Mit Jackie geht's rund
23. Dezember 2004Satelliten umrunden den Globus in wenigen Stunden - mit dem Flugzeug können Kontinente in wenigen Stunden überquert werden. Doch vor dem Jumbo-Zeitalter gab es Zeiten, da war eine Weltreise, die kürzer als drei Monate dauern sollte, noch ein prickelndes Abenteuer. Jules Vernes Roman "In 80 Tagen um die Welt" erzählt die Geschichte von Phileas Fogg, einem exzentrischen Erfinder, der von der Fachwelt für einen verschrobenen Verrückten gehalten wird. In seinem verzweifelten Versuch, bei der Londoner Royal Academy Anerkennung zu gewinnen, geht Fogg eine gewagte Wette ein: Er will die Welt in nur 80 Tagen umrunden. Zusammen mit seinem Diener Passepartout begibt sich Fogg auf eine Weltreise, die die Helden über Land-, Wasser- und Luftwege zu den exotischsten Orten führt. Soweit der Klassiker, der jedermann bekannt sein dürfte.
Familienspaß am Rande zum Klamauk
Bereits 1956 wurde die Geschichte mit großem Staraufgebot und prachtvoller Ausstattung von Produzent Michael Todd und unter der Regie von Michael Anderson in Szene gesetzt - und nun wieder. Der amerikanische Regisseur Frank Coraci hat eine mehr alberne als turbulente Actionkomödie in Kostümen des ausgehenden 19. Jahrhunderts gedreht.
Im Gegensatz zur Vorlage steht diesmal nicht Phileas Fogg, sondern Passepartout im Mittelpunkt des zweistündigen Geschehens. Grund dafür ist der Name des Passepartout-Darstellers, der Jackie Chan heißt und seit vielen Jahren einer der populärsten Stars des asiatischen Kinos ist. Die Geschichte wurde um seine Person herum neu gestrickt: Passepartout aggiert als chinesischer Held, der einen aus seinem Heimatdorf entwendeten Jade-Buddha zurückzubringen versucht. So müssen sich die Reisenden auf jeder Station gegen brutale asiatische Kämpfer behaupten, die ebenfalls an der Buddha-Figur interessiert sind. Kung-Fu-Ikone Jackie Chan verhaut sie alle - seine Kampf- und Slapstickszenen kommen wie gewohnt halsbrecherisch, rasant und witzig daher.
Albern dagegen ist der Aufritt des zum kalifornischen Gouverneur aufgestiegenen Muskel-Idols Arnold Schwarzenegger als liebestrunkener Sultan Hapi mit unschlagbarer Langhaarperücke. Spätestens jetzt wird der Zuschauer wehmütig, denkt er daran, welche erlesene, inzwischen legendäre Namen großer Stars in der Fassung von 1956 mitwirkten: Neben David Niven als Fogg waren das Marlene Dietrich, Shirley MacLaine, Fernandel, Buster Keaten, Peter Lorre, Fank Sinatra und viele andere. Coracis Version kann trotz der Sekundenauftritte von John Cleese, Macy Gray, Owen und Luke Wilson und Kathy Bates nicht mithalten. Immerhin werden schöne Schauplätze geboten.
Ein Hauch von Hollywood in Görlitz
Etliche Szenen wurden in Thailand gedreht, aber auch in dem im Krieg unzerstört gebliebenen deutschen Grenzort Görlitz, von dem der Filmausstatter Perry Blake schwärmt: "Die Stadt ist ein Juwel." Für die Filmarbeiten wurden ganze Straßenzüge der historischen Innenstadt von Kulissenbauern und Requisiteuren ins Paris des 19. Jahrhunderts zurückversetzt. Und in Berlin wurden die Szenen gedreht, die in London spielen. Unter anderem auf dem Gendarmenmarkt. Dort trohnt dann mittig statt Friedrich Schiller eine ominöse Weltmetallkugel als Symbol der "British Royal Academy of Science" - die in Vernes Original überhaupt nicht vorkommt. Und: Big Ben wurde - deutlich erkennbar - im Nachhinein digital eingescannt.
Während Vernes Roman und Todds Kinofilm noch als eine ernst zu nehmende Persiflage auf die distinguierte britische Gesellschaft und die koloniale Welteroberung des British Empiere gelten können, ist die Suche nach gesellschaftskritischen Aspekten im neuen Film vergebens. Coracis 100 Millionen Dollar teure Neuverfilmung setzt hauptsächlich auf Spaß, wovon vor allem Kinder begeistert sein dürften. Ob der Familienfilm es schaffen wird, bleibt abzuwarten. In den USA fand die abenteuerliche Erdumrundung nur mäßig Beachtung.