Mit Generationenmix in die Europawahl
8. Februar 2014Die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für die Europawahl heißt Rebecca Harms. Die 57-jährige Europaabgeordnete und Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament wurde beim Parteitag in Dresden mit 65,8 Prozent der Stimmen gewählt. Ihre Herausforderin, die 32-jährige Ska Keller, erhielt 33,8 Prozent der Stimmen.
Beide Kandidatinnen hatten sich den rund 750 Delegierten mit leidenschaftlichen Reden vorgestellt. Harms sagte, sie wolle sich für Menschenrechte einsetzen, für eine gerechte Flüchtlingspolitik in der EU und für den Klimaschutz. "Mir ist sehr bewusst, dass ich schon weit über 30 bin, aber ich bin immer noch die Gorleben-Aktivistin, ich will immer noch die Welt verändern", rief Harms unter dem tosenden Applaus der Delegierten aus.
Die bekannte und einflussreiche Anti-Atom-Aktivistin aus Niedersachsen spielte damit auf ihre Gegenkandidatin Keller an, die in ihrer Rede immer wieder ihr jugendliches Alter in die Waagschale warf. Sie wolle die Spitzenkandidaten der anderen Parteien "alt aussehen lassen", sagte Keller. Im Januar war die Ostdeutsche aus Guben, die seit 2009 im Europaparlament sitzt, in einer Online-Abstimmung an die Spitze der europaweiten Kandidatenliste der Grünen gewählt worden.
Alt-junges Spitzenquartett
Harms zeigte sich nach der Kampfabstimmung hoch erfreut und erleichtert. Bei der Auseinandersetzung mit Keller sei es auch um eine Generationenfrage gegangen, sagte sie der Deutschen Welle. "Ich wusste schon immer, dass die Arbeit im Europäischen Parlament und die Vermittlung europäischer Ideen Erfahrung voraussetzt. Das verlangt auch ein besonderes Gespür für das Gespräch mit den Bürgern und ich glaube, das habe ich", so Harms.
Ihre unterlegene Herausforderin, Ska Keller, wurde von den Delegierten anschließend mit großer Mehrheit auf den dritten Listenplatz gewählt. Für den zweiten Platz kandidierte erfolgreich der Finanzexperte und Globalisierungskritiker Sven Giegold. Ihm folgt der Vorsitzende der Europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, der zum zweiten Mal in das Europäische Parlament einziehen will. Den meisten Zuspruch der Delegierten erhielt der junge Europa-Politiker Jan-Philipp Albrecht. Er wurde nach einer mitreißenden Vorstellungsrede mit 97,3 Prozent der Stimmen auf den 6. Listenplatz entsandt, hinter die Menschenrechtsexpertin und ehemalige Generalsekretärin von Amnesty International, Barbara Lochbihler.
Mit dieser Spitzenmannschaft haben sich die Grünen bei ihrem Europaparteitag für einen Mix von jungen und erfahrenen Politikern entschieden. Die Verjüngungskur, mit der sie nach der verlorenen Bundestagswahl im letzten September den größten Teil ihrer Führung ausgetauscht haben, setzten sie damit auf europäischer Ebene nicht fort.
Debatte um das Wahlprogramm
Zuvor hatten die Grünen ihr Wahlprogramm für die Europawahl verabschiedet. Darin sprechen sie sich dafür aus, die Verhandlungen der Europäischen Union um ein Freihandelsabkommen mit den USA vorläufig abzubrechen. Die rund 750 Delegierten des Parteitags in Dresden kritisierten die mangelnde Transparenz der Verhandlungen. Der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Anton Hofreiter, sagte, das TTIP (Transatlantic Trade- and Partnership) genannte Abkommen bedrohe die Standards für Umwelt- und Verbraucherschutz in der Europäischen Union. Auch die Grünen seien für den Freihandel und für die transatlantische Partnerschaft, unterstrich er. Der Freihandel dürfe aber nicht dazu führen, dass Konzerne wie der Agrar-Riese Monsanto ihre Interessen zu Lasten der Verbraucher durchsetzten. Die Delegierten lehnten den Antrag ab, die TTIP-Gespräche ganz abzubrechen. Sie plädierten stattdessen für einen Neustart in den Verhandlungen.
Kritik an Klimaschutz-Politik
Hofreiter warnte auch vor Rückschlägen beim Klimaschutz. Er warf den europäischen Regierungen und der EU-Kommission vor, "die Füße auf den Tisch zu legen" und das bereits Erreichte aufs Spiel zu setzen. Auch die Bundesregierung versuche, den Ausbau erneuerbarer Energien abzuwürgen. Um den Anstieg der Strompreise zu begrenzen, schränke sie ausgerechnet den Ausbau der Windkraft ein, der billigsten Energieform also. Dies sei absurd.