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Gegen Tradition

7. Juni 2011

In vielen afrikanischen Gemeinschaften werden Frauen bis heute beschnitten. Die Kenianerin Monica Kaguithia konnte ihrer eigenen Beschneidung entfliehen. Nun will sie auch andere vor der grausamen Tradition bewahren.

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Monica Kaguithia produziert in einem Verein für blinde Frauen Erdnußbutter (Foto: DW/E. Ponda)
Heute bewahrt Monica andere vor der grausamen TraditionBild: DW

Monica Kaguithia war 16 Jahre alt, als ihr Vater, ein Massai, sie mit einem zehn Jahre älteren Mann verheiratete. Sie lebten in einem kleinen Dorf in Kenia. Für ihre Schwiegereltern galt sie als Außenseiterin, weil sie nicht beschnitten war. Denn nach dem Willen der Massai muss jede Frau die Beschneidung über sich ergehen lassen. Anderenfalls, so die Vorstellung, würde sie sich zu jedem Mann, der ihr begegnet, sexuell hingezogen fühlen. "Ich hätte bei der Geburt meines Kindes beschnitten werden sollen", erzählt Monica. "Doch ich bin vorher geflohen. 25 Kilometer weit bin ich gelaufen, zu meiner Tante, die mich ins Krankenhaus gebracht hat. Dort habe ich dann meinen kleinen Jungen zur Welt gebracht."

Junge Massai vor einem Dorf am Natronsee in Tansania (Foto: dpa)
Tief verwurzelt in Traditionen: Die MassaiBild: picture alliance/dpa

Doch seitdem hat Monica einen schweren Stand in ihrem Dorf. Sie durfte nicht zur Schule gehen wie andere Mädchen und blieb von der Gemeinschaft ausgeschlossen. Sie führte ein einsames und zurückgezogenes Leben. Mit Büchern bepackt wanderte sie auf die Felder, um neben der Arbeit zu lernen. "Nach der Feldarbeit musste ich noch die Kühe melken und die Milch verkaufen. Das Geld musste ich meinem Mann geben. Doch der hat alles nur versoffen oder mich geschlagen", sagt Monica.

Das Leben im Dorf wurde für sie immer unerträglicher. Sie ließ sich scheiden und zog mit ihren drei Kindern an den Stadtrand von Nairobi - und begann ein neues Leben.

Ein neues Leben

Durch ihren ältesten, damals achtjährigen Sohn, der sich für einen blinden Mann begeistert als Blindenführer einsetzte, begann Monica, die Blindenschrift Braille zu lernen. Sie half Frauen in einem Institut für Blinde in ihrer Nachbarschaft. Und diese Leidenschaft, anderen Menschen, denen es weniger gut ergeht, helfen zu können, war erst der Anfang für Monica.

Monica Kaguithia kocht für Frauen der Blindenorganisation in Nairobi (Foto: DW/ E. Ponda)
Erdnussbutter: Geschäftsgrundlage für die Frauen der BlindenorganisationBild: DW

Im Blindeninstitut sah sie eine Anzeige des International Institut for Social Entrepreneurs (IISE) im indischen Kerala. Vergangenes Jahr erhielt sie schließlich ein Stipendium: ein Jahr Ausbildung am IISE in Indien zur Sozialen Unternehmerin. Das heißt: mit wenig Geld, aber viel Engagement großen sozialen Nutzen erzielen.

Zurück in Kenia startete sie eine Kampagne gegen Genitalverstümmelungen bei den Massai. Leicht hat sie es nicht. Als Außenseiterin gebrandmarkt, weil sie sich der Verstümmelung verweigerte; manche bezeichnen sie als Prostituierte. Und die Gemeinschaft in der abgelegenen Region verbittet sich jede Einmischung. "Es ist wirklich sehr schwierig und gefährlich für mich", erzählt Monica. "Trotzdem: Ich plane, Seminare auch für Männer zu organisieren und ihnen dabei Schritt für Schritt zu erklären, was wir bekämpfen und warum wir es bekämpfen."

Kampf gegen Windmühlen

Junge Mädchen in Kenua stehen beinander auf einem Feld (Foto: DW/E. Ponda)
In Kenia sind 32 Prozent aller Mädchen beschnittenBild: DW

Trotz weit verbreiteter Kritik in der kenianischen Gesellschaft und der internationalen Gemeinschaft halten die Massai an dem Brauch der Beschneidung fest. Und obwohl die kenianische Regierung die Praktik unter Strafe gestellt hat, befürworten viele gebildete Massai - Männer und Frauen - die Genitalverstümmelung. Nicht, weil sie über die Risiken nicht aufgeklärt wären, sondern aus der Angst, in ihrer Gemeinschaft nicht mehr anerkannt zu sein, sollten sie die Tradition ablehnen.

Doch Monica wird nicht müde, für ihre Vision - ein Kenia ohne schmerzhafte Beschneidungen - zu kämpfen. Sie sagt, alles sei möglich, wenn man nur an sich selber glaubt. Derzeit werden schätzungsweise 32 Prozent aller kenianischen Mädchen beschnitten. Dennoch glaubt Monica fest daran, dass Genitalverstümmelung in 15 Jahren in Kenia nicht mehr praktiziert wird.

Die Genitalverstümmelung ist zwar illegal in Kenia, aber Strafen werden nur selten verhängt. Für die Massai haben Traditionen eine große Bedeutung. "Es ist dieses Festhalten an ihren Traditionen, das die Ausrottung der Genitalverstümmelung bei den Massai zu einer so schwierigen Mission macht", sagt Monica.

Autor: Eric Ponda/ Sarah Steffen
Redaktion: Stefanie Duckstein