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Erneuerbare Energien könnten den globalen Energiebedarf decken

Gero Rueter4. Dezember 2012

Treibhausgasemissionen steigen ungebremst. Ohne eine radikale Abkehr von fossilen Energien könnten die Kinder von heute eine vier Grad wärmere Welt erleben. Doch Experten halten eine Wende durchaus noch für möglich.

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Klimarettung mit Erneuerbaren und Effizienz SymbolbildBild: Frederico di Campo - Fotolia.com

Die Erdtemperatur soll gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung um maximal zwei Grad Celsius steigen. Auf dieses Ziel einigten sich 194 Länder auf dem UN-Klimagipfel in Cancun 2010. Diese Temperaturerhöhung betrachten die führenden Klimawissenschaftler, der Weltklimarat, als maximal vertretbar. Sonst, so die Befürchtung, drohe das Weltklima mit unabsehbaren Folgen und Gefahren aus den Fugen zu geraten.

Nun warnen die Klimawissenschaftler angesichts stark steigender CO2-Emissionen und fordern schnelles Handeln. Sie rechneten aus, dass jetzt insgesamt nur noch höchstens 570 Milliarden Tonnen CO2 durch Auspuff und Schornsteine in die Atmosphäre geblasen werden dürften, sonst  so die Klimawissenschaftler, würde die Erdtemperatur wahrscheinlich über zwei Grad steigen.

Würde der jährliche Ausstoß der Treibhausgase auf heutigem Niveau bleiben, wäre diese Höchstmenge von 570 Milliarden Tonnen schon in 17 Jahren erreicht. Um die Erderwärmung auf zwei Grad  zu begrenzen, dürfte die Welt danach keine fossilen Energien mehr verbrennen.

Infografik Wird das Zwei-Grad-Ziel verfehlt? (DW-Grafik: Olof Pock)
Um das Klimaziel von zwei Grad zu erreichen müssen die Treibausgasemissionen bis 2050 auf ein Zehntel sinken

Zu viele fossile Energien für das Klima

Klimaexperten fordern schnelles Handeln der Politik. Sie verweisen dabei auch auf die großen Kohle-, Gas- und Ölmengen, die noch in der Erde lagern. Würde die für dieses Jahrhundert prognostizierte Förderung umgesetzt, so wären nach Angaben des Weltklimarates damit CO2-Emissionen von über 5000 Milliarden Tonnen verbunden. Diese Menge wäre das neun- bis zehnfache der noch akzeptablen Höchstmenge von 570 Milliarden Tonnen. Das Ziel der Temperaturbegrenzung auf maximal zwei Grad würde so weit verfehlt.

Umstieg auf Erneuerbare nötig und möglich

Um den Einsatz von fossilen Energien und damit den Klimawandel noch zu begrenzen, analysierten im Auftrag des Weltklimarates 120 Experten aus der ganzen Welt das Potential der erneuerbaren Energien. In dem 1000 Seiten umfassenden Bericht von Mai 2011 kommen die Experten zu dem Schluss, dass "nahezu 80 Prozent der weltweiten Energieversorgung bis 2050 mit erneuerbaren Energien erreicht werden könnte."

Infografik Szenario für Umstieg auf Erneuerbare Energien in der Welt bis 2050 (DW-Grafik: Olof Pock)
Nach diesem DLR-Szenario gäbe es 84 Prozent Erneuerbare Energien im Jahr 2050. Der C02-Ausstoß würde so auf ein Zehntel sinken. Die Klimaerwärmung könnte auf zwei Grad begrenzt werden.

160 Energieszenarien nahmen die Experten unter die Lupe. Das "World Energy Scenario" vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) war eines. Es gilt als wegweisend für den globalen Umstieg auf erneuerbare Energien.

Im Auftrag von Greenpeace International und dem europäischen Dachverband der Erneuerbaren Energien (EREC) untersuchen und skizzieren die DLR-Wissenschaftler seit Jahren regelmäßig den technisch möglichen Ausstieg aus der fossilen Energieversorgung und die wirtschaftlichen Effekte. Mit Szenarien zu zehn Weltregion und 40 Ländern gelten die frei zugänglichen Berichte und Daten weltweit als wichtiges Werkzeug für Wissenschaft, Politik und  Nichtregierungsorganisationen.

Mehr Nutzen mit weniger Energie

Um die Weltbevölkerung von über neun Milliarden Menschen im Jahr 2050 in allen Lebensbereichen ausreichend mit klimafreundlicher Energie zu versorgen, sehen die DLR-Experten die Energieeffizienz als einen zentralen Baustein. Im Vergleich zu heute könnte die eingesetzte Energie, die sogenannte Primärenergie, um 60 Prozent effizienter genutzt werden. Im Vergleich zu heute könnte so mit weniger Primärenergie der gestiegene Energiebedarf von neun Milliarden Menschen gedeckt werden. Große Einsparpotentiale gibt es zum Beispiel bei Gebäuden: Über 80 Prozent der Energie ließen sich durch Dämmung und effiziente Technik einsparen.

Mehr Effizienz halten die DLR-Experten auch im Personenverkehr für nötig und möglich. "Wir können nicht einfach einen großen Geländewagen mit Biosprit füllen und dann ist er plötzlich umweltfreundlich", sagt Sven Teske von Greenpeace International im DW-Interview. Kleinere, effizientere Autos müssen her, so Teske, der auch am Bericht für den Weltklimarat mitarbeitete. Auch der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel sei unumgänglich. 

Umkehr der Energieversorgung bis 2050

Heute decken die fossilen Energien etwa 80 Prozent des Weltenergiebedarfs. 2050 könnten es nach dem vierten "World Energy Scenario" (2012) vom DLR - dem sogenannten "energy (r)evolution scenario" - nur noch 16 Prozent sein. Die Kohleverbrennung würde im Vergleich zu heute auf ein Achtel, die Öl- und Gasnutzung im Vergleich zu heute auf ein Viertel zurückgehen. Gas und Öl würde nach dem Szenario vor allem noch im Transportsektor gebraucht.

84 Prozent des Weltenergiebedarfs könnten nach dem DLR-Szenario bis 2050 die erneuerbaren Energien übernehmen. Den größten Anteil sehen die Experten bei der Sonnenkraft mit 28 Prozent, gefolgt von Erdwärme mit 24 Prozent und Biomasse mit 15 Prozent. Der Windanteil läge bei zehn, die Wasserkraft bei vier und die Meeresenergie (Wellen- und Strömungsenergie) bei zwei Prozent.

Das größte Wachstum wird in den nächsten Jahrzehnten bei der Sonnenkraft prognostiziert. Heute liegt der Anteil bei 0,6 Prozent des Weltenergiebedarfs. 2050 könnte die Sonnenkraft viel Wärme für Gebäude und industrielle Prozesse liefern, und rund 35  Prozent des globalen Strombedarfs.

Auch die Energieversorgung mit Geothermie soll stark wachsen.  Mit Hilfe von Wärmepumpen soll die Erdwärme vor allem Gebäude heizen; der Anteil an der Stromversorgung könnte bei vier Prozent liegen.

Auch die Windkraft soll einen großen Anteil an der Stromversorgung übernehmen. Heute deckt Windstrom drei Prozent des globalen Strombedarfs, 2050 könnten es 30 Prozent sein.

Solarsiedlung von Rolf Disch in Freiburg (Copyright: Rolf Disch Solararchitektur)
Diese Siedlung in Freiburg gilt als zukunftsweisend: Die Häuser sind sehr gut gedämmt und die Solaranlagen auf den Dächern liefern mehr Energie als die Siedlung braucht . Da keine Brennstoffkosten anfallen rentiert sich die höhere Investition schnell.Bild: Rolf Disch Solararchitektur

Mehr Wohlstand mit erneuerbarer Energie

Technisch möglich sei der globale Energieumbau, davon zeigen sich führende Energieexperten überzeugt. Die Technik steht schon heute für den Einsatz im großen Maßstab bereit.

Ob allerdings die Entscheidungsträger die notwendigen Weichen für den Energieumbau zügig stellen, ist fraglich. Der Umstieg wurde bislang vor allem als sehr kostspielig und damit als Belastung für die Wirtschaft dargestellt. Eine freiwillige, hohe Reduzierung der CO2-Emissionen betrachten viele Politiker bisher als Wettbewerbsnachteil für ihre Volkswirtschaften. Das sorgte oft für mangelnde Fortschritte bei den internationalen Klimaverhandlungen. Freiwillig wollten Regierungsvertreter mögliche volkswirtschaftliche Nachteile nicht riskieren.

Doch Berechnungen im "World Energy Scenario" (DLR) und andere Studien zeigen, dass eine Energieversorgung mit erneuerbaren Energien im Vergleich zur fossilen viel günstiger ist, da die Kosten für die Brennstoffe entfallen. Wer seine Energieversorgung umbaut, spart nach diesen Berechnungen Geld.

Zu diesem Ergebnis kommt auch der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung in einem aktuellen Politikpapier zur Finanzierung der globalen Energiewende. Dort steht in der Zusammenfassung, dass "Investitionen in erneuerbare Energietechnologien und Energieeffizienz durch Einsparungen der Kosten für fossile Brennstoffe schon bis zum Jahr 2040 vollständig kompensiert sein können." Der wissenschaftliche Beirat sieht deshalb auch in der deutschen Energiewende ein Beispiel wie "nicht weniger, sondern mehr Wohlstand generiert werden kann." 

Die DW-Interviews mit den zitierten Klimaexperten und Links zu den Studien finden Sie im Anhang.