscheidend ist die Oberfläche, weil die Energie des Magnetfeldes über sie als Wärme abgestrahlt wird. Die Flüssigkeit, die in den Tumor injiziert wird, fasst pro Tropfen mehrere tausend Milliarden Partikel, rechnet Jordan vor. Addiert man ihre Oberfläche, so Jordan, ergibt sich die Größe eines Tennisplatzes.
Dabei war das Erreichen therapeutisch wirksamer Temperaturen nicht das einzige Problem, das Jordan lösen musste. Eine weitere Frage war: Wie verhindert man, dass die Nanopartikel nach der Injektion im Tumor bleiben und nicht in den Rest des Körpers übergehen? Um dies zu unterbinden versah er die Teilchen mit einer hauchdünnen Glasummantelung. Sie sorgt dafür, dass das Nanoeisen in den Krebszellen gewissermaßen kleben bleibt. Dort verbleiben sie dann auch nach dem Ende der Therapie. Sollte der Krebs im Laufe der Zeit wieder aktiv werden, kann der Patient deshalb erneut mit dem Nanoaktivator behandelt werden.
Autor: Nils Michaelis
Redaktion: Fabian Schmidt